Название: Zwischen meinen Inseln
Автор: Ole R. Börgdahl
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783847621041
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Ua Huka, 18. August 1911
Ich war kaum eine Woche wieder auf Ua Huka, als mich ein Brief von Vater erreichte. Er will im September nach Tahiti. Ich wusste nicht, dass es schon so bald sein sollte. Vater schreibt, dass er aber Weihnachten wieder auf Nuku Hiva sei. Weihnachten, das ist so lang hin. Ich bin verwirrt und mir über meine Gefühle nicht ganz im Klaren. Ich sehe Onoo plötzlich ganz anders, ich sehe seine Familie ganz anders. Ich brauche Zeit für mich, ich hätte noch länger bei Vater bleiben sollen, solange bis zu seiner Abreise. Ich überlege auch, sofort nach Taiohae zu fahren und ein paar Tage Abstand von alldem hier auf Ua Huka zu finden.
Ua Huka, 20. August 1911
Onoo spricht schon über den Tag, den er aber nicht richtig benennt. Ich weiß, dass es der Tag unserer Verlobung sein soll. Onoo selbst würde mich auch lieben, ohne dass dieser Tag kommt, aber ich glaube seine Familie hat Einfluss auf ihn. Er ist ein folgsamer Sohn, das erkenne ich immer mehr und es erschreckt mich. Warum können Onoo und ich nicht einfach so glücklich sein. Ich habe plötzlich eine Idee, ich werde Vater begleiten und ich werde Onoo bitten, mir zu folgen, wenigstens für ein paar Wochen. Ein paar Wochen mit ihm auf Tahiti. Dann wüsste ich auch, wie ich zu ihm stehe.
Ua Huka, 31. August 1911
Es ist eine Entscheidung gefallen. Onoo lässt mich gehen, aber er macht keine Anstalten, mir zu folgen. Ich habe ihm erklärt, dass es nicht für lange ist, dass ich ihm Tahiti, dass ich ihm die Welt zeigen will, von der ich ihm so viel erzählt habe. Ich habe bisher nur mit Onoo gesprochen und er hat es keinem anderem aus seiner Familie erzählt. Das ist die erste Enttäuschung. Ich will wissen, was sein Vater, seine Mutter denken und ich will sehen, wie Onoo zu mir steht, wie er die Verlobung verschiebt, über die mich bisher noch keiner aufgeklärt hat. Er tut aber nichts. Er wartet nur ab. Ich habe Vater einen langen Brief geschrieben. Er soll mich von Ua Huka abholen und dann werde ich sehen, wie sich Onoo verhält. Vielleicht ist eine kurze Trennung auch sehr gut für uns. Ich kann jederzeit aus Tahiti zurückkehren, zurück zu Onoo. Ich werde es sehen. Ich weiß nicht, wann Vater kommt.
Papeete, 14. September 1911
Seit einer Woche sind Vater und ich auf Tahiti. Es gab keinen Brief, Vater ist selbst gekommen und hat mich abgeholt. Es ist alles so geschehen, wie ich es befürchtet habe. Onoo war traurig, das habe ich gespürt, gezeigt hat er es aber nicht. Seine Familie hat sich nicht eingemischt, zu groß war der Respekt, den sie vor Vater hatten. Er ist einfach nur auf die Insel gekommen. Er kam alleine zum Gut der Ropaatis, zu Pferd. Wir haben eine halbe Stunde miteinander gesprochen. Vater hat mich gefragt, ob ich mir mit meiner Entscheidung sicher bin. Ich habe es bejaht. Ich habe dann einen Teil meiner Sachen gepackt, nicht alles, ich wollte nicht, dass es wie ein Abschied für immer aussieht und das soll es ja auch nicht sein. Wir sind dann zu Fuß ins Dorf und zum Anleger gegangen. Vater hat das Pferd am Zügel gehalten. Onoo hat uns begleitet. Wir haben den ganzen Weg nicht miteinander gesprochen, aber Onoo hat meine Hand gehalten. Ich war überrascht, dass das große Postschiff vor Reede lag. Ein Boot wartete auch schon. Wir sollten sofort nach Tahiti aufbrechen. Vater hat mir und Onoo noch fünf Minuten gegeben. Er hätte uns auch mehr Zeit zugestanden, aber es war nicht notwendig. Ich habe Onoo nichts versprochen und er mir auch nicht. Onoo weiß, wo er mich finden kann und ich weiß, wo er und seine Familie auf mich warten, wenn sie noch warten, wenn das Kapitel Julie de Bois für sie nicht schon zu Ende ist. Ich habe in den letzten Monaten verstanden, wie diese Menschen denken. Ein Sohn braucht irgendwann eine Frau, mit der er das Gut, das Land seiner Ahnen fortführt. Julie de Bois war akzeptiert, Julie de Bois hätte diese Frau sein können, ich bin mir nur nicht sicher, ob ich es jemals will, es kommt doch auch auf mich an. Ich liebe Onoo und ich hoffe er bricht mit seinen Traditionen, wenigstens sollte er es versucht haben, nur das eine Mal, um für sein Leben zu wissen, was der richtige Weg ist. Ich möchte dies wissen. Ich warte jetzt auf Onoo. Ich schreibe ihm keine Briefe, ich habe ihm alles gesagt, was zu sagen war, jetzt muss er handeln. Es kann aber auch sein, dass ich handele, dass ich nach ein paar Wochen das nächste Schiff nehme und zu meinen Inseln vor dem Winde zurückkehre, zu Onoo zurückkehre und seine Bäuerin werde, ein Teil seiner Familie werde.
Papeete, 21. September 1911
Vaters Pläne haben mich überrascht. Vor sechs Jahren hat er seinen Dienst quittiert, aber wir sind auf den Inseln geblieben. Jetzt zieht es ihn fort. Wir haben gemeinsam überlegt, was uns die Zukunft bringen kann. Ich habe dabei auch wieder an Onoo und mich gedacht. Vater und ich haben aber auch über Mutter gesprochen. Vater wollte eigentlich nicht mehr nach Frankreich zurückkehren, aber er hat ernsthaft überlegt, es zu tun, endlich mit Mutter ins Reine zu kommen. Mutter hat ihn verstoßen, ich muss zu Vater halten. Vater meint, dass Mutter bis heute nicht weiß, dass ich noch lebe. Sie hat Vaters Briefe nie beantwortet und er hat ihr doch so oft geschrieben, dass er mich auf Maui wiedergefunden hat, dass ich gerettet wurde. Mutter glaubt, dass Vater mich getötet hat. Ich kann mich nicht mehr gut an Mutter erinnern, ich habe eigentlich keine Erinnerung mehr an sie. Vater möchte noch einmal schreiben und dabei weiß er gar nicht, wo Mutter heute lebt. Vater soll es versuchen, ich stehe zu ihm.
Papeete, 1. Oktober 1911
Vater und ich haben wieder lange gesprochen, wir sind auf Pferden die Küste entlang geritten, bis hin zu einer Bucht, bis nach Orofara. Vater ist schon früher oft dort gewesen. Die Bucht ist sehr einsam, genügend Ruhe um nachzudenken und um zu sprechen. Wieder steht eine Entscheidung an. Die Frage ist, ob ich auf Tahiti bleibe und Onoo und mir noch eine Chance gebe. Onoo hat sich nicht bei mir gemeldet, er ist nicht zu mir nach Tahiti gekommen und er hat auch nicht geschrieben. Ich habe ihm das Schreiben beigebracht, jetzt könnte er es nutzen, jetzt hätte es einen so wichtigen Sinn. Vater hat ein Ziel, er will Polynesien verlassen, wir haben über Australien gesprochen. Wann und ob wir nach Australien gehen, hängt von mir ab. Vater wird mich nicht alleine lassen, noch ist er für mich verantwortlich. Ich habe mit ihm über Onoo gesprochen. Vater toleriert meine Liebe zu ihm, das hat er früher ja schon öfter betont. Er sagt, ich sei jung, ich dürfte eine solche Liebe haben. Ich weiß nicht, ob ich Vater verstanden habe. Ich weiß nicht, ob er von alldem weiß, ob er es für ernst genommen hat, dass man von mir erwartet, eine Familie mit Onoo zu gründen. Weiß er es überhaupt, hat es ihm jemand gesagt? Wenn ich das Leben auf den Inseln liebe, dann können wir noch einige Jahre dort leben. Ich habe mich in den letzten Monaten immer mehr von Vater entfernt, das habe ich jetzt eingesehen. Vater kennt mich nicht mehr, ich bin eine Frau geworden. Ich werde eine Entscheidung treffen, und zwar sehr schnell. Entweder entscheide ich mich sofort für Onoo und beuge mich den Wünschen seiner Familie oder ... Es kann auch einen Abschied für länger geben, ich hoffe nicht für immer. Ich kann in einigen Jahren einen Neubeginn machen, wieder nach Ua Huka zurückkehren und von vorne beginnen. Es würde mir leichter fallen, wenn ich in dieser Zeit Onoo bei mir hätte, wenn wir beide diese Distanz zu unserem bisherigen Leben aufbauen können, um dann gestärkt zurückzukehren und das vorgegebene Leben zu leben. Es schmerzt mich, dass ich die ganze Zeit nichts von Onoo gehört habe. Jeden Tag hoffe ich darauf, dass er plötzlich vor mir steht und meine Hand nimmt und an meiner Seite bleibt.
Papeete, 5. Oktober 1911
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