Название: Handbuch des Strafrechts
Автор: Dennis Bock
Издательство: Bookwire
isbn: 9783811455566
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8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 32 Erpressung und räuberische Erpressung › C. Hauptteil
I. Grundstrukturen der Erpressungstatbestände
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Das Bemerkenswerte am Erpressungstatbestand ist, dass auch mehr als siebzig Jahre nach dem Inkrafttreten der gegenwärtigen Fassung der Erpressung (1943) und mehr als hundertsechzig Jahre nach dem Erlass der Vorgängervorschrift (1851) in Lehre und Rechtsprechung keine Einigkeit über seine tatbestandliche Struktur besteht. Im Wesentlichen dreht sich der Streit um die Frage, welche Funktion die Erpressungstatbestände im Rahmen der übrigen Eigentums- und Vermögensdelikte einnehmen und wie sie gegenüber diesen, insbesondere zum Raub, abzugrenzen sind. Zwar ist es unstreitig, dass es sich beim Grundtatbestand der Erpressung im Kern um ein Vermögensdelikt handelt,[77] welches auf eine Vermögensverschiebung gerichtet ist. Umstritten ist jedoch, ob es sich dabei um ein Selbstschädigungsdelikt handelt, welches voraussetzt, dass das genötigte Opfer eine (mehr oder weniger freiwillige) Vermögensverfügung vornimmt, oder ob auch Fälle der vis absoluta, z.B. in Form der Wegnahme von Vermögensgegenständen erfasst sind. Auf der Grundlage der zuletzt genannten Ansicht ergäben sich insbesondere Überschneidungen zum Raub, die in der Forderung gipfeln, die Erpressung als Grundtatbestand des Raubes anzusehen.[78]
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Der Grundtatbestand der (einfachen) Erpressung ist in § 253 StGB geregelt. Der Täter muss beim Opfer durch ein besonderes Nötigungsmittel (Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel) einen Nötigungserfolg erzielen (Nötigung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung). Diese Elemente sind identisch mit denjenigen der (einfachen) Nötigung, § 240 StGB, weswegen in der vorliegenden Abhandlung auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann.[79] Die dortigen Probleme – insbesondere die Frage der Weite des Gewaltbegriffs[80] – tauchen auch hier in gleicher Weise wieder auf. Im Gegensatz zur Nötigung erfordert der Erpressungstatbestand jedoch ein besonderes Nötigungsziel, nämlich einen speziellen Vermögensbezug: Erforderlich ist, dass durch die Nötigung dem Vermögen des Genötigten (oder eines anderen) ein Nachteil zugefügt wurde. Hier sind Parallelen zur Vermögensbeschädigung beim Betrug, § 263 StGB, und dem Nachteil bei der Untreue, § 266 StGB, erkennbar. Da es sich bei der Erpressung jedoch um ein Vermögensverschiebungsdelikt handelt, ist die bloße Nachteilszufügung, wie bei § 266 StGB, nicht ausreichend. Der Täter muss vielmehr handeln, „um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern“. Die angestrebte Bereicherung ist also für die Vollendung der Tat nicht erforderlich, sie muss nur das Tatziel sein, es handelt sich insoweit um ein sog. „kupiertes Erfolgsdelikt“.
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Die räuberische Erpressung, § 255 StGB, unterscheidet sich von der (einfachen) Erpressung, § 253 StGB, durch eine Verschärfung des Nötigungsmittels. Statt „Gewalt“ muss der Täter „Gewalt gegen eine Person“ anwenden bzw. statt „mit einem empfindlichen Übel“ muss der Täter „mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ drohen. Diese Nötigungsmittel sind nun ihrerseits identisch mit denen des Raubes, § 249 StGB, weshalb sich gerade in dieser Konstellation die Abgrenzungsfrage von Raub und (räuberischer) Erpressung stellt. Flankierend existieren mit dem erpresserischen Menschenraub, § 239a StGB, und dem räuberischen Angriff auf Kraftfahrer, § 316a StGB, noch zwei weitere Spezialtatbestände, die erpresserische Elemente enthalten, ebenfalls auf eine Vermögensverschiebung abzielen, aber an anderer Stelle näher erörtert werden.[81]
II. Abgrenzung von Raub und (räuberischer) Erpressung
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Die Abgrenzung von Raub und (räuberischer) Erpressung ist insbesondere in denjenigen Fällen erforderlich, in denen „an sich“ ein Raub vorläge, dieser aber aufgrund weiterer tatbestandlicher Voraussetzungen scheitert. Dies kann von vorne herein aber nur dann der Fall sein, wenn es sich bei dem beeinträchtigten Vermögen um eine „Sache“ handelt. Denn während beim Raub (als klassischem Eigentumsdelikt) das Tatobjekt nur eine „Sache“ sein kann, erfasst die (räuberische) Erpressung (als klassisches Vermögensdelikt) auch andere Vermögensgegenstände, wie z.B. Forderungen. Wird nun dem Tatopfer eine Sache weggenommen, scheitert aber eine Strafbarkeit wegen Raubes aus anderen Gründen, so ist es fraglich, ob subsidiär auf die (räuberische) Erpressung zurückgegriffen werden kann oder nicht.[82] Namentlich betrifft dies Fälle der gewaltsamen Wegnahme einer Sache ohne Zueignungsabsicht zum Zwecke des vorübergehenden Gebrauchs[83] oder der gewaltsamen Wegnahme eigener Sachen, die ein Pfandgläubiger berechtigterweise in seinem Besitz hat (Pfandkehr).[84]
1. Die Ansicht der Rechtsprechung
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Die Rechtsprechung des Reichsgerichts beharrte seit einer Leitentscheidung aus dem Jahre 1881[85] stets auf dem Standpunkt, dass eine Vermögensverfügung gleich welcher Art für das Vergehen der Erpressung nicht nötig sei, mithin auch die vis absoluta dem Tatbestand unterfalle. Der BGH hat diese Rechtsprechungslinie bereits früh rezipiert und hält seitdem an ihr fest.[86] Nur ganz vereinzelt haben Senate des Reichsgerichts oder des Bundesgerichtshofs – nicht tragend – von einer Vermögensverfügung als Tatbestandsmerkmal der Erpressung gesprochen.[87] Die Literatur hat hingegen bereits früh gefordert, für den Tatbestand der Erpressung, ähnlich wie beim Betrug, das (ungeschriebene) Tatbestandsmerkmal der Vermögensverfügung zu verlangen.[88]
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Symbolisch für die Problemlage ist der „Taxifahrerfall“, den der BGH im Jahre 1960 zu entscheiden hatte:[89] Der Täter veranlasste einen Taxifahrer unter Vorhaltung einer Gaspistole und der Abgabe zweier Schüsse, von denen einer das Opfer ins Gesicht traf, das Taxi zu verlassen. Anschließend setzte er sich selbst ans Steuer, bedrohte den Taxifahrer, der ihn daran hindern wollte, erneut mit der Gaspistole und fuhr davon. Nachdem er eine Weile umhergefahren war, stellte er sich der Polizei. Unwiderlegt ließ er sich darauf ein, dass „er so gerne einmal habe Auto fahren wollen“, aber von Anfang an nicht vorhatte, das Taxi zu behalten. Mangels Zueignungsabsicht schied hier ein schwerer Raub, §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB aus. Der BGH gelangte allerdings zu einer Strafbarkeit wegen schwerer räuberischer Erpressung, §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Eine „Vermögensverfügung“ des Genötigten, wie dies СКАЧАТЬ