Название: Handbuch des Strafrechts
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
isbn: 9783811455566
isbn:
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Es liegt demnach trotz Weitergabe an einen Dritten Selbstzueignungsabsicht vor, wenn der Täter hierdurch (wenigstens mittelbar) einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil anstrebt, wobei die Verfolgung immaterieller Vorteile für die Selbstzueignung nicht ausreicht.[260] Eine Bejahung der Selbstzueignung würde daher erfolgen, wenn der Täter eine bereits verkaufte Sache dem Verkäufer wegnimmt, diese dem Käufer gegen Zahlung des Kaufpreises übergibt und sich hierbei als Bote des Verkäufers ausgibt.[261]
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Typische Fälle von Drittzueignungsabsicht sind hingegen Mehrpersonenverhältnisse, in denen der in Drittzueignungsabsicht handelnde Täter zwar fremden Gewahrsam bricht, dies aber nur tut, weil ein anderer hieran Eigenbesitz begründen soll. Darüber hinaus sind meist die allgemeinen Teilnahmeregelungen in derartigen Fallkonstellationen anzuwenden, da häufig an der Tat auch noch weitere Personen, insbesondere der Dritte, beteiligt sind. Die Drittzueignungsabsicht ist z.B. zu bejahen, wenn der Täter den gutgläubigen Dritten durch mittelbare Täterschaft dazu veranlasst, die Sache unmittelbar an sich zu nehmen, und dabei das Ziel verfolgt wird, dem vorsatzlosen Dritten dauerhaft Eigenbesitz einzuräumen. Genauso liegt ein Fall von ausschließlicher Drittzueignungsabsicht vor, wenn der Beteiligte die Wegnahme nur vollzieht, um seinem Mittäter dabei zu helfen, die Sachen in dessen Herrschaftsmacht zu bringen.[262]
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Die Rechtswidrigkeit entfällt nach der h.M. in der Literatur im Falle der Drittzueignung auch, wenn lediglich der Dritte einen einredefreien fälligen Anspruch auf die Sache hat.[263] Die Gegenansicht verneint dagegen auch hier die Rechtswidrigkeit nur, wenn der Täter selbst gerechtfertigt ist bzw. sonst berechtigt ist, den Drittanspruch geltend zu machen.[264] Da der Gesetzgeber die Drittzueignungsabsicht gleichwertig neben die Selbstzueignung gestellt hat, muss man es konsequenterweise aber mit der h.M. auch hier ausreichen lassen, wenn der rechtfertigende Anspruch nur dem Dritten zusteht. Dass die Selbstzueignung des Täters rechtswidrig wäre, ändert also an der Straffreiheit nichts, sofern der Täter in der Absicht handelt, einem Dritten die Sache rechtmäßig zuzueignen. In diesen Fällen ist es auch denkbar, die Rechtfertigung über die Rechtsfigur der Geschäftsführung ohne Auftrag nach den §§ 677 ff. BGB zu begründen.[265] Im Umkehrschluss ist die Zueignung aber auch dann als rechtmäßig zu erachten, wenn zwar die Selbstzueignung gerechtfertigt ist, die Drittzueignung als solche aber nicht.[266] Im Fall, in dem lediglich die Dritt-, nicht aber die Selbstzueignung rechtmäßig ist, erfüllt der in Selbstzueignungsabsicht handelnde Täter den subjektiven Tatbestand, so dass hier die o.g. Abgrenzungsproblematik einmal von Bedeutung sein kann.
IV. Die vollendete Zueignung als Tathandlung der Unterschlagung
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Die praktisch wenig bedeutsame, aber theoretisch anspruchsvolle und problematische Strafnorm der Unterschlagung[267] ist Eigentumsdelikt und stellt unter Strafe, wenn der Täter sich fremde Sachen, auf die er durch Zufall oder durch Überlassung (veruntreuende Unterschlagung, § 246 Abs. 2 StGB) Zugriff erhalten hat, rechtswidrig zueignet.[268] Es bedarf zur Unterschlagung also keines Bruches fremden Gewahrsams.
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Ihre heutige Form hat die Vorschrift durch das 6. StrRG erhalten, womit das Vorbesitzerfordernis gestrichen, die Drittzueignung ausdrücklich aufgenommen, Subsidiarität angeordnet und die veruntreuende Unterschlagung in einen eigenen Absatz ausgegliedert wurde.
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Der gezielt weit gefasste, auf Konturierungen wie Wegnahme oder Schaden verzichtende und nur subsidiär zur Anwendung kommende Tatbestand hat Auffangfunktion und soll alle Formen der rechtswidrigen Zueignung erfassen, die nicht bereits einen mit schwererer Strafe bedrohten eigenständigen Straftatbestand erfüllen.[269] Die Auffangfunktion erfährt aber eine Einschränkung durch das Tatobjekt und die Schutzrichtung der Norm: So hat die Norm weitergehende Voraussetzungen hinsichtlich des Erfordernisses einer vollendeten Zueignung im Gegensatz zu anderen Sachentziehungs- und Vermögensdelikten (insbesondere § 242 StGB), ist also nicht Grunddelikt.[270]
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Geschütztes Rechtsgut ist allein das Eigentum, wobei durch die Beschränkung auf „Sachen“ eine Eingrenzung auf körperliche Gegenstände unter Ausschluss anderer Vermögensrechte stattfindet. Die Sache hatte der geschädigte Eigentümer regelmäßig (wenngleich seit dem 6. StrRG nicht mehr notwendig) bereits zuvor nicht mehr in seinem Gewahrsam. Eine Bereicherung des Täters oder eines Dritten ist nicht vorausgesetzt.[271]
1. Tatobjekt
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Gegenstand der Unterschlagung sind fremde bewegliche Sachen, wobei das Tatbestandsmerkmal gleichbedeutend mit dem des Diebstahls ist. Der frühere Streit um „kleine“[272] und „große berichtigende Auslegung“[273] hat sich erledigt, da das Gesetz nicht mehr voraussetzt, dass der Täter die Sache in Besitz bzw. Gewahrsam hat,[274] weshalb heute ohne weiteres die Fälle der Leichenfledderei,[275] der Fundunterschlagung (soweit die Sachen fremd sind[276]) sowie die sog. Diebesfalle (vgl. auch schon näher oben Rn. 41) mit umfasst sind. Die Streichung des Gewahrsamserfordernisses hat aber eine außerordentliche Weite des Tatbestandes zur Folge (z.B. sind sogar Fälle erfasst, in denen eine fremde, in Drittgewahrsam stehende Sache mit Zustimmung des Gewahrsamsinhabers veräußert wird[277]), weshalb eine Einschränkung beim Zueignungsbegriff vorzunehmen ist.
a) Überblick
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Die Tathandlung besteht in der rechtswidrigen Zueignung der Sache durch den Täter. Der Zueignungsbegriff des § 246 StGB ist grundsätzlich identisch mit dem des § 242 StGB, jedoch setzt § 242 StGB nur eine diesbezügliche Absicht voraus, wohingegen die Zueignung bei der Unterschlagung auch in die Tat umgesetzt werden muss.[278] Hierfür bedarf es aber keines erfolgreichen Eigentumserwerbs (bei dem die Sache i.d.R. nicht mehr fremd bzw. die Aneignung nicht rechtswidrig wäre), es genügt vielmehr die bloße Anmaßung einer scheinbaren Eigentümerstellung. Es erfolgt demnach eine wesentliche Prägung des objektiven Tatbestandsmerkmals durch die innere Einstellung des Täters zur Sache, die sich nach außen manifestieren muss.[279] Ein Zusammentreffen von Zueignung und Erwerb der Eigentümerstellung ist nur in Fällen der gesetzlichen Eigentumsbegründung (§§ 935 Abs. 2, 946 ff. BGB) möglich. Im Gegensatz zu § 242 StGB setzt bereits der Tatbestand die Rechtswidrigkeit der Zueignung voraus, wobei es gleichgültig ist, ob sich der Täter die Sache selbst oder einem Dritten zueignet.
b) Der Zueignungsbegriff und seine Grenzen
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