Название: Sichelland
Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783844242553
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„Es war meine Bedingung. Du solltest nicht länger in Semon-Sey vor dich hin vegetieren wie ein eingesperrtes Tier.“
„Ich weiß. Und ich bin dir sehr dankbar dafür, dass du mich nicht schon vergessen hast. Aber das, was ihr vorhabt... Ich weiß nicht, ob ich das tun kann. Es ist nicht nur wegen ihr. Rahor ist mein Bruder, Sara. Ich fühle mich wie eine Verräterin – auch ihm gegenüber.“
„Hast du dich auch als Verräterin gefühlt, als du dich gegen die Säule der Nacht entschieden hast?“ fragte Sara bissig zurück, doch sogleich bereute sie die letzte Bemerkung. Racyl sah traurig zu Boden.
„Es tut mir leid.“ Sara nahm ihre Hand. „Das hätte ich nicht sagen sollen. Ich dachte nur, du willst... mit uns mitkommen.“
„Das will ich ja auch. Aber vielleicht hat Akosh recht. Vielleicht würde es uns allen mehr helfen, wenn ich… hierbleibe. Wenn ich mit Mo gehe.“
„Mo bleibt hier, weil er Angst vor den Fremdländern hat und weil er alt ist. Aber nicht, weil er an den Erfolg glaubt.“
„Aber...“ Racyl sah sich um, als hätte sie Angst, dass jemand ihnen zuhören könnte. Sie senkte die Stimme. „Aber ich tue es. Ich glaube, dass sie recht haben könnten.“
„Was meinst du?“
„Wandan und Mondor. Die Legende, nach der sie suchen. Ich glaube, dass es nicht unmöglich ist. Ich glaube, sie könnte wahr sein. Und vielleicht kann ich ihnen wirklich helfen, sie zu finden. Zusammen mit Mo.“
Sara runzelte die Stirn.
„Für mich klingt das wie ein Hirngespinst. Abgesehen davon, dass mir noch niemand sagen konnte oder wollte, was das überhaupt für eine Legende ist. Ich weiß nur, dass Lennys ihnen erlaubt hat, danach zu suchen. Warum sollte sie das tun, wenn es ihr schadet? Worum geht es bei diesem Märchen überhaupt?“
„Sie hat es ihnen erlaubt, weil ein Verbot erst recht darauf aufmerksam gemacht hätte. Und was sollte ihr schaden? Was meinst du? Diese Legende kann uns allen helfen!“
„Das sehen einige wohl etwas anders. Aber ich kann es nicht beurteilen, da ich hier anscheinend die einzige bin, die nicht weiß, wovon ihr überhaupt sprecht!“ Es klang ungeduldig und Racyl seufzte.
„Nein, du bist nicht die einzige. Auch Menrir weiß es nicht. Und auch Haya nicht. Kannst du dir nicht denken, warum?“
„Weil wir Fremdländer sind, natürlich. Hat es etwa wieder etwas mit eurer seltsamen Geschichte zu tun? Mit Ash-Zaharr und seinem Blutgeschenk?“
Racyl nickte düster.
„Ich werde es dir sagen, Sara. Weil ich glaube, dass du ohnehin schon viel mehr weißt, als sonst irgendein Fremdländer und weil ich glaube, dass dieses Wissen bei dir in guten Händen ist. Aber bitte, wenn ich es dir erzähle, dann tu du mir auch einen Gefallen.“
„Und welchen?“
„Überlasse mir die Entscheidung, welchen Weg ich gehe.“
Sara zuckte die Achseln.
„Das tue ich. Aber … du hast nie gesagt, was du willst.“
„Ich werde es dir sagen. Aber erst erkläre ich dir, was es mit dieser Legende auf sich hat.“
Sara konnte ihre Neugier nicht verbergen und Racyl lächelte sanft als sie anfing:
„Einst erwählte Ash-Zaharr drei Cycala, mit denen er jeweils einen Nachkommen zeugte und denen er so sein Blut zum Geschenk machte. Der eine, der das Blut der Nacht erhielt, verriet Ash-Zaharr, jedoch nicht aus Böswilligkeit, sondern zum Schutze des Blutes, denn er teilte es mit seinen engsten Vertrauten, aus denen der Stamm der Batí hervorging. Doch trotz allem blieb er der einzig wahre Blutsträger der Nacht. Die anderen aber, die Blutsträger des Himmels und der Erde, bewahrten das kostbare Geschenk für sich und gaben es immer weiter – an ihren einzigen Nachkommen, denn mehr als einen durfte es nie geben. Eines Tages jedoch starb der letzte Blutsträger der Erde, bevor er einem Kind das Leben schenken konnte. Es war ein schreckliches Unglück und die Cycala trauerten viele Jahre über den unwiderbringlichen Verlust. Doch irgendwann ging das Leben wieder weiter. Das Blut der Nacht und das des Himmels wurde weitergereicht, über viele Generationen. Man hielt es geheim, wer der Träger war, um es zu schützen und nur wenige Eingeweihte wussten, wer der kostbare Wahrer war. Dann kam es erneut zu einer Katastrophe und viele Menschen starben. Unter ihnen auch jene, die um das Geheimnis des Himmels wussten. Es ging verloren und die Cycala sind bis heute sicher, dass nicht nur die Geheimniswahrer, sondern auch der Blutsträger unter den Opfern war. Der damalige Shaj des Himmels rief Ash-Zaharr an und flehte ihn an, ihm zu sagen, ob es noch Hoffnung gäbe. Doch Ash-Zaharr antwortete nur: 'Wer mein Blut so verschwendet und es nicht zu schützen weiß, verdient keine Antwort darauf, ob es überlebt hat.' Seitdem gilt es als verloren, das Blut des Himmels. Und so bleibt den Cycala nur das Letzte, das Fluchbeladene. Das Erbe der Nacht.“
Sara konnte nicht anders als kurz aufzulachen.
„Na, da müsst ihr wohl nicht lange suchen. Ich kenne nur eine Person, die dafür in Frage kommt.“
„Viele denken wie du, Sara. Doch vergiss nicht, ein jeder Batí könnte der Blutsträger sein, es ist nicht unbedingt die Shaj selbst. Sie kämpft wie ein Dämon und manchmal benimmt sie sich auch so, aber das ist kein Beweis.“
„Ich finde, es gibt noch mehr, was darauf hindeutet.“
„Das mag sein. Aber... das Blut der Nacht… ist nicht die Legende, nach der Mondor und Wandan suchen.“
Überrascht hob Sara die Brauen.
„Ach nein? Suchen sie etwa den Überlebenden aus dieser Katastrophe, den es vermutlich gar nicht gab?“
Racyl nickte.
„Bis heute weiß niemand, ob damals wirklich der Blutsträger des Himmels starb. Einige sind überzeugt, dass dieses Unglück der beste Schutz war, den sie sich wünschen konnten.“
Sara schüttelte belustigt den Kopf.
„Wie will man jemanden finden, der gar nicht weiß, dass er existiert? Ich meine, wenn tatsächlich der Blutsträger überlebt hat und alle, die sein Geheimnis kannten, gestorben sind – dann weiß er vielleicht selbst gar nicht, wer er ist.“
„Genau das glauben Mondor und Wandan nicht. Sie glauben, dass sein Nachfahre – der eine, den jeder Blutsträger immer hat – immer noch gefunden werden kann. Vielleicht hat er schon einen weiteren Nachkommen gezeugt. Dann wären es sogar zwei. Und sie suchen danach.“
„Es tut mir leid, Racyl, aber das ist vollkommen lächerlich. Nehmen wir einmal an, es gibt ihn tatsächlich. Und nehmen wir weiter an, Mondor und Wandan und Mo finden ihn auch noch – was um alles in der Welt sollte uns das nützen?“
„Hast du schon vergessen, worüber Mondor mit dir gesprochen hat? Dass Iandal Ash-Zaharrs Macht für sich gewonnen hat? Dass er damit vielleicht die größte Waffe beschworen hat, die es gegen uns gibt? Kannst du dir nicht vorstellen, dass ein Blutsträger des Himmels der einzige wäre, der dann noch das Schlimmste verhindern könnte? Nur er könnte Ash-Zaharr wieder dazu bringen, sich zu seinem Volk zu bekennen, das ihn so oft СКАЧАТЬ