Privatsache. Thomas Hölscher
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Privatsache - Thomas Hölscher страница 9

Название: Privatsache

Автор: Thomas Hölscher

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750219007

isbn:

СКАЧАТЬ Dingen für einen Mann, behauptete immer öfter und unverschämter eine junge Frau, die erst seit ein paar Monaten bei der Kripo in Gelsenkirchen beschäftigt war. Schon nach wenigen Tagen war sie als Emanze verschrieen gewesen und mittlerweile selber davon überzeugt, dass sie hier kein Bein mehr auf den Boden bekam.

      Natürlich waren all diese Meinungen Milewski selber nicht verborgen geblieben. Anfangs hatten sie ihn betroffen gemacht, mittlerweile interessierte es ihn nicht mehr, was andere über ihn dachten. Und bei der Neuen lohnte es sich seiner Meinung nach nicht einmal, dass man die mal über den Tisch zog und ihr zeigte, was typisch war für einen Mann. Die war schließlich hässlich wie die Nacht, und einer solchen Kralle würde er nicht einmal den Mund stopfen.

      Wütend knallte Milewski eine Akte auf seinen Schreibtisch, öffnete sie, blätterte lustlos darin herum und schob sie dann wieder weg. Was wussten diese Klugscheißer denn schon von ihm? Gar nichts. Die konnten nur meckern und mosern, aber die Verantwortung trug schließlich er. Und diese blödsinnige Geschichte musste natürlich auch noch gerade dann passieren, wenn sein Chef Hebemann Urlaub machte.

      Eigentlich war der ganze Fall zum Totlachen: In einem Altenheim in Schalke hatte ein fast 80jähriger Mann einen ungefähr gleichaltrigen Mitbewohner mit ein paar Hammerschlägen auf den Kopf ins Jenseits befördert. Es war bekannt, dass sich der Mörder - ein gewisser Wilhelm Potthoff - und sein Opfer Friedrich Wilmers schon seit Kindheit an kannten; aber das war auch so ziemlich das Einzige, was am Ende der Untersuchungen feststand. Für alle blieb diese Tat ein Rätsel, auch für die Familienangehörigen der beiden gab es nicht die Spur einer Erklärung.

      Und plötzlich lachte Milewski tatsächlich. Ihm war es von Beginn an völlig gleichgültig gewesen, weshalb Potthoff diesen unglaublichen Mord begangen hatte. Wahrscheinlich hatte Wilmers ihm beim Mittagessen in die Suppe gespuckt oder dessen Zahnprothese geklaut. Man musste diese Dinge doch auch mal von der praktischen Seite sehen: Solche Spielchen im Altenheim entlasteten einfach das Sozialamt und die Krankenkasse.

      Auch die Staatsanwaltschaft hatte sofort signalisiert, dass an eine wirkliche Strafverfolgung schon wegen des Gesundheitszustands des Täters gar nicht zu denken war. Man hatte auf die biologische Lösung gehofft und damit auch Erfolg gehabt: nur wenige Tage nach der Tat war Wilhelm Potthoff verstorben.

      Um wenigstens irgendetwas vorweisen zu können, war man auch davon ausgegangen, dass es in diesem Fall gar kein Motiv geben musste: vielleicht war Potthoff einfach völlig senil gewesen, und die Hammerschläge hätten jeden treffen können. Diese Möglichkeit hatten sie sogar mit Nachdruck verfolgt; denn in einem solchen Fall hätte man zumindest das Pflegepersonal wegen Verletzung der Aufsichtspflicht drankriegen können und damit die Aufgabe der Polizei erfüllt. Aber leider war auch daraus nichts geworden. Potthoff war trotz seines hohen Alters geistig angeblich völlig normal gewesen.

      Aber wie auch immer, die Sache wäre eigentlich erledigt gewesen. Aber leider war sie es nicht, und wenn Milewski daran dachte, wurde er stinkwütend.

      Denn dann war plötzlich dieser wahnsinnige Artikel in der Boulevardpresse erschienen: "Unglaublich aber wahr - Rechnung nach 50 Jahren beglichen". Irgendein idiotischer Journalist hatte den Fall zum Anlass genommen, daraus in der Sauregurken-Zeit eine ganz verrückte Räuberpistole zu machen: Der Mörder war angeblich homosexuell gewesen und war von Wilmers erpresst worden. Sein ganzes Leben sei das der Fall gewesen, und gerade in der Nazizeit habe er als Beamter ständig in Angst und Schrecken vor einer Denunziation leben müssen. Als sich die beiden nach fast 50 Jahren in dem Altenheim wiedertrafen, habe der todkranke Mann dann die Rechnung beglichen und seinen Peiniger ermordet.

      Unglaublich war die Geschichte tatsächlich gewesen, nur wahr war sie nicht. In der Behörde hatte es jedenfalls einen Riesenwirbel um diesen abstrusen Artikel gegeben. Wer hatte einen solchen Unsinn in die Öffentlichkeit gebracht? Natürlich niemand, und dafür sprach eigentlich auch schon, dass die örtliche Presse an diesem Fall gar kein besonderes Interesse gezeigt und sich auf ein paar sachlich richtige Notizen beschränkt hatte. Und neben dem Ärger hatte es eben auch zusätzliche Arbeit gegeben: Man hatte die Behauptungen als mögliches Tatmotiv ernstnehmen müssen, neue Vernehmungen waren geführt, neue Protokolle verfasst worden, und alles war ausgegangen wie das Hornberger Schießen. Hauptakteur war ein junger Mann gewesen, der bei einer Lokalzeitung als Volontär arbeitete. Dieser Kerl hatte eine Art Reportage über den Alltag in der Nazizeit verfassen wollen und wegen dieser Sache auch schon mehrfach mit Wilmers geredet. Der Kerl bestand darauf, dass Wilmers den Potthoff als Schwulen bezeichnet habe; er gab auch zu, dass er sich mit einer solchen Story gerade an diese Zeitung gewandt hatte, weil er dort irgendeine Chance gewittert habe. Aber was dann letztlich als Zeitungsartikel erschienen sei, das sei nun wirklich nicht unbedingt von ihm gewesen.

      Vor allem die Frau des Mörders hatte sich über den Zeitungsartikel entsetzt gezeigt. Kein Wort davon sei wahr, und obschon der Schreiberling die Unhaltbarkeit seiner Behauptungen schließlich hatte relativieren müssen, hatte die Frau Strafanzeige gestellt.

      Missmutig kramte Milewski in irgendwelchen Papieren, die er dann auf den Schreibtisch seines Kollegen warf. Schließlich kam Hebemann morgen zurück, und der faule Sack sollte auch noch etwas zu tun haben.

      Ganz plötzlich glaubte Milewski den Grund für seine augenblickliche Wut genau zu kennen: bei Wörtern wie homosexuell und schwul bogen sich ihm die Fußnägel. Ein derartiger Schweinekram erinnerte ihn an seinen Ex-Kollegen Börner, und es gab eigentlich niemanden, von dem er sich so sehr wünschte, ihn nie wieder zu sehen, wie eben diesen verlotterten Typen. Ekelhaft!, dachte er und schüttelte sich.

      In diesem Augenblick klopfte es an die Tür.

      "Herein, wenn's kein Türke ist!", rief Milewski gereizt, und dann erschrak er selber über diesen Satz, der ihm da politisch völlig unkorrekt herausgerutscht war.

      Ein junger Mann trat in das Büro und sah Milewski einigermaßen verunsichert an. Er stellte sich als Praktikant von der Polizeischule in Bochum vor, und Milewski schickte ihn ziemlich unfreundlich ins nächste Zimmer. Er konnte sich doch nicht um jeden Firlefanz kümmern!

      Dann fiel ihm die Sache mit dem Türken wieder ein. Früher hatten sie so etwas oft gesagt und darüber gelacht. Aber als stellvertretender Leiter des 1.K., das musste er nun zugeben, konnte er sich so etwas natürlich nicht mehr erlauben. Denken schon, aber nicht sagen. Das war politisch nämlich nicht korrekt.

      Anscheinend hatte er sich an seine neue Rolle immer noch nicht so ganz gewöhnt.

      6

      Er erwachte erst gegen Mittag und hatte fürchterliche Kopfschmerzen. Dennoch stand er auf und zog die Jalousien vor den Fenstern hoch. Was sollten die Nachbarn schließlich denken!

      Nachdem er das Kaffeewasser aufgesetzt hatte, sah er nach der Post. Sein Briefkasten quoll über, Reklame, Rechnungen und ein Brief vom Arbeitsamt. Er überflog das Schreiben. Die Förderdauer war beendet, er sollte sich zu einem Gespräch einfinden, eine Umschulungsmaßnahme wurde in Aussicht gestellt. Wütend warf er das Papier auf den Stapel der übrigen Briefe. Umschulung! Wer bestimmte hier eigentlich, welche Arbeit sinnvoll war und welche nicht? Wofür man bezahlt wurde und wofür nicht? Natürlich würde er nicht zu diesem Gespräch erscheinen, die sollten ihn doch mal kreuzweise.

      Nach dem Frühstück musste er raus. Da stand zwar noch der Koffer voll dreckiger Wäsche, aber er musste nun einfach raus, und zwar sofort. Sonst würde er die Wohnung anstecken.

      Es war bereits kurz nach fünf, als er wieder zurückkehrte, ohne noch sagen zu können, was er eigentlich den ganzen Tag gemacht hatte. Sofort öffnete er den Koffer, sortierte die Wäsche, und dann glaubte er, die so entstandene Unordnung in seiner Wohnung keine Sekunde ertragen zu können. Als die Waschmaschine СКАЧАТЬ