Schnee von gestern ...und vorgestern. Günther Klößinger
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Название: Schnee von gestern ...und vorgestern

Автор: Günther Klößinger

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783737520829

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СКАЧАТЬ zielstrebig dahin sausendes Surfboard eingetauscht. Der Geruch von Ilkas Haut zauberte einen fruchtigen Kokoscocktail auf Fox’ innere Leinwand. Er sog den Duft genießerisch ein. Ilka ließ sich in das Gefühl völliger Hingabe gleiten. Das Zimmer um sie herum existierte nicht mehr und sie lagen nicht in einem Berg von Hemden, T-Shirts, Hosen und anderen Sommerklamotten, sondern im heißen Sand des Strandes von Taku Takua. Die Trommeln der Inselbewohner steigerten sich und die Herzen der zwei Verliebten folgten blindlings jedem neuen Stakkato.

      Unvermittelt brach die Flut herein. Die beiden klammerten sich fester aneinander, glitten mittlerweile gemeinsam auf einem Surfbrett dahin. Eine gigantische Welle trug sie davon. Dann lagen sie wieder unter den Palmen des Strandes. Sie ruhten, und doch schnellten sie über das Wasser. Sie fühlten sich geborgen und doch den Naturgewalten ausgesetzt. Ein leiser, fast singender Laut drang an Fox’ Ohr. Sanft gab er Ilkas Mund frei. Ihr Atem traf seine Wange, er fühlte ihre Hitze und lauschte den Klängen, die wie eine zärtliche, aber zugleich wilde Beschwörung aus ihrer Kehle hervorbrachen. Das Schnurren, das er von sich gab wie ein zufriedener Kater, der faul in der Mittagssonne döst, nahm er nicht wahr. Dennoch wusste er, dass er Teil jener Combo war, die hier eine eigenwillige Coverversion des „Liebestraums“ intonierte: Ilka hatte die erste Stimme übernommen, er brummte den Bass und ihre Herzen überschlugen sich als Rhythm Section: Immer neue Variationen virtuoser Polyrhythmik trieben sie vorwärts. Die Flut hatte sie in einen Taifun gezogen, aber die beiden standen fest auf dem nicht zu erschütternden Surfboard. Der andere Teil ihres Seins nahm die Hitze des Sandes in sich auf, gab gleichzeitig Hitze an ihn ab. Mehr und mehr Körnchen klebten an ihren schweißnassen Körpern, rieselten durch ihre Haare, rannen durch liebkosende Finger.

      Jäh stoppte ein durchdringendes Schrillen den Taifun, ließ wie ein göttliches Machtwort Strand und Palmen im Nirwana verschwinden. Die beiden Surfer strandeten unsanft in einem Atoll aus Sommerkleidung. Ilka und Fox öffneten die Augen und wandten ihre Köpfe zu dem kleinen Beistelltischchen, auf dem ein altmodisches Telefon ungeduldig klingelte. Unwillig löste sich Fox aus Ilkas Umarmung, ging zu dem Apparat und nahm ab.

      „Hier ist der Pensionsservice. Möchten Sie Ihr Abendessen um 18 oder 19 Uhr zu sich nehmen?“

      „19!“, nuschelte Prancock genervt in die Muschel und legte – ohne weiteren Kommentar – auf.

      Jeannie sah sich in ihrem Wohnzimmer um und hatte das Gefühl, sie wäre an einem fremden Ort. Die heil gebliebenen Gegenstände befanden sich wieder an den gewohnten Plätzen. Entstandene Lücken hatten Jasmin und Yasemin geschickt und liebevoll mit Blumen und Nippes aufgefüllt, sodass nichts mehr daran erinnerte, was sich vor noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden hier abgespielt hatte. Eine fröhlich pfeifende Jessica kam herein und hielt ein zusammengerolltes Stück Papier in ihrer rechten Hand.

      „Sieh an“, bemerkte sie auf ihre typische, nicht zu überhörende Art, „da ist noch ein freier Fleck an der Wand.“

      Ohne Zeit zu verlieren, trat sie vor die noch ungeschmückte Stelle. Sie hielt den Kopf schräg und warf einen prüfenden Blick auf die weniger ausgebleichte Region der Tapete. Die ursprünglichen Farben deuteten darauf hin, dass hier einmal ein Poster gehangen hatte.

      „Könnte passen!“, befand das Mädchen. Dann rollte sie das Papier auf und befestigte es passgenau an der Wand, sodass die farbliche Unregelmäßigkeit völlig verschwand. Als sie damit fertig war, drehte sie sich zu Jeannie um und strahlte sie an.

      „Gefällt’s dir?“, fragte Jessy und konnte nicht anders, als hinzuzufügen: „Darauf hab ich ’ne Eins bekommen.“

      Jeannie lächelte und betrachtete die farbenfrohe Malerei. Jessica hatte ihren Gefühlen und dem Pinsel offenbar freien Lauf gelassen: Fröhliche rote und violette Wirbel umgarnten zartes Grün und Türkis in perfekter Harmonie, die förmlich aus dem Bild herauszutreten schien.

      „Gegenstandslose Kunst ist in“, bemerkte Jeannie, an ihre Freundin gewandt, „dafür würde mancher Kunstliebhaber bestimmt einiges hinblättern ... wenn du dem Ganzen einen höchst intellektuellen Titel geben würdest – ,Regenfänger der Wahrheit‘ oder so ...“

      Jessica spielte die Gekränkte. Sie verschränkte die Arme. Eine Kunstpause folgte. Mit der Grazie einer Diva aus der frühen Tonfilmzeit hob sie das Kinn und parlierte drauflos: „Erstens ist das Werk nicht ,gegenstandslos‘, wie Madame es nennen, und zweitens hat es einen Titel!“

      „Nicht gegenstandslos?“, fragte Jeannie verwundert. Sie trat näher an Jessys Werk heran. Die Künstlerin ging gnädigerweise etwas zur Seite und blickte die offensichtliche Banausin gönnerhaft an. Nun war es an Jeannie, den Kopf schräg zu halten, leicht die Augen zusammenzukneifen, den Blick in den Wogen und Strudeln aus kräftigen und zarten Farben zu versenken. Und: Voilà – das Bild war tatsächlich nur auf den ersten Blick ein reines Wirrwarr gemeinsam gut wirkender Farben. Betrachtete man das Spiel der geschwungenen Linien und der scheinbar zufälligen Kleckse genauer, konnte man etwas erkennen, das sich richtiggehend aus diesem kolorierten Tohuwabohu herausschälte: ein fröhliches, freundliches und zuversichtliches Gesicht.

      „Fehlt nur noch, dass es mich anzwinkert!“, dachte Janine bei sich. Ihr Blick verweilte fasziniert auf dem Porträt, das ihr merkwürdig vertraut vorkam.

      Jessica begann, ihre Arbeit zu erklären, auch wenn Jeannie sie gar nicht darum gebeten hatte.

      „Das Thema hieß ,Meine beste Freundin‘ oder ,Mein bester Freund‘ – nett, wie unser Kunstpauker nun mal ist, konnten wir uns das wenigstens aussuchen. So, und nun rate mal, wer dich da anguckt!“

      „Robert?“, fragte Jeannie spitzbübisch. Natürlich hatte sie Jasmins Züge mittlerweile eindeutig erkannt.

      „Der war damals noch Jassys Freund“, stellte Jessica trocken fest, „aber ich seh schon, du willst mich verarschen!“

      „Nein, nein!“, warf Jeannie Jessy ein Lächeln zu. Dann kniff sie ihr freundschaftlich in den Arm. Sie wollte sich bedanken, fand aber die richtigen Worte nicht schnell genug, um Jessicas weitere Ausführungen zu stoppen.

      „Na ja, der Müller, unser Lehrer, hat beim ersten Blick auch gedacht, ich wollte ihn verschaukeln – aber nachdem er seine Brille gerade gerückt und noch einmal genau hingeschaut hatte, stand meine Note schon fest. Wochen später hat er mich dann angequatscht, ob ich ihn nicht auch mal so malen könnte. Er wollte so ein Porträt seiner Frau schenken!“

      „Und – hast du’s gemacht?“, fragte Jeannie.

      Jessica nickte ganz aufgeregt. „Klar, das Werk war allerdings noch genialer: Man konnte im Farbspiel wahlweise Herrn Müller oder ein Nashorn erkennen. Ich hab mich einfach auf die alte psychologische Weisheit verlassen, dass die Menschen nur das sehen, was sie auch sehen wollen!“

      Jessy machte wieder eine bedeutungsschwangere Kunstpause. Sie atmete mit einem theatralischen Seufzer ein, um zu signalisieren: „Na los, frag schon weiter!“

      „Hat’s geklappt?“, wollte Jeannie auch prompt wissen.

      „Ein schadenfrohes Grinsen, gepaart mit unwiderstehlicher Unverfrorenheit blitzte aus Jessys Augen. Jeannie konnte nicht mehr anders und begann zu kichern. Jessy erzählte weiter: „Müller war total begeistert, als er das Bild sah. Er schenkte mir eine riesige Schachtel Pralinen – na ja, Kohle wäre mir lieber gewesen – und packte mein Werk freudestrahlend in seine Aktentasche. Als wir in der folgenden Doppelstunde damit beschäftigt waren, irgend so ’n tödlich langweiliges Stillleben zu pinseln, bemerkte ich, wie er das Bild immer wieder hervorzog und anhimmelte.“

      Jeannies Lachen konnte sich nicht mehr hinter dem Zwerchfell verstecken. СКАЧАТЬ