Faber. Matthias Schroder
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Название: Faber

Автор: Matthias Schroder

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750218291

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СКАЧАТЬ in der Ablenkung, in der Zerstreuung und im Zeitvertreib.

      Gott: Was soll ich von einem Teufel halten, der sich derart mitfühlend gebart? Ich habe nie gesagt, dass die Menschen, wenn sie das Richtige suchen, auch das Richtige finden. Ein wenig mühevolle Suche muss sein. Keiner, der etwas erreicht, würde sich an dem Erreichten freuen und dessen Wert schätzen können, wenn es zu leicht ginge. Aber sag einmal! Was ist eigentlich heute mit dir los? So pessimistisch habe ich den Teufel selbst noch nie erlebt. Gibt es nicht genug Schönes in dieser Welt, das du ins Chaos stürzen kannst?

      Teufel: Eben das ist es ja. Ich habe das Gefühl, dass auf diese Welt ein Angreifen sich nicht lohnt. Sie ordnet sich zu Tode. Sie zerfließt und vergeht in Gleichförmigkeit. Ihre Perfektion ist ein schlimmerer Zustand als das übelste Chaos, das ich mir erdenken könnte. Die Menschen sind so weit, dass sie sich selbst Regeln auferlegen, bei denen sogar das Chaos in Verwirrung gerät. Wusstest du, dass es einen Erlass gibt, der regelt, welche Tinte für welche Art von Dokument hergestellt und verwendet werden soll? Oder ein internationales Kriegsvölkerrecht, das regelt, auf welche Weise man den Feind im Falle eines bewaffneten Konfliktes angreifen darf und wie nicht? Wie soll ich da wissen, was der Zerstörung wert ist? Dein gleichförmiges Funktionieren, die Regelmäßigkeit in allem, das Verlässliche. Ist es nicht beides zugleich; Ordnung und Unordnung, Perfektion und Verwesung, Übersichtlichkeit und Labyrinth? Entstehen und Niedergang? Wie soll sich der Teufel da orientieren, wenn die Ordnung selbst sich in das Chaos mischt und ihm ihren Anstrich gibt?

      Gott: Glaub mir, die Menschen suchen zwar die Enge. Aber ohne diese hat es noch nie das Kreative gegeben. Und ich weiß, wovon ich dabei spreche. Sie suchen diese nur um sich zu entlasten, um frei für das Kommende und bisweilen Überraschende zu sein. Jede Seele will das Neue. Sie braucht es sogar dort, wo du ihr vorwirfst, sie entdecke nur das Gewohnte. Wie soll sie denn das Gewohnte entdecken, wenn sie es nicht in der Vielfalt sucht? Die Welt bleibt den Menschen stets offen und lebenswert.

      Teufel: Du bittest mich, dir zu glauben? Nein, keine Seele vermag ihrer Enge zu entkommen; und hätte sie alle Zeit der Welt. Sie würde noch in tausend Jahren ihre Schuhe auf die gewohnte Art binden und ihr Lieblingsessen so zubereitet wissen wollen, wie es die Mutter einst zubereitet hat. Es sind doch allesamt Seelen, die du nach eben dem Prinzip geschaffen hast, nach dem du auch die Welt ordnetest: die Wiederholung des Immergleichen, Regelmäßigen, Zyklischen, Berechenbaren. Für den Reichtum, von dem du redest, sind die Menschen blind. Du hast den Bauplan der Welt in die Menschen kopiert und ihnen ein Leben nach Gleichmaß beschert. Und obendrauf hast du den Menschen noch die Mathematik gegeben, die ihnen die Regelmäßigkeit mehr als bewusst macht; sie drängt sie ihm geradezu auf. Wie soll die Seele etwas anderes wollen, als eben die langweilig das scheinlebendige Tote gebärende Welt, in der sie sich selbst voll Bewunderung wiederzufinden sucht?

      Gott: Lass uns eine offene Probe wagen. Ein Mensch allein wird reichen, um dir den Gegenbeweis zu erbringen.

      Teufel: Du schlägst vor, ich solle mich an einer Seele vergreifen und sie in die Versuchung der Unsterblichkeit stürzen? Ist es nicht normalerweise an mir, derartig unerhörte Vorschläge zu unterbreiten?

      Gott: Wer von uns führt hier die hochmütige Rede? Ich habe großes Vertrauen in das Entstehen. Kein Mensch wird einen Zustand nur aus Gewohnheit so schön finden, dass er in ihm verweilen möchte. Kein Mensch wird immer wieder nur das in seinem Ich beschlossene Gleiche zu verwirklichen suchen, wenn die Welt sich ändert.

      Teufel: Wann habe ich die Wette gewonnen?

      Gott: Wenn du mir einen beliebigen Menschen zeigst, der sich in mindestens drei Leben nicht wirklich ändert.

      Teufel: Wen soll ich nehmen? – Kennst du den Faber?

      Gott: Den Professor?

      Teufel: Meinen Knecht!

      Gott: Der dient dir wirklich auf besondere Weise. Soweit ich weiß, ist der Mann vollkommen dahin; die Ehe und die Gesundheit am Ende; er ist schwerer Alkoholiker und klammert sich im Grunde nur noch ans Leben, indem er in Nischen forscht, in denen keiner sonst arbeiten will. Er ist einer der modernen Alchemisten, die die Schöpfung nicht in Gold, sondern in Tod verwandeln. Und wenn ich mich recht entsinne, war er einer der ersten, die der Frage nachgegangen sind, wie man den Tod den Menschen durch die Luft bringen kann.

      Teufel: Und er war erfolgreich damit.

      Gott: Zumindest in der Entwicklung! Über den Erfolg beim Nutzen lässt sich trefflich streiten! Warum willst du gerade ihn? Weil er schon am Ende ist?

      Teufel: Er ist eine Herausforderung und ein eindeutiger Fall. Er hat nicht mehr lange. Er weiß das und wird daher empfänglich für jedes überirdische Angebot sein. Er hat sich schon immer leicht verführen lassen und gerade meine Gegenwart wird ihm Hoffnung geben, weil er sicher sein kann, dass er vor mir keine Buße wird tun müssen. Eine verlorene Seele, die eine neue Chance gebrauchen kann, und eine gebildete Seele dazu!

      Gott: Und leider auch eine schon sehr alte Seele, die ihre Routinen hat.

      Teufel: Also bitte! Zu leicht sollst du es nicht haben! Soll ich mir ein Kind nehmen, das sich noch in alle Himmelsrichtungen formen und führen lässt? Das kann für uns kaum zweckmäßig sein. Außerdem ...

      Gott: Ich gebe dir Recht ... außerdem muss es sich um eine eigenständige Seele handeln, die von alleine läuft. Wir dürfen nicht mehr als bloße Zuschauer sein. Womit sich eine weitere wichtige Frage ergibt!

      Teufel: Genau! Wie weit dürfen wir einwirken? Du hast den Lauf der Welt in der Hand und hast Einfluss auf die Geister. Ich kann die Seele dirigieren und durch Versuchung wie Unheil auf sie einwirken. Mit alledem müssen wir uns in diesem Fall zurückhalten.

      Gott: So sei es, dass wir dem Geist nur Möglichkeiten und Wahlfreiheiten bieten, damit er zeigen kann, welchen Pfad er einschlägt: Folgt er dem Neuen oder geht er immer in dieselbe gewohnte Richtung. Pass auf, dass du dabei nicht wieder zu sehr als Versucher erscheinst …

      Teufel: … und du nicht als einer dieser überpersönlichen Zwänge mit Namen wie Gewohnheit, Sitte, Tradition, Wahrheit oder gar Religion! So sei es! Die Wette ...

      Gott: ...gilt!

      Teufel: Wie gut doch meine Ideen in seine und seine in meine greifen. Von Zeit zu Zeit seh ich den alten Gott gerne. Er gibt mir so ein angenehmes Gefühl von Weite, von Ferne.

      Vorspiel - anbrechender Frühling im Jahre 1914

      Faber hatte seit langem eine immer klarer werdende Vorstellung vom Ende des Lebens, denn er bewegte sich ohne Unterlass darauf zu. Es war nicht der Tod, den er dabei immer klarer vor Augen sah. Es war das wachsende Nichts, das umso deutlichere Konturen bekam, je undeutlicher die noch beschreitbaren Wege des eigenen Daseins wurden. Dieses Nichts hat viele Namen. Manche nennen es das Aus, manche bezeichnen es als Hoffnungslosigkeit, manche als Sackgasse, manche als das Unten. Er hatte seine ganz eigene Vorstellung davon. Für ihn war es das fortdauernde Überschreiten einer Grenze, hinter der es kein Zurück mehr gab. Eine Grenze, die er jeden Tag ein bisschen mehr überschritt; eine Grenze, hinter der er sich selber einschloss, indem er immer mehr Türen hinter sich zufallen ließ und bei denen er sich kaum noch erinnern konnte, was sie eigentlich bargen. Es war die Grenze, hinter der sich das Leben auf die Erhaltung von Vitalfunktionen und einem Rest-Ich trotz immer widerwärtiger werdender Zwänge СКАЧАТЬ