Zwischen meinen Inseln. Ole R. Börgdahl
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Название: Zwischen meinen Inseln

Автор: Ole R. Börgdahl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783847621041

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      Brisbane, 28. Mai 1912

      Tom ist schon drei Wochen alt. Ich finde erst jetzt die Kraft und Zeit, meinem Büchlein wieder ein paar Zeilen anzuvertrauen. Ich habe bis kurz vor Pfingsten im Krankenhaus gelegen. Die Geburt war sehr anstrengend, obwohl ich es jetzt, nach drei Wochen, gar nicht mehr so empfinde. Mein Kind hat all dies verdrängt, das große Glück ihn in den Armen zu halten. Vater hat mitgezählt. Er sagt, ich habe mich fast fünfundsechzig Stunden gequält, zweieinhalb Tage lang, von der ersten heftigen Wehe bis zu dem Zeitpunkt, als die Hebamme mir mein Kind gegeben hat. Es ist nun doch kein Mädchen geworden. Tom, ich hatte erst an Thomas gedacht, was würdiger klingt, aber jeder wird ihn ohnehin sein Leben lang nur Tom rufen und da habe ich es gleich so festgelegt. Tom hat dunkelbraune Locken und braune Augen, wie Onoo. Seine Hautfarbe ist recht hell, ich hätte damit gerechnet, dass sie dunkler sein würde. Tom soll sich seiner Herkunft niemals schämen müssen. Er soll ein stolzer Marquesaner sein, ein französischer Marquesaner, der wohl in dem Vielvölkerstaat Australien aufwächst, so wie es scheint. Wir leben alle nicht dort, wo unsere Wurzeln sind. Dies scheint das Schicksal unserer kleinen Familie zu sein. Natürlich ist Vater ganz stolz. Es gab bisher keine Männer in unserer Familie, das hat er extra betont. Nach der Geburt habe ich noch einiges an Blut verloren, darum hat die Hebamme mich schließlich doch in ein Hospital bringen lassen. Es ist aber alles gut gegangen und sie hat mir versprochen, dass es beim nächsten Kind einfacher wird. Als sie das gesagt hat, schoss es mir für eine Sekunde in den Kopf, dass doch noch alles gut werden könnte. Mir kam in den Sinn, dass Onoo mich besucht und wir hier in Brisbane oder auf Tahiti heiraten und in den nächsten Jahren weitere Kinder bekommen würden. Dieser Gedanke beherrschte mich merkwürdigerweise nur sehr kurz, sehr, sehr kurz. Dann hatte ich plötzlich so ein Gefühl, als wenn schon alles zu spät sei, als wenn Onoo und ich nicht wieder zusammenkämen. Es hat mich nicht erschreckt und ich weiß jetzt auch warum. Ich bin bis hierhin ohne ihn gekommen. Ich werde es auch noch weiter schaffen, ohne ihn. Zum Schluss habe ich noch gedacht, dass ich ungerecht sei, weil Onoo nie die Chance hatte, etwas von seinem Sohn zu erfahren, oder doch. Wenn er auf meine letzten Briefe geantwortet hätte, dann hätte er es auch erfahren.

      Brisbane, 3. Juni 1912

      Die Formalitäten der Geburt habe ich gestern erst erledigt. Ich habe es persönlich gemacht. Vater war zunächst dagegen, doch dann hat er nichts mehr dazu gesagt, es schließlich mit einem Nicken bedacht. Ich habe Tom den Namen seines Vaters gegeben. Er heißt fortan Tom Onoo Ropaati. Einen Tom Jasoline wird es nicht geben, soll es nicht geben, denn wenn Tom seinen Vater schon nicht an seiner Seite hat, so soll er von anderen wenigstens nicht als vaterlos gehalten werden. Tom Onoo Ropaati, der Sohn der Französin Julie Jasoline und des stolzen Marquesaners Onoo Ropaati.

      Brisbane, 17. Juni 1912

      Ich habe mir den Artikel ausgeschnitten. Es gab natürlich schon vorher Zeitungsartikel, an denen Vater beteiligt war, mit seinen Fotografien beteiligt war. Jetzt hat er aber auch den ganzen Text geschrieben, zwar ohne Foto, aber der Text eines Artikels ist doch das Wichtigste. Ich denke es ist sein Erster in einer Zeitung, in der Iris. Es geht um einen Beschluss des Bürgermeisters, um die Müllabfuhr. Ich finde Vater hat es sehr verständlich dargestellt. Vater meint, es ist wichtig für Brisbane, wird aber leider den Rest der Welt nicht interessieren, wenn er aber einmal über etwas wirklich Wichtiges schreibt, kann es sein, dass es auch an richtige französische Zeitungen in Europa verkauft wird oder an andere australische Zeitungen, natürlich ins Englische übersetzt. Viel Geld hat Vater mit dem Schreiben noch nicht verdient, es ist ja auch erst ein Artikel und er wurde auch nur zum Test angenommen. Ich hoffe er bekommt weitere Aufträge.

      Brisbane, 12. Juli 1912

      Vater muss so viel lesen und schreiben, dass er zu seinem Vergnügen nur selten liest. Die Zola-Romane stapeln sich bei ihm. Ich glaube, es war doch keine gute Idee, die vielen Bücher zu kaufen und es kommen ja noch mehr und dann war es ja auch nicht billig. Gestern habe ich Vater daher etwas vorgelesen. Er hatte aus dem ersten Band, aus dem »Glück der Familie Rougon«, erst achtzig Seiten geschafft. Ich habe auf Seite dreiundachtzig begonnen und wir sind bis Seite hundertvier gekommen. Ich hoffe Vater hat auch heute Abend wieder Lust, dass ich ihm etwas vorlese. Leider fehlen mir die ersten Seiten, wenigstens hat Vater mir ungefähr erzählt, wie die Geschichte begonnen hat.

      Brisbane, 1. August 1912

      Vater arbeitet nicht mehr als Angestellter. Durch einen Bekannten ist er endgültig auf das Zeitungsgeschäft gekommen. Er macht jetzt Fotografien und schreibt auch noch mehr Artikel auf Englisch. Noch wurde nicht so viel von ihm veröffentlicht, weil er aber eine eigene Fotokamera besitzt, bekommt er ein kleines Gehalt vom Herold. Einen Artikel, den Vater geschrieben hat, möchte ich aber doch erwähnen. Es geht um die Kraft der Männer und Frauen, die nach Australien eingewandert sind. In dem Artikel wird auch Premierminister Fisher erwähnt, der vor fünfundzwanzig Jahren aus Schottland nach Australien gekommen ist. Der Artikel ist wirklich sehr gut gelungen. Dann übersetzt Vater auch noch Nachrichten aus Europa vom Französischen ins Englische. Letzte Woche ist er sogar nach Sydney gereist und hat dort recherchiert. Wir leben von seinem Einkommen und von dem, was Vater sich erspart hat. Ich habe mich nie richtig dafür interessiert, doch jetzt führe ich für uns Buch. Vater hat immer einiges von seiner Besoldung zurücklegen können, weil für uns das Leben in der Kolonie nicht sehr teuer war. Ich würde auch gern etwas zu unserem Einkommen beitragen, aber mit einem Kind, das ich zu versorgen habe, ist dies nicht so einfach. Ich bin seit fast drei Monaten Mutter und ich gehe vollständig in dieser Rolle auf. Ich weiß, dass Mutter mit Thérèse und mir um die halbe Welt gereist ist, als wir in dem Alter waren, in dem Tom jetzt ist. Tom lässt mich nachts nur selten durchschlafen. Zum Glück ist unser Haushalt nicht so groß, sodass ich mich tagsüber ausruhen kann. Vater lässt sich durch Tom aber nicht stören, wie denn auch, schließlich kann nur ich ihn stillen, wenn er in der Nacht aufwacht und zu schreien beginnt. Letzte Woche haben sich ein paar Mädchen vorgestellt. Es war Vaters Idee und ich bin ihm auch dankbar für den Vorschlag. Ich habe mir schon eine ausgesucht, sie heißt Mildred und ist sechzehn. Mir war es wichtig, dass das Hausmädchen nicht älter ist als ich selbst. Es haben sich auch einige Mamsells beworben, bei denen ich mir nicht sicher war, dass sie den nötigen Respekt aufbringen würden. Mit Mildred habe ich eine gute Wahl getroffen. Sie ist höflich und hat sich schon in den ersten Tagen bemüht, mir alles recht zu machen. Meine nächtlichen Einsätze kann sie mir natürlich nicht abnehmen, aber sonst alles andere. Ich habe jetzt auch die Möglichkeit, einmal tagsüber wieder alleine in die Stadt zu gehen, wenn Mildred auf Tom aufpasst.

      Brisbane, 17. August 1912

      Ich war am Hafen, ich bin in den letzten Tagen häufiger am Hafen gewesen. Es ist für mich Entspannung und Hoffen zugleich. Gestern hieß es, ein Frachter aus Tahiti wird erwartet. Das Schiff ist am frühen Morgen wirklich eingelaufen, beladen mit Sandelholz. Ich habe zugesehen, wie ein Teil der Ladung gelöscht wurde. Ich habe am Anfang gehofft, dass Onoo unter den Arbeitern, unter den Matrosen, sein würde, dass er sich auf diese Weise die Überfahrt verdient. Es wird eine Illusion bleiben. Ich bin auch nicht dazu da, auf ihn zu warten. Ich weiß aber auch, er wird nicht schreiben und ich weiß, es ist meine einzige Hoffnung, dass er eines Tages vor mir steht, ohne jede Ankündigung, ohne vorheriges Zeichen.

      Brisbane, 4. September 1912

      Tom besitzt jetzt ein eigenes Bankkonto, nicht einmal ich habe ein Bankkonto. Vater hat es eingerichtet, für seinen Enkel. Er ist zu einer Poststation gegangen und hat bei der Commonwealth Bank of Australia ein Konto eröffnet. Die Bank selbst hat ihren Sitz in Melbourne und Vater wollte auch erst nach Melbourne reisen, aber es geht eben auch über die Post, die alle Ein- und Auszahlungen übernimmt. Ausgezahlt werden soll aber vorerst nichts. Tom hat jetzt ein Guthaben von dreißig СКАЧАТЬ