Lebenswege - Eine ostpreußische Familiengeschichte. Frank Hille
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Название: Lebenswege - Eine ostpreußische Familiengeschichte

Автор: Frank Hille

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783737538183

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СКАЧАТЬ mit ihren fünf und sieben Jahren noch nicht wissen worum es ging. Die nächsten drei Tage würde er mit ihnen verbringen, und nachdem sie etwas Brot und Marmelade gegessen hatten, gingen sie aus dem Haus. Peter fühlte sich zwischen den Häusern, die die laute Straße einrahmten, unwohl und das Fehlen jeglichen Grüns machte ihm deutlich, dass er die heimatliche Weite und Freiheit vermisste. Die Jungen führten ihn durch die Straßen und drückten sich an den Fensterscheiben der Geschäfte die Nasen platt, ein Wohnungsblock reihte sich an den anderen und nach kurzer Zeit hatte er keine Vorstellung mehr wo er sich befand. Erst der Anblick eines Flusses, der die Stadt in zwei Hälften teilte, weckte die Hoffnung, dort ein Stück Natur wiederzufinden. Seine Enttäuschung war groß als er sah, dass die Menschen das Wasser zu beiden Seiten in Mauern gezwängt hatten, um darauf Fußwege anzulegen. Von der ursprünglichen Kraft des Stromes war nicht viel übrig geblieben, er kam ihm vor wie in Ketten gelegt und im Gegensatz zu dem klaren Wasser ihrer Seen malmte hier ein dreckiges Gebräu flussabwärts, das zudem noch faulig roch. Als er sich weiter umsah erkannte er, dass aus Rohren, die zu Fabriken am Fluss führten, flockendes Wasser schäumte und sich mit der braunen Brühe vermischte, Abwasser aus Produktion jeglicher Art. Die beiden Jungen führten ihn zu einer Stelle an der sie ein Stück zum Fluss hinabsteigen konnten. Direkt neben einem Kanal aus dem stinkendes Wasser kam nahmen sie Steine und warfen sie in den Fluss. Scheißbrocken trieben vorbei und Peter wusste, dass sie sich neben einem Zulauf aus der Kanalisation befanden. Von seinem Vater hatte er früh gelernt, dass ein Landwirt oder Fischer die Natur nutzen, aber auch bewahren musste, um auf Jahrzehnte hin von ihr zu leben. Hier sah er nur Zerstörung und er ahnte, dass die kräftig pulsierende Stadt die wenigen Stellen, die der Mensch noch nicht mit Häusern oder Fabriken gepflastert hatte, in absehbarer Zeit auch unter sich begraben würde. Sie streiften noch ein wenig durch die Häuserschluchten und sein Unbehagen nahm zu, selbst im Haus gab es keine Ruhe, zwei Frauen schrien sich im Treppenhaus an, aus der kleinen Werkstatt im Innenhof hörte er das Rasseln von Maschinen. Zum Abendbrot fragte ihn der Bruder seines Vaters nach seinen Eindrücken.

      „Ach, alles ist schneller, lauter und schmutziger als bei uns, so richtig gefällt es mir nicht“ war seine Antwort.

      Der Mann lachte.

      „Das ging mir zum Anfang genauso, aber man gewöhnt sich daran. Schau mal, am Sonntag fahren wir mit der Straßenbahn ins Bad, essen Eis und spielen Federball. Und an diesem Tag müssen wir nicht arbeiten, du gehst doch aber früh in den Stall, oder?“

      Peter Becker nickte, das tat er, aber dieser eine Tag hatte ihm klar gemacht, dass die Stadt nicht sein Platz werden würde. Wohl oder übel würde er die kommenden Tage noch hier verbringen, was er seinem Vater sagen würde stand für ihn aber bereits fest.

      Der Großvater war mit dem Pferdewagen vor dem Bahnhof vorgefahren um seinen Enkel abzuholen. Als Peter Becker ihn beim Verlassen des Gebäudes sah wurde ihm warm ums Herz und unwillkürlich beschleunigte er seine Schritte. Der Großvater brummte nur „da bist du ja wieder“ als er auf den Wagen geklettert war und die nächsten Minuten schwiegen sie. Der Junge nahm die Landschaft heute mit ganz anderen Augen wahr, der Himmel spannte sich blau über das Land, Vögel kreisten über den Feldern und beim Blick von dem langsam voranzuckelnden Wagen sah er, dass die Getreideernte dieses Jahr gut ausfallen würde, die Pflanzen standen gut. Er sprang vom Wagen, riss zwei Garben aus, und wieder zurück auf dem Wagen zerrieb er die Ähren zwischen den Händen, lächelnd schaute ihm der Großvater zu. Peter fiel auf, dass das fortlaufende Dröhnen der Stadt aus seinem Kopf verschwand und er die Schreie der kreisenden Vögel hören konnte, sonst störte nichts die Ruhe des Tages, die Langsamkeit des Vorankommens stand im Gegensatz zu der Betriebsamkeit der Stadt. Als das Dorf in Sicht kam ließ der Großvater das Pferd traben und beim Einbiegen in den Hof sah er die Mutter und seine Schwester aus dem Schweinstall kommen. Er sprang ab, lief auf seine Mutter zu und versuchte eine Umarmung zu vermeiden, sie drückte ihn aber fest an sich.

      „Schön dass du wieder da bist, du hast uns gefehlt“ sagte sie sanft.

      „Ihr mir auch“ erwiderte der Junge.

      „Wo ist der Vater“ wollte er noch wissen obwohl er die Antwort selbst kannte.

      „Er wird in zwei Stunden vom Feld kommen“ entgegnete die Mutter.

      Peter Becker ließ seinen Blick schweifen, alles hier war ihm vertraut und er sog den typischen Geruch des Bauernhofes ein, Städter würden die Nase rümpfen, denn diese Mischung von frischer Luft und dem Dung der Tiere wäre für sie fremd. Sie waren an die Rauchwolken gewöhnt die die Fabriken ausspuckten, und an den Dieselgestank, den die Autos produzierten.

      Die Mutter hatte zum Abendessen zwei Gläser mit eingemachter Wurst geöffnet, Gewürzgurken auf den Tisch gestellt und einige Tomaten aus ihrem Garten geerntet. Das frische Brot duftete verführerisch. Der Großvater stieg in den Keller und brachte drei Flaschen kühles Bier herauf. Als er den verwunderten Blick seines Enkels sah trat ein Lächeln auf sein Gesicht. Am Tisch war die Sitzordnung festgelegt, der Bauer saß am Stirn Ende, seine Frau zu seiner Linken und der Alt Bauer rechts neben ihm, die Kinder am unteren Ende der Tafel. Der alte Mann stellte jeweils eine Flasche Bier auf den Platz des Vaters und seinen eigenen, die dritte schob er mit einer schnellen Bewegung über den Tisch auf Peter zu der sie überrascht packte. Als der Vater den Raum betrat ging er auf seinen Sohn zu und gab ihm die Hand, dann setzte er sich.

      „Heute ist ein wichtiger Tag“ sagte er.

      „Ich habe mit deinem Großvater und deiner Mutter in deiner Abwesenheit eine Sache beraten, die von deiner Entscheidung abhängig sein wird, ob du in die Stadt gehen willst. Hast du schon eine Wahl getroffen?“

      Mehr Ansprache hatte der Junge von seinem wortkargen Vater nicht erwartet, seine Antwort hatte er sich lange bereit gelegt.

      „Ja Vater“ erwiderte Peter „in der Stadt will ich nicht leben. Ich bleibe hier, auch wenn ich nicht mehr viel in unserer Schule lernen kann, aber es gibt ja auch Bücher. Ich will Bauer werden, etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen. Aber ein Bauer, der auch mit Maschinen umgehen kann.“

      Der Vater schaute ihn an und Peter meinte, dass sein Blick anders wäre als sonst, sanfter und offener.

      „Gut, die Möglichkeit sollst du haben. Backmann, dein Lehrer, ist bereit, dir gegen etwas Geld noch mehr beizubringen und auch Bücher auszuborgen. Das bedeutet, dass du jeden zweiten Tag am Nachmittag eine Stunde zu ihm gehen wirst. Natürlich wirst du dadurch bei der Arbeit fehlen, wir haben uns deshalb entschieden einen Traktor zu kaufen, dein Großvater gibt den Großteil seines Ersparten, Mutter und ich den Rest. Am Sonnabend fahren wir drei nach Kronstadt, dort sehen wir uns die Maschine an, über den Preis sind wir uns mit dem Händler schon einig. Für den Traktor wirst du dann mit zuständig sein, du und ich werden ihn fahren, der Großvater kümmert sich um die Arbeiten mit den Pferden. Aber er bringt uns beiden vorher bei wie man diese Maschine bedient, damit kennt er sich ja aus. Ab heute bist du für uns der Jungbauer, damit ist nichts weiter verbunden als die übliche Arbeit, aber du wirst den Hof eines Tages von mir übernehmen. Und als Jungbauer hast du das Anrecht, mit mir und dem Altbauern auch zu einer besonderen Gelegenheit eine Flasche Bier zu trinken. Für dich bleibt das aber noch eine Ausnahme.“

      Der Vater ließ den Verschluss der Falsche aufploppen und Peter versuchte es auch, erst als er Kraft aufwendete konnte er den Bügel zurück schnappen lassen und der Duft des Bieres stieg ihm in die Nase. Der erste Schluck schmeckte bitter, sehr ungewohnt, da er sonst nur Tee trank, aber schnell breitete sich Wärme in seinem Körper aus und er fühlte sich leicht benommen. Die Männer sahen ihn aufmerksam an und der Großvater grinste breit.

      „Und, wie ist es, das erste Bier zu trinken“ wollte er wissen.

      „Ziemlich СКАЧАТЬ