Название: Lebenswege - Eine ostpreußische Familiengeschichte
Автор: Frank Hille
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783737538183
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Der Großvater nickte erleichtert und Richter fuhr fort.
„Schauen Sie sich die Maschine an, ich brauche noch eine halbe Stunde. Muss meinen Leuten noch ein paar Anweisungen geben, heute kommt zwar kein Kunde mehr aber die sollen schon noch was tun. Arbeitssachen habe ich im Büro, das wird ja keinen bei Ihnen stören wenn ich in diesem Aufzug ankomme, die anderen Sachen packe ich ein. Also bis bald.“
Als er fortgegangen war räusperte sich Peters Vater, bislang hatte er geschwiegen, das Gespräch hatte nur zwischen Richter und dem Großvater stattgefunden.
„Vater“ sagte er zum Großvater „am Montag müssen wir mit dem Traktor auf das Feld, können wir das bis dahin lernen? Wenn nicht, sind wir für alle Tage blamiert.“
„Jetzt reicht es“ erwiderte der Großvater „wenn du nicht traust dann fahre ich die Maschine, oder Peter“ fügte er hinzu.
„Außerdem kommt Herr Richter mit, und der wird es uns schon richtig beibringen Jetzt ist es Mittag, in zwei Stunden sind wir wieder auf dem Hof und da bleibt auch heute noch genug Zeit etwas zu tun. Wenn ich es damals gelernt habe den Schlepper zu fahren, dann könnt ihr das auch.“
Richter kam in einer Arbeitskombi zurück, einen kleinen Koffer warf er auf den Pferdewagen, dann drehte er die Anlasser Kurbel. Der Motor erwachte blubbernd, blauer Auspuffqualm stieg auf und mit einem Nicken stieg er auf den Fahrersitz. Er legte den ersten Gang ein und der Traktor setzte sich langsam in Bewegung, der Pferdewagen folgte ihm im gebührenden Abstand, denn das Pferd war unruhig geworden. Schnell ließen sie die Stadt hinter sich und nach einer Weile hielt Richter an und kam zum Wagen.
„Willst du bei mir mitfahren Junge“ fragte er Peter.
„Natürlich“ sagte er begeistert.
„Sie auch“ fragte er noch Peters Vater.
Dieser nickte stumm.
Beide folgte dem Mann und fanden hinter dem Sitz rechts und links einen Platz, von dem aus er sehen konnten, was der Mann tat.
Richter trat ein Pedal, bewegte einen Hebel, nahm den Fuß von dem Pedal und trat wiederum eines, welches sich rechts von ihm befand, dann setzte sich der Traktor in Bewegung.
„Passt auf“ rief ihnen Richter über die Schulter zu „ich trete jetzt die Kupplung hier links“ er zeigte auf das Pedal, „dann lege ich den zweiten Gang mit diesem Hebel ein“ er schob den Hebel in einer Führung nach rechts, „und jetzt gebe ich mit dem rechten Pedal Gas. Und mit dem Pedal daneben kann man bremsen, aber dazu muss der Gang ausgekuppelt werden oder der Motor in den Leerlauf geschaltet werden.“
Es ruckte ein wenig und der Traktor fuhr schneller, Richter hielt das Lenkrad mit beiden Händen und als Peter hinter sich blickte sah er, dass der Pferdewagen schon ein Stück zurückgeblieben war. Er klopfte Richter auf die Schulter, der sah was er meinte und hielt an.
„So Herr Becker“ sagte er zu Peters Vater „probieren Sie es jetzt aus, hier ist kein Verkehr mehr.“
Er stieg ab, verstellte den Fahrersitz und Walther Becker nahm Platz.
Richter saß jetzt hinter ihm und gab Anweisungen.
„Pedal drücken, Hebel nach rechts, das Pedal langsam loslassen und rechts Gas geben“ hörte der Junge und sein Vater versuchte alles so zu tun. Das Einlegen des Gangs gelang ihm gut, aber als er das Pedal losließ ruckte der Traktor nach vorn und der Motor ging aus.
„Kein Beinbruch“ sagte Richter „dazu braucht man Gefühl. Schieben Sie den Hebel wieder in die Mitte, das ist der Leerlauf, ich lasse den Motor an.“
Als der Diesel wieder tuckerte unternahm Peters Vater den nächsten Versuch, es missglückte wieder und der Traktor machte einen Satz vorwärts, aber beim dritten Anlauf ließ er das Pedal langsam und vorsichtig los, und die Maschine rollte an.
„Jetzt Gas geben“ rief Richter, und als Walther Becker das Pedal nach unten drückte setzte sich das Fahrzeug gemächlich in Bewegung. Peter war euphorisch, sein Vater lenkte einen Traktor, ohne vorher jemals so eine Maschine dirigiert zu haben. Als Richter ihm bedeutete den nächsten Gang einzulegen gelang es ihm ohne Mühe.
„Halten Sie mal an“.
Er sprang von der Maschine die vor sich hin tuckerte, stellte sich daneben und wartete, dass der Pferdewagen herankam.
Sein Großvater sah seinen Sohn ungläubig an, der Bauer konnte Traktor fahren. Walther Becker konnte ein triumphierendes Lächeln nicht unterdrücken und der Großvater schlug ihm anerkennend auf die Schulter.
„Du Teufelskerl, das ging ja schnell.“
Peter sah, wie erleichtert sein Vater war, und von seinem Gesicht ging ein Strahlen aus, das Peter bei ihm selten gesehen hatte. Dieser bedächtige und ruhige Mann, der nie davor ein Interesse für Maschinen gezeigt hatte und diese nicht für erforderlich gehalten hatte, hatte sich selbst und seine Zweifel überwunden, den Traktor nicht beherrschen zu können. Keiner wusste, dass er in den vorigen Nächten keinen Schlaf gefunden hatte, denn es war ihm sehr bewusst gewesen, dass er selbst die Maschine in das Dorf fahren musste, wenn er nicht zum Gespött der anderen Bauern werden wollte. Nur seine Frau sah ihn in den Tagen vor der Abholung abends manchmal heimlich in dem Handbuch blättern, das er von dem ersten Besuch beim Händler mitgebracht hatte. Er lernte die Handgriffe zur Bedienung der Maschine auswendig aber ahnte, dass es durchaus etwas anderes sein würde, dies dann tatsächlich zu tun, und seine Unsicherheit war groß gewesen, ob er die Sache meistern könnte.
Jetzt war er bereit, sich die Qualen der letzten Tage mit einem gekonnten Einzug in das Dorf vergelten zu lassen. Es lag ihm fern sich als besser hinstellen zu wollen als die anderen, aber sie sollten sehen, dass er als einer der ersten in der Lage war, den Fortschritt in ihr Dorf zu bringen, auch wenn er sich selbst lange dagegen gesträubt hatte.
Die Männer besprachen noch sich noch einmal kurz, dann stieg der Vater auf den Fahrersitz und Richter hockte hinter ihm, nur für den Fall, dass es ein Problem geben könnte, es sollte eine perfekte Vorstellung werden.
Einzug ins Dorf, Ostpreußen, Ende der 1930iger Jahre
Sie hatten vereinbart, dass der Großvater und Peter mit dem Pferdewagen vorfahren sollten, um möglichst viele Neugierige an die Dorfstraße zu locken. Die Rechnung ging auf. Am späten Nachmittag dieses Sonnabends saßen viele der Bauern schon auf den Bänken vor ihren Höfen, nur noch wenige waren auf den Feldern und die Fischer fuhren ohnehin schon in der Frühe auf die Seen hinaus, sie waren mit ihrer Arbeit für diesen Tag fertig. Natürlich hatte es sich herumgesprochen, dass der Becker Bauer heute seinen Traktor holen wollte, so ganz zufällig hatten sich die Zuschauer also nicht eingefunden. Der Traktor tuckerte die Dorfstraße entlang. Peters Vater hatte sich die Mütze tief in die Stirn geschoben um die Anspannung, die sich in seinem Gesicht spiegelte, nicht zu zeigen, dennoch steuerte er die Maschine so, als hätte er seinen Lebtag lang nichts anderes getan. Als er in den zweiten Gang schalten wollte knirschte es zwar vernehmlich, aber nach einem kurzen Ruck wurde der Traktor noch schneller und die СКАЧАТЬ