Schnee von gestern ...und vorgestern. Günther Klößinger
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Название: Schnee von gestern ...und vorgestern

Автор: Günther Klößinger

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783737520829

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СКАЧАТЬ sah Prancock seine Freundin an. Zu seinem Entsetzen schaltete sie auf Flirtstufe zwei: Sie hob die Augenlider mit bedächtigem Schwung und fixierte den jungen Servierer. Ihr Blick verströmte pures Charisma. Der Kellner hatte große Mühe, nicht zu erröten. „Natürlich nicht“, beteuerte sie betont verständnisvoll, „aber leider hat Monsieur etwas in unserem Zimmer vergessen! Wir würden es ihm gerne zukommen lassen!“

      „Nun, Madame“, setzte der Kellner an und lächelte verlegen – das Barometer in Fox’ Magengegend zeigte auf „Langsam reicht’s!“ – „dann deponieren Sie Ihren Fund doch beim Portier. Wenn unser Gast den Verlust bemerkt, wird er sich wahrscheinlich telefonisch in der Rezeption melden. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Madame.“ Er war schon dabei, mit seinem Servierwagen zu enteilen, da wandte er sich noch an Prancock: „Ihnen natürlich auch, Monsieur!“ Dann verschwand er zielstrebig in die Küche.

      „Warum hat er es denn plötzlich so eilig?“, wunderte sich Ilka. Sehr zu Fox’ Missvergnügen starrte sie dem Ober nach.

      „Wahrscheinlich hatte er Angst, dass seine Erektion ihm die Hose sprengt!“, knurrte Fox vor sich hin. Demonstrativ stierte er in sein Weinglas. Gerade wollte er es an den Mund heben, als eine Berührung ihn erschauern ließ: Ilka hatte sachte ihre Hand auf seine gelegt. Er sah sie an. Der Anblick der zarten Finger weckte sein Verlangen. Er hob den Kopf und sah Ilka in die Augen. Fox war wie vom Donner gerührt und von tausend Blitzen elektrisiert: Die Flirtshow mit dem Kellner war nur ein schwacher Abglanz dessen gewesen, was er nun in Ilkas Blick erkannte.

      „Wollen wir die Ermittlung vielleicht lieber morgen fortführen?“, hauchte sie.

      Er trank hastig aus und nickte ihr zu: „In Ordnung, Frau Kommissar, aber den Portier knüpfe ich mir vor!“

      „Alles klar, Jeannie, die Party kann steigen!“, verkündete Jasmin fröhlich und marschierte herein.

      Janine saß am Fenster und sah hinunter auf den Hof. Viele Freunde und Bekannte entfachten dort Grillfeuer, redeten, spielten und musizierten. Die Rührung darüber, dass sie alle gekommen waren, um ihr zu helfen, packte Jeannie. Natürlich wollte sie ihre Lieben nicht enttäuschen – und doch krampfte sich ihr Herz zusammen, wenn sie sich vorstellte, nun zu feiern.

      Als Jeannie nicht reagierte, trat Jasmin zu ihr. „Dir ist das zu viel, oder?“

      Die kleine Hexe war dankbar, dass sie das nicht selbst hatte aussprechen müssen. Sie wandte ihr Gesicht Jassy zu. Diese erkannte neben einem Ausdruck der Hoffnung jede Menge Unsicherheit, Traurigkeit und Angst. Wohl wissend, dass jedes weitere Wort nur eine leere Hülse aus Buchstaben bleiben würde, nahm sie Janine in ihre Arme und zog sie mit sanftem Nachdruck an sich.

      „Gestern wäre ich hier fast gestorben!“, flüsterte die kleine Gestalt mit dem zerschundenen Gesicht.

      Jasmin fühlte, wie sich die Finger ihrer Freundin in die Falten des Stoffes krampften. Jassy ließ ihre Hände langsam an Jeannies Rücken hochkrabbeln und begann dann, sie am Haaransatz im Nacken zu streicheln. Jeannie drückte ihren Kopf noch fester an Jasmins Brust, schlang die Arme nun regelrecht um die Hüften ihrer Freundin. Sie begann das dunkle Gebräu von ängstigenden Bildern in sich aufzulösen und mit ihren Tränen herauszuspülen. Ihr war klar, dass das nicht in diesen Minuten zu schaffen war, vielleicht Monate oder Jahre dauern könnte, aber nun ergab sie sich dankbar in ihre ganz persönliche kleine Ewigkeit.

      Jassy liebkoste Jeannie unermüdlich weiter. Am liebsten wollte sie Angst und Verzweiflung aus ihrer Freundin einfach herausstreicheln. Sie spürte, wie Janine sich entspannte, das Schluchzen nachließ und der Kopf an ihrem Busen leichter zu werden schien.

      „Leg dich schlafen!“, flüsterte Jasmin der noch immer zitternden kleinen Hexe ins Ohr.

      „Alleine? Hier? Ich weiß, ich darf nicht davonlaufen, aber ...“

      „Ich bleibe bei dir!“, sagte Jasmin leise.

      „Aber das Fest! Und die Band! Ihr wolltet doch noch spielen!“

      „Morgen, Jeannie, morgen!“

      Er konnte fast nichts mehr erkennen, da die Sonne mittlerweile komplett in ihr Nachtasyl entschwunden war. Nur noch die Flammen eines kleinen Lagerfeuers strahlten einige Jugendliche und Erwachsene an. Die zunehmende Dunkelheit schien die Schmerzen in seinem gepeinigten Auge zu lindern, aber die Reste eines wehen Pochens trieben ihn weiter an. Wie taktiler Technobeat hämmerte es in seinem Augapfel. Sein Herzschlag schien sich mit jenem dumpfen Rhythmus zu synchronisieren. Gleichförmig artikulierte sich der Sound in einer stimmlosen Trance- und Dancefloor-Tirade: „Hass! Hass! Hass! Hass! Hass!“

      Ja, er hasste sie, alle, die da drüben lachten, aßen und tranken. Sie waren nicht von seinem Blut. Die, die es doch waren, begingen Verrat. Das war sogar Hochverrat! Er konnte Gesichter und Staturen der Menschen im Flackern des Feuers nicht mehr unterscheiden. Egal: Sie waren alle gleich. Ihre Nutzlosigkeit vereinte sie. „Noch lacht ihr in das Feuer“, geiferte er mit unverhohlenem Hass, „aber bald werdet ihr selbst brennen.“

      Trance und Techno änderten den Beat. Zum Hass des Beobachters gesellte sich Hohn. Erst einmal hatte der Gedanke ihn erstaunt, aber nun spürte er bereits Erregung und Vorfreude. Er hielt den Atem an und sprach ein lautloses „Plan zwei!“ in das friedliche Gurren der Nachtvögel hinein.

      Sonntag

      01:36 brannte der Wecker seine Botschaft glutrot und digital in die Dunkelheit. Penny zog energisch ihre Bettdecke hoch ans Kinn und war fest entschlossen, endlich einzuschlafen. Ein kurzes Flackern, dann leuchteten ihr die Ziffern 01:37 entgegen.

      Sie bemühte sich, einen harmonischen Film vor ihrem inneren Auge ablaufen zu lassen: Wie wär’s mit einem Remake von „Bilitis“? Mit ihr selbst in der Hauptrolle – und Steffens als männlichem Star? Der Weichzeichnereffekt wollte sich dabei allerdings nicht so recht einstellen. Ganz unpassend für eine Hommage an Hamiltons Klassiker, hatte der frischgebackene Kommissar seinen alten Trenchcoat an. Die Landschaft hingegen war perfekt: Sanftes Grün waberte auf leicht verschwommenen Baumwipfeln im Wind. Die Musik von Francis Lai schmalzte und triefte wie gewohnt. Schließlich begannen die süßlichen Harmonien aber mit eigentümlicher Magie Pennys Sehnsüchte zum Tanzen zu bringen. Wunschträume loderten auf und verwandelten sich in pures Verlangen. Ihr Herz schlug Purzelbäume, vollkommen unpassend angesichts des elegischen Soundtracks.

      „Verdammt noch mal“, zischte die Schlange, „was soll denn der doofe Trenchcoat? So klappt das nie mit dem Baum der Erkenntnis!“

      Die träumende Detektivin erschrak – von „Bilitis“ zur „Genesis“, das war eindeutig zu viel des Guten! Trotzdem: Die Schlange hatte recht! Wenn der Kerl nicht bald den Trenchcoat auszog, müsste Penny wohl eher auf „Zärtliche Cousinen“ warten. Sie wollte sich schon abwenden, aber Steffens Blick hielt sie fest. Langsam schritt sie auf die Traumgestalt zu. Steffens hob den Arm, deutete auf einen Busch.

      „Na endlich“, dachte Penny, „er hat’s kapiert!“

      Der Kommissar sprach merkwürdige Worte: „Sieh dort nach! Und zwar ganz genau!“

      Sie erkannte die wuchernden Stauden sofort wieder: Hier hatte sich dieser merkwürdige Spanner versteckt und Jeannie und ihre Freunde beobachtet.

      „Aber den Busch hab ich doch schon gecheckt!“, stieß Penny hervor.

      Am liebsten hätte sie platzen wollen. Steffens hatte alles zunichte gemacht: Die Leidenschaft für ihn war völlig ihrer professionellen СКАЧАТЬ