Название: Handbuch des Strafrechts
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
isbn: 9783811455566
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a) Gefährdung als Schaden
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Als Vermögensschaden werden in Rechtsprechung und Schrifttum auch konkrete Gefährdungen des Vermögens anerkannt, sofern sie bei wirtschaftlicher Betrachtung bereits eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeuten.[130] Der von §§ 263, 266 StGB vorausgesetzte Schadenseintritt soll in Fällen der „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ also auch dann zu bejahen sein, wenn sich der Nachteil letztlich nicht endgültig realisiert.[131] Aus der Perspektive eines wirtschaftlichen Schadensverständnisses ist diese Ausdehnung konsequent: Bereits die Gefahr eines drohenden Verlustes kann eine Vermögensposition mindern,[132] etwa bei der Auszahlung eines ungesicherten Kredits an einen zahlungsunfähigen Empfänger.[133]
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Eine Vorverlagerung des Schadenseintritts in den Bereich der Gefährdung birgt allerdings das Risiko einer Auflösung der Grenzen insbesondere des Untreuetatbestandes; schließlich darf durch eine weite Auslegung des Schadensbegriffs nicht die Entscheidung des Gesetzgebers umgangen werden, allein die vollendete und nicht die versuchte Untreue unter Strafe zu stellen. Anders als beim Betrug existiert in § 266 StGB auch kein Korrektiv im subjektiven Tatbestand: Während § 263 StGB eine Bereicherungsabsicht des Täters und damit den Willen zur Herbeiführung eines endgültigen Schadens verlangt, wird nach dem Wortlaut des § 266 StGB keine besondere Intention des Täters vorausgesetzt. Um eine „rechtsstaatlich bedenkliche“ Vorverlagerung der Untreuestrafbarkeit zu vermeiden, vertritt jedoch der 2. Strafsenat[134] – und ihm folgend der 5. Strafsenat[135] –, dass der Täter nicht nur die Vermögensgefährdung hinnehmen, sondern zugleich die Realisierung dieser Gefahr billigen muss. Die Annahme einer solchen „überschießenden Innentendenz“[136] in § 266 StGB ist höchstrichterlich indes nicht unbestritten; der 1. Strafsenat geht davon aus, dass es sich bei der Gefahr einer Vorverlagerung der Untreuestrafbarkeit um eine „Scheinproblematik“ handele, solange nur eine „exakte Betrachtung des tatsächlichen wirtschaftlichen Nachteils“ erfolge.[137]
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Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 23. Juni 2010 die Figur der schadensgleichen Vermögensgefährdung gebilligt, zugleich aber – im Sinne des 1. Strafsenates – hohe Anforderungen an den Nachweis eines wirtschaftlichen Nachteils gestellt.[138] Um eine verfassungswidrige Überdehnung des Untreuetatbestands zu vermeiden, könne der Rückgriff auf „diffuse Verlustwahrscheinlichkeiten“ nicht genügen. Vielmehr müsse der Gefährdungsschaden von den Gerichten „in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise“ anhand „anerkannter Bewertungsverfahren und -maßstäbe“ festgestellt werden; für eine im Einzelfall erforderliche, komplexe ökonomische Analyse seien Sachverständige hinzuzuziehen.[139] Letztlich erweist sich der Begriff des Gefährdungsschadens zwar nicht als „irreführende“[140], wohl aber als weithin überflüssige Kategorie. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist die schadensgleiche Vermögensgefährdung lediglich eine spezielle Spielart des Vermögensschadens, der nach besonderen bilanztechnischen Regeln zu berechnen ist; die Figur stellt daher keine Abkehr von den geltenden Prämissen der Schadensdefinition dar.[141]
b) Strafbarkeit abstrakter Vermögensgefährdungen
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Der Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr Tatbestände geschaffen, die bereits abstrakte Gefahren für vermögenswerte Güter unter Strafe stellen. So ist etwa nach § 264a StGB strafbar, wer in einem Verkaufsprospekt falsche Angaben zu Wertpapieren macht; selbst wenn die Wertpapiere tatsächlich nie veräußert werden.[142] Ebenso setzt der Kreditbetrug in § 265b StGB den Eintritt eines Schadens nicht voraus; es genügt die Angabe falscher Daten gegenüber dem kreditgebenden Unternehmen.[143] Noch weiter reicht § 265 StGB, der bereits Vorbereitungshandlungen für die Begehung eines Versicherungsbetruges unter Strafe stellt.[144]
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Die Wissenschaft steht diesem „Trend zum abstrakten Gefährdungsdelikt als Prototyp des Wirtschaftsstrafrechts“[145] überwiegend kritisch gegenüber.[146] In der Tat kann die Ausweitung des Strafrechts auf das Vorfeld tatsächlicher Rechtsgutsverletzungen rechtspolitischen (und möglicherweise auch verfassungsrechtlichen) Bedenken begegnen. Dies ist dann der Fall, wenn der Gesetzgeber durch die Pönalisierung lediglich abstrakt gefährlichen Verhaltens kein selbstständiges Unrecht normieren, sondern jene Beweisprobleme umgehen möchte, die üblicherweise mit Erfolgsdelikten verbunden sind.[147] Richtigerweise kann ein Verhalten nur dann unter Strafe gestellt werden, wenn ihm typischerweise eine Gefährdung für das Rechtsgut innewohnt. Welche Anforderungen an die Darlegung der abstrakten Gefährlichkeit an den Gesetzgeber zu stellen sind, ist noch ungeklärt; bloße Spekulationen ohne empirische oder evidenzbasierte Grundlage dürften jedenfalls nicht genügen.
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Eine Vielzahl der Tatbestände, die abstrakte Gefährdungen von Vermögenswerten beschreiben, dienen jedoch in Wahrheit auch oder vorrangig dem Schutz von Institutionen.[148] So gewährleisten die eben genannten §§ 264a, 265 und 265b StGB nicht in erster Linie Vermögensrechte von Personen, sondern den Bestand gesellschaftlicher Institutionen wie des Versicherungs- und Kreditwesens oder des Kapitalmarktes.[149] Besonders deutlich zeigt sich dieses Phänomen im Bereich der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben. Hiernach macht sich strafbar, wer als Sportler oder Trainer einen Vorteil dafür annimmt, dass er den Verlauf oder das Ergebnis eines berufssportlichen Wettbewerbs in wettbewerbswidriger Weise zugunsten des Wettbewerbsgegners beeinflusst. Nach der Begründung des Gesetzgebers geht von Manipulationen „eine erhebliche Gefahr für das Vermögen anderer aus“; bei „hochklassigen Wettbewerben mit berufssportlichem Charakter“ könnten „die am Wettbewerb beteiligten ehrlichen Sportler sowie Sportvereine, Veranstalter und Sponsoren Vermögensschäden erleiden“.[150] Sieht man den Regelungszweck des § 265d StGB im Schutz des individuellen Vermögens von Sportlern und Vereinen,[151] so muss die Gestaltung der Norm berechtigter Kritik begegnen. Eine Vermögenseinbuße wird tatbestandlich weder vorausgesetzt, noch ist sie notwendige Folge einer Manipulation sportlicher Wettbewerbe; schließlich ziehen sportliche Niederlagen nicht notwendigerweise unmittelbare wirtschaftliche Verluste nach sich. Eine Deutung des § 265d StGB als Vorfelddelikt zum Wettbetrug in § 265c StGB würde hingegen zu weit führen: Die Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe in § 265d StGB weist nach ihrem Wortlaut keinen Bezug zur Durchführung von Sportwetten auf und kann ganz anderen Zielen – etwa dem Klassenerhalt – dienen. Legitimiert wird § 265d StGB daher richtigerweise nicht durch individuelle Vermögensinteressen, sondern durch die Gewährleistung von Fairness und Integrität des Sports als sozialer Institution.[152] Der Schutz von Vermögen ist hier allenfalls ein erwünschter Reflex des Institutionenschutzes, nicht aber Wesensmerkmal der Norm.
8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 28 Der Schutz des Vermögens im deutschen Strafrecht › E. Fazit: Zur Struktur des Vermögensstrafrechts
E. Fazit: Zur Struktur des Vermögensstrafrechts
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Der Blick auf das deutsche Vermögensstrafrecht zeigt СКАЧАТЬ