Lebenswege - Eine ostpreußische Familiengeschichte. Frank Hille
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Название: Lebenswege - Eine ostpreußische Familiengeschichte

Автор: Frank Hille

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783737538183

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СКАЧАТЬ kommst auch schon noch auf den Geschmack“ lachte der Großvater.

      Nach dem Essen lief Peter Becker noch zu Paul und berichtete ihm von den Neuigkeiten.

      „Du willst wohl noch ein gebildeter Mann werden“ frotzelte sein Freund „für mich wäre das nichts, mir reicht es was uns Backmann beibringt. Als Bauer brauche ich nicht mehr und wenn ich auf dem Feld bin ist es mir egal wie viel fünf mal dreizehn ist. Aber auf den Traktor bin ich gespannt. Und du darfst ihn dann später auch fahren“ fragte er ungläubig.

      „Ja, das hat mein Vater so gesagt“ war Peters Antwort „ich bin riesig gespannt wie die Maschine funktioniert.“

      Zu Hause ging er in seine Kammer, der Tag war ereignisreich gewesen und hatte für ihn Überraschungen gebracht. Niemals hätte er damit gerechnet, dass es ihm seine Familie ermöglichen würde mehr als die anderen zu lernen. Er wusste, dass das Geld manchmal knapp war wenn die Erträge nicht so hoch waren oder die Preise für das Getreide oder das Vieh zurückgingen. So war er fest entschlossen seinen Eltern und seinem Großvater diesen Vorschuss auf sein Leben irgendwann mit Zinsen zurück zu zahlen und für sie zu sorgen, wenn sie sich auf das Altenteil zurückzogen. Er glaubte, dass sein Vater die Sache so entschieden hatte, in Wahrheit war es sein Großvater gewesen, der selbst noch einmal mit Backmann gesprochen hatte. Die beiden kannten sich seit vielen Jahren und mit dieser Vertrautheit zueinander konnte der alte Mann einen verträglichen Preis für den Unterricht aushandeln.

      „Dem Jungen soll es einmal besser gehen als uns“ hatte er dem Vater und seiner Mutter gesagt „er ist klug und es wäre schade, wenn er immer nur ein Bauer bleibt. Meine Tage sind gezählt, und was soll ich mein Geld noch zusammenhalten, das Erbe fällt ohnehin irgendwann an euch, mitnehmen kann ich es nicht. Lasst ihn mehr lernen und kauft einen Traktor. Ich habe mit Großmann gesprochen der schon einen hat. Ich bezahle dreiviertel der Summe, ihr den Rest und es bleibt auch noch eine Reserve für schlechte Zeiten. Wir haben noch nie Probleme gehabt unser Getreide zu verkaufen, und mit so einer Maschine sind wir schneller und können vielleicht noch ein paar Schweine und Kühe mehr halten. Ich weiß Walther, du bist der Bauer, aber höre diesmal auf mich, es ist eine gute Lösung.“

      Es waren keine weiteren Worte nötig gewesen. Als der Vater nickte holte der Alt Bauer den Schnaps aus dem Schrank und die Männer tranken schweigend. Beide waren vor das Haus gegangen und sich auf eine Bank gesetzt, dann hatten sich eine Pfeife angesteckt und hingen ihren Gedanken nach.

      Der alte Backmann wohnte in der oberen Etage des Schulgebäudes. Zwei Zimmer standen ihm zur Verfügung und Peter Becker sah beim Hereinkommen, dass das Schlafzimmer mehr ein Verschlag war, gerade groß genug um das Bett, einen Schrank und einen Waschtisch aufzunehmen. Die Stube war größer, und an der Wand stand ein Sofa. Um den mittig platzierten Tisch waren drei Stühle gruppiert und vor dem Fenster fand sich noch Fläche für eine Kommode. An der anderen Wand reihten sich Bücher über Bücher in einem Regal. Alles in allem war der Raum so eingerichtet, dass sich ein allein lebender Mann dort durchaus wohlfühlen konnte. Backmann war für Peter zum einen Respektsperson, zum anderen machte er sich wie die anderen über ihn lustig, denn dessen viel zu kurzen Hosen wurden nur mit Hilfe von Hosenträgern am dürren Körper des Lehrers gehalten und der Rock den er trug, hatte auch schon bessere Tage gesehen, wovon auch die Flicken an den Ellbogen zeugten. Dazu kam, dass Backmann seit einer Kinderlähmung über seltsam verdrehte Knochen verfügte, die ihn für jegliche Arbeit in einer Wirtschaft untauglich machte, und er aufgrund dieser Erkrankung auch noch von geringem Wuchs war. Hätte man ihn auf ein Feld gestellt wäre der Eindruck nicht falsch gewesen eine Vogelscheuche zu sehen, zumal er auch die Angewohnheit hatte, beim Reden mit den Armen herumzufuchteln. Im Gegensatz zu seiner schmalen Gestalt bedeckte ein kräftiger und struppiger Vollbart sein Gesicht, nur die wachen Augen zeigten an, dass man es keineswegs mit einem Irren zu tun hatte. Um den Kontrast dieses Menschen komplett zu machen war ihm eine tiefe Bassstimme gegeben worden und es gab durchaus Momente, dass sein Brüllen durch das Schulgebäude dröhnte, wenn die Halbwüchsigen es wieder einmal zu toll trieben. Im Dorf wurde gemunkelt, dass seine Vorfahren aus Galizien stammen sollten, seinem Aussehen nach waren diese Gerüchte nicht abwegig.

      Backmann galt somit als seltsamer Vogel aber genoss auch eine Art Anerkennung bei den Dörflern, denn er verzichtete darauf die Kinder körperlich zu züchtigen, und wenn ein Bauer einen Vertrag abschließen wollte oder sich darüber unklar war welche Preise er verlangen könnte war er derjenige, der die richtigen Erklärungen fand. Er schien genügsam zu sein, denn der einzige Luxus den er sich leistete war etwas Tabak, den er manchmal im Dorfladen kaufte. Das war auch die Währung für die Ratschläge die er gab, von seinem Verdienst als Lehrer konnte er die Wohnung bezahlen und Kleidung brauchte er augenscheinlich nicht, mit zwei Hosen, drei Jacken und einem schäbigen Mantel kam er durch alle Zeiten des Jahres.

      Eine Frau, die ein wenig ein Auge auf ihn warf gab es nicht, er lebte schon immer allein und seine Eltern waren früh gestorben. So hielten sich auch hartnäckige Gerüchte, dass er in Wahrheit ein vermögender Mann sei, denn der Verkauf des Hofes hätte viel Geld einbringen müssen und manche wollten wissen, dass er bei der Bank in Stadt ein gut gefülltes Konto führte. Seltsamerweise gab es zwei feste Termine im Jahr in denen Backmann das Dorf für gut zehn Tage verließ, wohin er reiste wusste niemand, und das gab den Spekulationen zwangsläufig weiteren Auftrieb. In der Schankwirtschaft kam es zu diesen Zeiten immer zu erregten Diskussionen darüber wo sich Backmann aufhielt, und die Palette der Mutmaßungen reichte von einem Ferienhaus an der Ostsee bis hin zu einer heimlichen Geliebten, was bei seinem Aussehen zwar wenig wahrscheinlich war, aber man wusste ja nie, ob sein eventuell vorhandener Reichtum so etwas ermöglichte. Jedenfalls schossen die Verdächtigungen schneller ins Kraut als das Getreide wuchs und jedes Mal wurde der Tag mit Spannung erwartet, an dem er wieder in das Dorf zurückkehrte. Zu aller Enttäuschung traf kein neu eingekleideter Backmann ein, sondern der Mann kehrte genau in den abgerissenen Sachen zurück, in denen er das Dorf verlassen hatte, er brachte auch keine Frau von seiner Reise mit. Da er sich nur jeden Sonntag in der Gastwirtschaft auf ein Bier sehen ließ, ansonsten verließ er seine Wohnung nur um Tabak im Laden zu besorgen, und jeden Gesprächsversuch mit Schweigen quittierte, kam man der Lösung des Rätsels keinen Schritt näher. Die Neugier war so groß, dass die Eltern ihren Kindern auftrugen Backmann in der Schule genau unter die Lupe zu nehmen, etwa, ob er neue Sachen trug oder sich sonst irgendwie veränderte.

      Mit dieser Melange an Gefühlen trat Peter zu seiner ersten Unterrichtsstunde an und er fand einen Lehrer vor, der entspannt in einem Buch las.

      „Setzt dich an den Tisch, mein Junge“ begrüßte er ihn und legte das Buch beiseite.

      „Ich nehme nicht jeden als Schüler, aber dein Großvater und ich sind alte Freunde und deine Eltern geben ihr sauer verdientes Geld damit du mehr lernen kannst als die anderen. Bei manchen deiner Freunde wäre es auch nicht sehr sinnvoll, die bleiben ihr Leben lang einfache Bauern, bei dir sieht es anders aus. Ich habe so viele Schüler gehabt dass ich erkennen kann, wo es sich lohnt. Merke dir, andere, nämlich deine Eltern, verzichten für dich, und das solltest du immer bedenken, wenn es dir vielleicht auch manchmal zu viel wird. Das wird kein Spaß werden und wenn ich feststelle, dass du nicht bei der Sache bist, beenden wir den Unterricht sofort.“

      An diesem Tag brachte er Peter bei, wie man große Zahlen dividierte, und der Junge sah einen anderen Lehrer vor sich, als in der überfüllten Dorfschule. Backmann hatte die seltene Gabe, sich auf den Wissensstand seiner Schüler zu begeben, und genau auszuloten, wie deren Gedanken spielten. Mehrfach schickte er Peter in kleinere Denkfallen und zu seiner Freude stellte er fest, dass der Junge sich davon nicht beirren ließ, sondern diese mit seinem zweifellos analytischen Verstand umkurvte. Am Ende der Stunde dröhnte Peter der Schädel und Backmann drückte ihm mit einem Grinsen ein Stück Papier in die Hand: seine Hausaufgaben.

      „Nun, СКАЧАТЬ