Название: Die Jägerin - In Alle Ewigkeit
Автор: Nadja Losbohm
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Die Jägerin
isbn: 9783742769404
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Ich durchquerte blitzschnell das Zimmer und verpasste ihm eine Kopfnuss. „Schrei es doch noch lauter. Ich glaube, am Nordpol hat man dich noch nicht gehört!“, zischte ich ihm zu. Wieso musste er mich immer in Verlegenheit bringen? Ungeachtet des Schlags, den ich ihm gegeben hatte, amüsierte sich Alex köstlich über meine Reaktion, was mich nur weiter auf die Palme trieb. Mein Bruder fing mich mit seinen Armen ein, zog mich an seine Brust und drückte mich fest an sich. „Ich habe dich lieb, kleine Schwester“, sagte er über mir.
Wer’s glaubt?! Ich konnte nur daran denken, dass sein Gefühlsausbruch mein Kleid zerknitterte, meine Frisur ruinierte und ich gleich erstickte, da meine Nase halb in seiner Achsel klemmte. Ich stemmte mich gegen ihn, brachte etwas Abstand zwischen uns und sah zu ihm auf. „Heute ist Sonntag, Alex. Du hättest ruhig duschen können.“ Er runzelte die Stirn. „Unter deinen Achseln riecht es nach Schweiß“, erklärte ich ihm. Durch die Blume zu sprechen war nicht so mein Ding – zumindest nicht, wenn es ihn betraf.
Alex riss schockiert Augen und Mund auf und fasste sich ans Herz. „Du verletzt mich, Ada, ehrlich.“
„Du hast mein Styling zerstört. Jetzt muss ich es wieder in Ordnung bringen. Schönen Dank auch“, rechtfertigte ich meine verbale Retourkutsche und stieß ihn von mir fort.
Alex schnaubte durch die Nase. „Sag mir nicht, das ärgert dich. Immerhin kannst du mehr Zeit mit deinem tollen Spiegelbild verbringen.“
Ich sah ihn zornig an und machte einen Satz nach vorn. Mein Bruder sprang zurück in den Flur und verschwand. „Bleib bloß weg!“, rief ich ihm nach, streckte den Kopf aus der Tür, um nachzusehen, ob er sich in der Nähe aufhielt. Es war keine Spur von ihm zu sehen, dafür aber begrüßte mich Misses Winston, die soeben ihren Sonntagshut abnahm und an einen Haken an der Wand gegenüber von der Schlafzimmertür hängte. Ich nuschelte eine Entschuldigung, als sie mich entrüstet ansah aufgrund meines barschen Tons, und schloss die Tür.
Die Gottesdienste verliefen normal. Alles war wie immer. Doch wer genauer hinsah, dem fielen Unstimmigkeiten auf, Dinge, die nicht ins Bild passten. Als ich es das erste Mal bemerkte, schob ich es auf meine Müdigkeit. Mein schläfriger Verstand spielte mir sicher Streiche. Doch dann gab es wieder etwas, was mir ungewöhnlich vorkam. Es rüttelte mich wach, und ich wusste, ich musste aufmerksamer sein. Wovon ich rede? Michael natürlich. Stand er im Mittelpunkt des Interesses, lächelte er, stand mit erhobenem Haupt da und spendete Trost, wo er konnte. Fühlte er sich hingegen unbeobachtet, sank seine Gestalt zusammen, und seine heitere Maske brach auseinander und die Traurigkeit, die er verborgen hielt, trat an die Oberfläche. Niemand bemerkte, dass in Wirklichkeit er derjenige war, der eine starke Schulter benötigte, auf die er sich stützen konnte. In einem solchen Moment entdeckte er mich dabei, wie ich ihn besorgt musterte. Sofort knipste er den Schalter für Fröhlichkeit an: Er nahm Haltung an und lächelte. Es war alles wieder gut. Aber ich ließ mich nicht täuschen. Etwas stimmte nicht mit ihm.
„Er ist wankelmütig wie ein Schiff auf hoher See.“
Ich fuhr zusammen und fasste mir ans Herz. „Du hast mich erschreckt. Hättest du nicht einen Mucks von dir geben können?“, blaffte ich Alex an.
„‘Tschuldigung.“ Er hob beschwichtigend die Hände.
„Und woher kommt diese philosophische Ader plötzlich? Du hast nicht etwa ein Buch gelesen, oder doch?“, piesackte ich ihn.
Mein Bruder zuckte mit den Achseln. „Ich hatte ein bisschen Zeit zwischen zwei Dates.“ Natürlich. Alex, der Casanova.
„Es ist dir also auch aufgefallen?“, lenkte ich das Gespräch wieder auf das Wesentliche. Seine Augenbrauen wanderten auf seine Stirn. „Das mit dem wankelmütigen Schiff“, half ich nach. Offenbar waren ihm meine Sprünge zwischen unseren Gesprächsthemen zu rasant.
„Wem das entgeht, der muss blind sein. Ich dachte, nachdem er neulich bei der St. Mary’s Kirche war, hätte sich seine Trübsal gegeben. Anscheinend ist dem nicht so“, sagte Alex.
„Mhh“, machte ich. Moment mal! Sagte er gerade, Michael war bei der St. Mary’s Kirche gewesen? Ich packte ihn am Schlafittchen und zerrte ihn in den Flur, weg von den Zeugen, fort von Michael. „Sag das nochmal!“, zischte ich. Mit weit aufgerissenen Augen stierte ich ihn an. Ich bebte vor unterdrückter Wut. Das konnte doch alles nicht wahr sein!
Mein Bruder ließ sich durch mein aggressives Verhalten nicht beeindrucken. Er löste meine Finger vom Stoff seines Hemdes und strich die Falten glatt. „Ich habe Stunden damit verbracht, es zu bügeln.“
„Alex!“ Ich schnipste ihm mit dem Finger gegen die Stirn.
„Hey, lass das gefälligst! Ich habe nichts gemacht. Ich habe Michael vor zwei oder drei Nächten auf einer meiner nächtlichen Streifzüge dort stehen sehen. Wir haben kurz geredet. Er sagte, du wüsstest Bescheid, dass er dorthin ging, und wärest einverstanden gewesen. Ich habe das nicht in Frage gestellt. Er ist schließlich Michael. Ich hatte keine Ahnung, dass er mir glatt ins Gesicht lügen würde, was mich schon ein wenig verletzt, wenn ich ehrlich sein soll“, lamentierte er und sah in Richtung Wohnzimmer, aus dem fröhliches Gelächter drang. Ich hörte auch Michaels heraus.
Es war nicht nur so, dass er gelogen hatte. Wenn er sich nachts heimlich davon geschlichen hatte, während ich auf der Jagd war, hatte er auch unsere Tochter allein zuhause gelassen, unbeaufsichtigt. Ich schnappte nach Luft. Wie konnte er so nachlässig sein? Das passte ganz und gar nicht zu ihm. Was alles hätte passieren können! Mir wurde ganz schwindelig bei dem Gedanken. Ich hielt mich an Alex‘ Schulter fest. „Ist das schon öfter vorgekommen? Hast du ihn schon einmal dort gesehen?“, fragte ich ihn.
„Was weiß ich. Bin ich sein Babysitter?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, aber sein Adrenalin-Dealer.“
Alex‘ Mund klappte vor Empörung auf. „Willst du etwa mir die Schuld geben? Was kann ich dafür, dass der Mann sein Leben -“
„- aufs Spiel setzt“, beendete ich den Satz für ihn. „Wenn er ungeschützt rausgeht, ist das wie eine Einladung für den Tod, ihn sich zu holen.“ Alex wollte darauf etwas erwidern. Tief in seinem Innern wusste er, dass ich Recht hatte. Somit schwieg er. „Ab sofort hältst du die Augen offen und wirst den Babysitter für ihn spielen. Wenn du ihn noch einmal dort siehst oder auch irgendwo anders in der Stadt zu einer Uhrzeit, in der er eigentlich zuhause sein sollte, gibst du mir sofort Bescheid.“
Alex schluckte schwer und nickte. „Und was dann?“
Ich seufzte. „Dann bekommt er gewaltigen Ärger.“
„Wer bekommt gewaltigen Ärger? Derjenige tut mir jetzt schon leid“, sagte jemand nicht unweit von uns entfernt.
Alex und ich blickten in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, und entdeckten Michael, der Rosalie an der Hand hielt und mit ihr auf uns zukam. Hilfe suchend wandte ich mich СКАЧАТЬ