Faber. Matthias Schroder
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Название: Faber

Автор: Matthias Schroder

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750218291

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СКАЧАТЬ wird dieser zäher, vielleicht aber auch empfindlicher sein.“

      „Interessantes Gedankenexperiment. Ich hatte bis eben den Eindruck, du wolltest mir etwas anbieten, das verlockend und bestechend ist. Gibt es auch Vorteile?“

      „Über all dem, das ich dir hier berichte, steht ein neues Leben, das du von Beginn an neu gestalten kannst; wohl bemerkt als die Person, die du jetzt bist: gebildet, klug, reif, erfahren, voll Witz, Verstand und Geisteskraft. Alles Eigenschaften, die du nun in einer Weise einsetzen kannst, die dir in deiner dahinwelkenden Gegenwart verwehrt ist. Du kannst neue Wege ausprobieren und alte Irrtümer vermeiden. Ferner hast du eine perfekte Tarnung: einen jungen und in seiner Welt bereits etablierten Körper mit einer Stimme, die alle kennen; nur eben bewohnt von einem Geist, der sich allen Anforderungen dieses noch unverbrauchten Lebens mit Leichtigkeit wird stellen können und sich dadurch ein ungeahntes Maß an Macht und Anerkennung erschließen wird.“

      Hans lächelte leicht, weil er noch immer in einem Zustand zwischen Neugier und Ablehnung dieser Märchen verharrte und das Gefühl hatte, dass er sich behaupten müsste. Wobei dieses Bedürfnis nach Behauptung abgeschwächt war durch die Gewissheit, dass er eigentlich nichts mehr zu verlieren hatte.

      „Es gibt aber auch ganz klare Grenzen und Forderungen, die ich dir nicht vorenthalten darf“, setzte der Dunkle seine Rede fort. „Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass deine Seele mit deinem Namen sehr eng verbunden ist. Kein Name lässt sich in irgendeiner Weise klassifizieren. Er ist untrennbar – verzeih mir den Pleonasmus – mit einem Individuum verbunden. Würde man den Namen eines Menschen ändern, würde man damit auch seine Seele verändern. Jede Frau weiß dies, die nach der Hochzeit das erste Mal mit dem neu angenommenen Namen angesprochen dieses leichte Gefühl des Entwurzeltseins verspürt und eine Weile braucht, um die neue Luft, die sie atmet, als Teil ihrer eigenen Welt zu erkennen. Darum kannst du zwar dein Dasein in dem unverbrauchten Körper eines fast beliebigen jungen Mannes fortsetzen, aber die Auswahl ist dadurch begrenzt, dass er deinen Namen oder zumindest einen sehr ähnlichen tragen muss.“

      „Ich glaube, das lässt sich einrichten“, entgegnete Faber zuversichtlich. „Gibt es noch andere Dinge, die du von mir verlangst?“, fragte er mit einer Zuversichtlichkeit, die zu erkennen gab, dass er nicht im Geringsten mit dem rechnete, was der Dunkle noch von ihm verlangen würde. Der Dunkle wurde sehr ernst und blickte mit einer Mischung aus Besorgnis und Mitleid auf Faber. Ihm war klar, dass er ihm nun eine hohe Hürde würde aufzeigen und gleichsam vor ihm aufstellen müssen.

      „Es gibt noch ein Weiteres, das dir nicht leichtfallen wird, aber notwendig ist, damit du zeigst, wie ernst es dir mit diesem Handel ist. Ich hatte eben nicht nur angedeutet, dass es Einschränkungen gibt, sondern auch Opfer, die du wirst bringen müssen. Kurz gesagt: Wenn ich eine Menge Zeit in dich hineinstecke, muss ich sie mir an anderer Stelle holen können. Wenn ich deine Möglichkeiten, Leben zu gestalten ins schier Unendliche erweitere, muss ich an anderer Stelle Möglichkeiten endgültig vernichten dürfen. Deine Frau wird daher ihr Leben lassen müssen.“

      Mit diesem Problem konfrontiert wurde Faber mit einem Mal klar, dass er dem Dunklen längst geglaubt hatte, was er ihm offerierte. Denn die Decke des Hypothetischen erwies sich hier als ein lediglich dekorativer Überwurf, der die Konturen dessen, was sich darunter befand, nicht verschwinden machen konnte. Bis zu diesem Augenblick hätte er sich als Vertreter einer eher instrumentellen Moralvorstellung beschrieben, als einen Pragmatiker, der Richtig und Falsch den Zwecken unterordnete, die man im Alltag zu verfolgen hatte. Am Nachmittag freilich war er eher amoralisch in einem nicht ablehnenden Sinne der Ignoranz. Dort war dann einfach nicht der Platz für Moral und die Welt zerfloss in die dumpfe Empfindung von Anziehung und Abstoßung. Wenn er trank, wurden Unterscheidungen weicher, fließender, unbedeutender. Nun aber sah er sich vor ein Problem gestellt, in dem es um ein Leben ging. Eine wirkliche Beziehung zu seiner Frau hatte er nicht mehr. Sie bedeutete ihm nichts mehr. Sie war der Teil seiner Vergangenheit, von dem er sich sukzessive entfernt hatte und den festzuhalten er mehr und mehr die Kraft und den Willen verlor; ein Teil, der zu seiner Geschichte werden und sich in seine Privatheit einbinden wollte. Gleichwohl war es aber auch der Teil, von dem er nun verstanden hatte, dass er dessen Wirkung auf ihn nicht zu beeinflussen vermochte. Streng genommen war er nicht einmal in der Lage gewesen, seine eigene Einflussnahme auf das gemeinsame Leben zu beeinflussen. Das war eine Gewissheit, die sich leicht in ein Gefühl des Vorwurfs umbauen ließ. Ohne den Einfluss seiner Frau wäre er unter Umständen niemals dort gelandet, wo er sich jetzt befand.

      „Muss ich sie umbringen?“, fragte Faber und verdrängte dabei schon erfolgreich, dass er im Grunde von einer biographischen Episode mit der Unschuld einer chemischen Reaktion sprach.

      „Aber nein!“, heiterte sich der Dunkle mit einer beinahe mephistophelischen Vergnügtheit auf. „Du musst sie nur freigeben. Alles andere erledigt sich quasi von alleine.“

      „Wie wird das vor sich gehen?“

      „Sie wird sich selbst umbringen. Alles, was du tun musst, ist deine geladene Waffe in deinem Nachttisch liegen lassen; an dem Ort, den sie kennt. Es wird zu einer Aussprache kommen. Ich werde das veranlassen. Schwierig ist es nicht. Sie ist auf ihre Weise eine gescheiterte Existenz. Sie war eine erfolgreiche Studentin; eine promovierte Chemikerin. Sie hat auf alle damit verbundenen Möglichkeiten deinetwegen verzichtet. Sie erträgt den damit verbundenen Groll nur, weil du erfolgreich bist und weil sie nicht weiß, was du tust. Wenn sie aber erfährt, dass ihr Verzicht vergeblich war, weil du mit Kampfstoffen experimentierst, mit Massenvernichtungswaffen, wird sie den letzten Faden, mit dem sie sich an ihr sinnentleertes Leben klammert, loslassen und den Abzug betätigen. Freilich wird sie dies in deinem Hause, vielleicht sogar vor deinen Augen tun, aber du wirst schuldfrei bleiben, denn dieser Abgang geht auf das Konto höherer Mächte, deren Wirken sich im Diesseits nicht nachweisen lässt.“

      „Und wenn es nicht funktioniert?“

      „Wird es! Für das Gelingen ist nicht entscheidend, wie du dich an dem Tag schlägst. Entscheidend ist dein Entschluss. Steht der fest, gibt es kein Zurück mehr. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Sie wird sich dann nicht im Anschluss an euer Gespräch umbringen, sondern später.“

      „Wann?“

      „Das willst du nicht wissen.“

      „Ich habe das Gefühl, dass ich bereits mehr Wahrheit abbekomme als in den letzten drei Jahren zusammen. Da wirst du mir das letzte Quäntchen in dieser Sache nicht vorenthalten wollen!“

      „So sei es. Du hast eine Menge an Entdeckungen gemacht. Manche davon nützen der Menschheit, manche nicht so sehr. Manche deiner Erfindungen wird einmal gut gemeint gewesen sein, jedoch ihre mehr als fatale Wirkung entfalten, die du nicht wirklich wirst begriffen haben, da du dein Anliegen damit für erledigt und gelöst halten wirst. Jedoch wird es deiner Frau, sollte sie dann noch am Leben sein, den Boden unter den Füßen wegziehen und ihr jeden Lebenswillen stehlen. Denn sosehr sie sich auch jetzt von dir entfernt. So groß die Distanz zwischen euch jetzt auch ist. Sie wird sich immer als ein Teil eurer Schicksalsgemeinschaft begreifen. Dazu hat sie zu viel in eure Verbindung investiert. Zu diesem Zeitpunkt würdest du gewiss längst das Zeitliche gesegnet haben und kein körperlicher Teil ihrer Gegenwart mehr sein. So dass du in jedem Fall von ihrem Ableben nur aus der Zeitung erfahren könntest.“

      Faber wurde von einem grammatischen Strudel mitgerissen, der ihm teils durch seine Unverständlichkeit, teils durch seinen Mangel an Indikativ eine immer größere Sicherheit in dieser Sache suggerierte. Er hatte es in der Hand und konnte den Handel im Grunde nach seinem Gutdünken gestalten. Dass er es wollte, stand für ihn in diesem Augenblick außer Frage. Es war ihm nicht bewusst, dass der Dunkle ihn im Grunde mit einem einfachen Trick manipuliert hatte. Die Alternative, seine Frau zu opfern oder es nicht zu tun, wurde durch die Alternative, seine Frau durch eine direkte Konfrontation zum Selbstmord zu bringen oder nicht selber anwesend sein zu müssen, ausgetauscht. СКАЧАТЬ