Название: Handbuch des Strafrechts
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
isbn: 9783811455566
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bb) Auch für die Unterschlagung stellt sich die Frage nach der Reichweite der Drittzueignung und ihrem Verhältnis zur Selbstzueignung durch die ausdrückliche Aufnahme der Drittzueignung im 6. StrRG (vgl. zum Diebstahl oben Rn. 67 ff.). Vor der Gesetzesänderung[312] wurde die Zuwendung an Dritte nur dann als Zueignung vom BGH angesehen, wenn sie dem Täter zumindest einen mittelbaren Vorteil brachte.[313] Nach aktueller Gesetzeslage ist für eine derartige Restriktion kein Raum mehr, weshalb für Vertreter (insbesondere Organe) juristischer oder natürlicher Personen damit je nach manifestiertem Zueignungswillen (den er selbst besitzen muss, § 14 StGB gilt nicht)[314] heute sowohl die Sich- als auch Drittzueignung in Betracht kommt.
d) Rechtswidrigkeit der Zueignung
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Die Zueignung muss rechtswidrig erfolgen, d.h. gegen die materiell zivilrechtlich gesollte Rechtszuordnung verstoßen; das zu § 242 StGB Gesagte gilt hier entsprechend. Die Rechtswidrigkeit der Zueignung ist Tatbestandsmerkmal, denn sie ist für das deliktstypische Unrecht maßgeblich, denn die Zueignung fremder Sachen mit Einwilligung ist integraler Bestandteil des Wirtschaftslebens. Das weitergehende allgemeine Verbrechensmerkmal der Rechtswidrigkeit der – objektiven und subjektiven Deliktstatbestand erfüllenden – Tat als solcher, muss zusätzlich erfüllt sein, hat aber regelmäßig keine große Bedeutung.
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Wie oben angedeutet haben vertragliche Einwilligungen jedweder Form im Alltag große Bedeutung. So rechtfertigt z.B. § 241a BGB die Zueignung unverlangt zugesandter Ware, ebenso kommt eine mutmaßliche Einwilligung (etwa beim Vertauschen von Geld oder anderen vertretbaren Sachen) in Betracht. Eine Bestrafung gemäß § 246 StGB im Falle der Aneignung des unter Missbrauch einer ec-Karte erlangten Geldes aus einem Bankautomaten ist zwar nicht durch (antizipierte) Einwilligung gedeckt,[315] scheitert heute jedoch an der Subsidiarität gegenüber § 263a StGB.
3. Subjektiver Tatbestand der Unterschlagung
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Absicht ist bei § 246 StGB – anders als bei § 242 StGB – keine Voraussetzung des subjektiven Tatbestandes, es genügt bereits (zumindest bedingter) Vorsatz hinsichtlich des Vorliegens aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Dabei ist die subjektive Komponente des § 246 StGB mehrschichtig: Zum einen bezieht sich das allgemeine Vorsatzerfordernis gemäß § 15 StGB auf das Vorliegen äußerer Umstände. Hinsichtlich des äußeren Umstandes „Zueignung“ ist aber eine starke subjektive Prägung gegeben. Das Zueignungserfordernis hat kein reales Substrat in dem Sinne, dass es sich auf eine bestimmte Klasse äußerer oder rechtlicher Zustände bezöge. Es geht vielmehr um ein „So-Tun-als-ob“ (der Täter Eigentümer wäre bzw. würde), für dessen Sinngehalt die Vorstellung des Täters konstitutiv ist und dessen Äußerung durch die Tat nur sekundär sein kann. Lässt man genügen, dass in objektiver Hinsicht ein Verhalten vorliegt, das für einen Beobachter die Annahme wahrscheinlich macht, der Täter wolle die Sache sich oder einem Dritten zueignen, so ist hier in subjektiver Hinsicht zu prüfen, ob dieser Wille tatsächlich vorlag. Es genügt nicht, dass der Täter lediglich eine Einschätzung seines Verhaltens als Manifestation als möglich erkannte. Hinsichtlich dieser eigenen Vorstellung kann der Täter (schon begrifflich) nicht nur nicht irren, sondern es gibt insoweit auch keinen Eventualvorsatz, denn der Täter handelt entweder bezüglich einer Sich-Zueignung mit direktem Vorsatz oder völlig ohne subjektives Element. Im Hinblick auf eine Drittzueignung ist ein Eventualvorsatz aber insoweit möglich, als es um Vorstellungen und Verhalten des Dritten geht, wobei der Vorsatz dann voraussetzt – sich aber nicht darin erschöpft –, dass der Täter es zumindest als möglich ansieht, dass der Dritte sich nach der Zueignung an ihn wie ein Eigentümer der Sache verhalten wird. Von der Bestimmtheit des Vorsatzes ist die Frage nach seinem Inhalt zu trennen. Für die Vorstellung des Täters, einen anderen seiner Eigentümerstellung zu entsetzen und sich wie ein Eigentümer zu betragen bzw. einen Dritten als neuen Eigentümer zu behandeln, ist lediglich eine Bildung nach Laienart nötig.
V. Besonders schwere und qualifizierte Fälle des Diebstahls
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Besonders schwere Fälle wie auch die Qualifikationen des Diebstahls sind lediglich auf den Diebstahl selbst anwendbar. Die Unterschlagung wird von ihrem Anwendungsbereich nicht umfasst. In § 243 StGB sind Regelbeispiele genannt, die für bestimmte beispielhaft aufgezählte Fälle auf Ebene der Strafzumessung „in der Regel“, d.h. nicht nur und auch nicht stets, den verschärften Strafrahmen des § 243 StGB rechtfertigen. Bei geringwertigen Tatobjekten ist die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 243 Abs. 2 StGB ausgeschlossen.
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Im Unterschied hierzu haben die qualifizierten Fälle des Diebstahls besondere Begehungsweisen und eine damit verbundene erhöhte Gefährlichkeit der Tatbegehung bzw. Tatobjekte, die besonderem Schutz bedürfen, zum Inhalt. Es handelt sich hier um selbstständige, abschließende und zwingend anzuwendende Tatbestände,[316] die den Grundtatbestand des Diebstahls bereits auf Tatbestandsebene qualifizieren. Bei Vorliegen der entsprechenden Merkmale schreiben sie also einen erhöhten Strafrahmen zwingend vor. Eine Gesamtabwägung wie in § 243 StGB ist nicht vorzunehmen. Die Strafbarkeit nach § 244 StGB beurteilt sich zudem ungeachtet einer eventuellen Geringwertigkeit der Tatobjekte.
a) Allgemeine Grundsätze
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aa) Voraussetzung für die Annahme eines besonders schweren Falles des Diebstahls gemäß § 243 StGB als Strafzumessungsvorschrift[317] mit Regelbeispielen[318] ist die rechtswidrige und schuldhafte Begehung des § 242 StGB, bei dem es aufgrund besonderer Umstände zu einer Strafschärfung nach § 243 StGB kommt.[319] Im Unterschied zu Tatbestandsmerkmalen, hat ein erfülltes Regelbeispiel nur Indiz- bzw. Regelwirkung, und der Katalog des § 243 StGB ist damit weder zwingend noch abschließend. Das Vorliegen eines Regelbeispiels führt daher lediglich zu einer widerlegbaren Vermutung dafür, dass ein besonders schwerer Fall des Diebstahls gegeben ist,[320] dennoch ist es dem Gericht aber möglich – dann aber mit expliziter Begründung[321] – einen solchen ablehnen.[322] Umgekehrt ist es dem Gericht aber auch möglich einen schweren Fall zu bejahen, obwohl keines der aufgezählten Regelbeispiele verwirklicht wurde.[323] Diese flexible Regelung ermöglicht es dem Richter, anhand des jeweiligen Einzelfalles zu überprüfen, ob Umstände vorliegen, die das Unrecht des einfachen Diebstahls nach § 242 StGB soweit steigern, dass ein höherer Strafrahmen angemessen erscheint.[324] Eine Aufnahme in den Urteilsspruch erfolgt grundsätzlich nicht, da es sich bei der Annahme eines schweren Falles um einen Strafzumessungsgesichtspunkt handelt.
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Aufgrund des Umstandes, dass Regelbeispiele das Unrecht der Tat erhöhen und damit Tatbestandsähnlichkeit aufweisen, muss der Täter auch diese in sein Vorstellungsbild aufgenommen haben, d.h. §§ 15, 16 StGB finden aufgrund der Tatbestandsähnlichkeit analog zu Gunsten des Täters Anwendung.[325] Es genügt für diesen Quasivorsatz grundsätzlich dolus eventualis,[326] wobei etwa die Gewerbsmäßigkeit nach Nr. 3 schon nach ihrer Definition zielgerichtetes Handeln voraussetzt.[327] СКАЧАТЬ