Название: Handbuch des Strafrechts
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
isbn: 9783811455566
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Für diese Lösung spreche als erstes der Wortlaut des § 253 StGB, der eine Vermögensverfügung nicht ausdrücklich verlange. Insoweit sei auch derjenige, der sein Opfer rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel dazu nötige, eine Wegnahme zu dulden, vom Wortlaut des § 253 StGB erfasst, sofern der Genötigte oder ein Dritter hierdurch einen Vermögensnachteil erleide.[92] Auch die Entstehungsgeschichte deute darauf hin, dass insbesondere im Rahmen des § 255 StGB mit der „Duldung“ auch Fälle der vis absoluta erfasst werden sollten.[93]
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Als weiteres Argument wird die Parallele zu § 240 StGB angeführt. Vom Wortlaut her würden sich nämlich die Nötigungshandlungen des § 240 StGB und des § 253 StGB decken. Bei § 240 StGB sei es aber unstreitig, dass es auf ein willentliches Verhalten des Opfers nicht ankomme, eine Nötigung also auch dann vorliege, wenn der Täter das Opfer durch vis absoluta zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zwinge. Warum dies bei § 253 StGB anders sein solle und hier ein willentliches Verhalten des Opfers im Sinne einer Vermögensverfügung gefordert werde, vis absoluta also ausscheide, sei nicht ersichtlich. Gerade wenn man bedenke, dass der mit vis absoluta handelnde Täter die Rechtsgüter des Opfers in der Regel schwerwiegender verletze als derjenige, der „nur“ willensbeugende Mittel einsetze, sei nicht einzusehen, warum diese schwerere Handlungsform aus § 253 StGB herausgenommen und der Täter insoweit privilegiert werde. Gleiches gelte im Hinblick auf den Wortlaut des § 249 StGB, der sich in Bezug auf die Nötigungshandlungen („Gewalt gegen eine Person“ bzw. „Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“) mit dem Wortlaut des § 255 StGB decke, unzweifelhaft aber auch die vis absoluta erfasse.[94]
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Damit komme man zu dem Ergebnis, dass sich Raub und räuberische Erpressung nicht ausschließen würden, vielmehr umfasse der Tatbestand der Erpressung denjenigen des Raubes mit.[95] Der Tatbestand der (räuberischen) Erpressung sei insoweit als Grundtatbestand anzusehen, während der Tatbestand des Raubes eine Spezialvorschrift (lex specialis) darstelle, die sich durch das zusätzliche Vorliegen einer Wegnahme einer fremden Sache in Zueignungsabsicht auszeichne.[96] Liege eines dieser Elemente nicht vor und komme daher eine Bestrafung wegen Raubes nicht in Betracht, könne auf den Grundtatbestand der (räuberischen) Erpressung zurückgegriffen werden.[97]
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Gerade der Taxifahrerfall mache deutlich, dass andernfalls erhebliche Strafbarkeitslücken drohten, die nur durch die vorliegende Auslegung verhindert werden könnten. Eine mit Raubmitteln durchgeführte Gebrauchsentwendung müsse jedenfalls als räuberische Erpressung nach § 255 StGB geahndet werden, denn das Opfer verfüge zwar nicht über sein Vermögen, werde aber zur Duldung der Wegnahme genötigt. Nur auf diese Weise könne durch das Vermögensstrafrecht ein lückenloser Rechtsschutz gegen sämtliche in Bereicherungsabsicht (gewaltsam) herbeigeführten Vermögensschädigungen erreicht werden. Es dürfe letztlich keine Rolle spielen, ob der Täter sich den Besitz gewaltsam dadurch verschaffe, dass er die Sache wegnehme oder sie sich geben lasse. Auch sei nur dadurch eine Parallele zu § 240 StGB möglich, denn hier sei – bei gleichem Wortlaut – auch eine mit vis absoluta durchgeführte Nötigung tatbestandsmäßig.
2. Die abweichende Ansicht in der Literatur
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Die in der Literatur (wohl) herrschende und im Ergebnis zutreffende Lehre verlangt hingegen bereits für den Grundtatbestand der (einfachen) Erpressung, § 253 StGB (und insoweit konsequent auch für die räuberische Erpressung, §§ 253, 255 StGB), eine Vermögensverfügung des Genötigten.[98] Die Folge ist ein Exklusivitätsverhältnis von Raub und (räuberischer) Erpressung. Im Taxifahrerfall[99] verbleibt es, da hier eine Vermögensverfügung des Opfers nicht feststellbar ist, bei einer Strafbarkeit wegen Nötigung (und möglicherweise wegen Körperverletzungsdelikten).
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Hierfür sprechen in erster Linie systematische Gründe. Nur durch das Tatbestandsmerkmal der Vermögensverfügung kann nämlich eine überzeugende Abgrenzung zwischen Diebstahl und Raub (als Fremdschädigungsdelikte) einerseits und Erpressung und räuberischer Erpressung (als Selbstschädigungsdelikte) andererseits gefunden werden. Ohne diese tatbestandliche Eingrenzung verlöre die Erpressung jede tatbestandliche Struktur. Verlangt man für die (räuberische) Erpressung keine Vermögensverfügung würde sie gerade kein Selbstschädigungsdelikt darstellen. Vergleicht man aber die tatbestandliche Struktur der Erpressung mit derjenigen des Betruges, der nahezu ausnahmslos als Selbstschädigungsdelikt anerkannt ist, wird deutlich, dass diese Einordnung auch für die Erpressung angezeigt ist.[100] Beide Delikte fordern den Eintritt eines Vermögensnachteils und eine entsprechende Bereicherungsabsicht des Täters. Während dies beim Betrug durch einen täuschungsbedingten Irrtum des Opfers erreicht werden soll, steht bei der Erpressung die Nötigung mittels Gewalt oder Drohung im Mittelpunkt. Um aber den Betrug (als Selbstschädigungsdelikt) vom Diebstahl (als Fremdschädigungsdelikt) sauber abgrenzen zu können, verlangt man beim Betrug als Bindeglied zwischen dem Irrtum und dem Vermögensschaden die Vermögensverfügung (als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal). Eben diese ist auch für die (räuberische) Erpressung zu fordern, um ein Bindeglied zwischen der Nötigung und dem Vermögensnachteil herzustellen und eine entsprechend saubere Abgrenzung zum Raub zu gewährleisten. Das Tatbestandsmerkmal der Vermögensverfügung führt insoweit insgesamt zu einer sinnvollen und nachvollziehbaren Systematik der Eigentums- und Vermögensdelikte.[101]
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Als weiteres Argument gegen die Ansicht der Rechtsprechung kann angeführt werden, dass es bereits von der systematischen Stellung der Delikte her äußerst fraglich wäre, warum der Gesetzgeber den Spezialtatbestand (Raub) vor dem Grundtatbestand (Erpressung) regelt und bei den Rechtsfolgen des Grundtatbestandes auf den Spezialtatbestand verweist (denn über die Wendung „gleich einem Räuber zu bestrafen“ wird nicht nur auf den Strafrahmen des Raubes, sondern auch auf die Qualifikationen der §§ 250, 251 StGB verwiesen[102]). Da die Delikte auch denselben Strafrahmen aufweisen, wäre § 249 StGB zudem schlicht überflüssig.[103] Lediglich bei wertlosen Sachen, die von §§ 253, 255 StGB nicht erfasst werden, verbliebe dem § 249 StGB ein eigener Anwendungsbereich.[104] Gerade hieran sieht man aber, dass die Erpressung nicht Grundtatbestand des Raubes sein kann, denn von der Erpressung als Vermögensdelikt sind wertlose Sachen gerade nicht erfasst.
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Die fehlende Strafbarkeit nach §§ 249 ff. StGB in Fällen der vis absoluta, insbesondere bei der Wegnahme von Sachen, ist auch keine systemwidrige Zufälligkeit, sondern gerade eine Folge des gesetzgeberischen Konzepts, die reine Gebrauchsanmaßung ohne Zueignungsabsicht strafrechtlich zu privilegieren.[105] Daher respektiert nur diese Ansicht die Entscheidung des Gesetzgebers, der gerade fordert, eine gewaltsame Wegnahme ohne Zueignungsabsicht nicht der Raubstrafe zu unterwerfen.[106] Dem Gesetzgeber steht es aber frei, bestimmte Angriffe auf das Vermögen mit einer geringeren Strafe zu versehen oder straffrei zu lassen (dies folgt bereits aus dem Grundsatz des fragmentarischen СКАЧАТЬ