Herrschaft der Hyänen. Richard R. Bernhard
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Название: Herrschaft der Hyänen

Автор: Richard R. Bernhard

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742757319

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СКАЧАТЬ Konsortialführer beauftragt, die die Wertpapiergeschäfte abwickelt. Eine Agentur sorgt anschließend für die Finanzkommunikation, sie stellt eine Pressemappe zusammen und schreibt eine Equity Story, in der die Erfolgsgeschichte Ihres Unternehmens von der Vergangenheit in die Zukunft projiziert wird. Diese Vermittlungsstelle verfasst Pressemitteilungen, mit denen sie an die Öffentlichkeit tritt. Sie wird eine Presse-Road-Show organisieren und so Ihr Unternehmen im Kapitalmarkt bekannt machen. So soll dann eine positive Medienpräsenz bewirkt werden. Finanzjournalisten werden mit Darstellungen der Strategie, der Philosophie, der Visionen des Unternehmens das Interesse der Investoren wecken und so eine möglichst hohe Nachfrage nach Aktien auslösen.“

      Dann unterbrach Jan Beckstein spontan und warf ein, hier werde er tatkräftig mitarbeiten, Visionen habe er genügend. Nun müssten alle fleißig die geforderten Dokumente erarbeiten. Alle Mitarbeiter würden zu günstigen Konditionen das Wertpapier erwerben können und einen großzügigen Rabatt erhalten.

      Auf der Burg hatten die Mitarbeiter, die an den Dokumenten für den Börsengang schrieben, ihre Hausaufgaben gemacht. Die Pressemappe mit den umfangreichen Mitteilungen für die Presse-Road-Show lag vor.

      Die Pre-Marketing-Phase begann. Im Bookbuilding-Stadium wurden die Wertpapiere platziert, die Zeichnungsfrist und die Spanne für den Emissionspreis festgelegt.

      Am Vorabend des Börsenganges wurde die Belegschaft in den Rittersaal geladen. Im weiten Halbkreis waren im Raum um den Kamin, in dem Holzscheite brennend knisterten, so Tische gestellt, dass eine größere Parkettfläche noch frei blieb. Florian Dalheim, Vice President der Firma, die rechte Hand von Jan Beckstein, sein Gehilfe, sein engster Vertrauter, sein emsig schaffender, unermüdlich arbeitender Organisator, Kalkulator, Rechnungsführer und Controller sollte die Mannschaft informieren. Er trat auf das Parkett. Aber Jan Beckstein, mit einem leichten Lächeln auf seinem spitzbübischen Gesicht, riss das Wort an sich. Von der freien Parkettfläche, den Kamin im Rücken, verkündete Jan Beckstein großsprecherisch seine Träume. „Ihr könnt alle sehr froh sein, in einer Spitzenfirma zu arbeiten, weit und breit gibt es keine Konkurrenz. Ab morgen können wir endlich alle unsere Visionen, unsere Geschäftsträume, unsere Wünsche und Hoffnungen erfüllen. Gemeinsam sind wir stark. Wir werden einen fulminanten Start an der Börse hinlegen. Das Interesse an unseren Aktien ist riesengroß. Und ihr könnt alle zum Vorzugspreis Aktien erwerben.“

      Jan Beckstein schritt zu der neben dem Kamin postierten Ritterrüstung, griff sich den Helm und stülpte ihn sich über, nahm das große Schwert und gestikulierte damit. Bei heruntergeklapptem Visier verkündete er: „Jetzt werden wir in vorderster internationaler Liga mitspielen, wir werden gegen die Konkurrenz kämpfen.“ Seine Stimme war dumpf wahrnehmbar. Dann hob er das Visier: „Auf geht’s zu einem prächtigen Börsenstart.“

      An diesem Abend wurde gefeiert. Seitlich an der Fensterwand war ein üppiges Büfett mit erlesenen kulinarischen Spezialitäten aus dem renommierten Feinschmeckerlokal der Kreisstadt aufgebaut. Es gab Köstlichkeiten, die sich privat kaum einer gönnte. Alle waren in Vorfreuden-Stimmung. In der angrenzenden, im rustikalen Bauernstil eingerichteten Bar konnte sich jeder reichlich mit Bier und anderen Getränken versorgen. Es kam prächtige Stimmung auf. Alle fühlten sich als Mitglied eines Bundes Gleichgesinnter. Es wurde spät, ehe der Letzte gegangen war.

      Am Folgetag – am ersten Handelstag der Aktie – wurde Jan Beckstein vom Gezwitscher der Vögel geweckt, er hatte verschlafen. Eilig zog er sich an, band einen 'Kulturstrick' um, der farblich nicht recht zum Anzug passen wollte und fuhr nach Frankfurt a.M. zur Börse, in die Stadt, über die Luther als ‚des Reiches Gold- und Silberloch‘ des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation aufgrund des gigantischen Zahlungsverkehrs wetterte. Der damalige hohe Umfang finanzieller Transaktionen führte zur Knappheit der ‚guten‘ Münzen, die zum Einwechseln nicht ausreichten. Stattdessen wurden minderwertige Sorten in den Handel gebracht. Um diese Zeit entstand das Börsenwesen. So konnte sich im sechzehnten Jahrhundert Kaiser Karl V. die Stimmen deutscher Kurfürsten mit der in jener Zeit ungeheuren Summe von weit über einer dreiviertel Millionen Gulden – teils in bar, teils als Wechsel für seine Wahl kaufen. Das handelbare Wertpapier war eingeführt.

      Während sich Jan Beckstein sonst nur um die großen Themen zu kümmern brauchte, war er in dem Fall einer Verspätung schlecht auf die praktischen Einzelheiten vorbereitet. Er suchte den Großen Handelssaal der Börse. Er fragte sich durch und erreichte im Laufe des Vormittags in der Frankfurter Börse die Tafel mit der Kursanzeige. Er konnte es nicht fassen, der Kurs seiner Aktie stieg von Minute zu Minute steil nach oben, innerhalb weniger Stunden hatte der Kurs das Fünffache, wenig später das Achtfache des Ausgabepreises erreicht. Wie einem Kind blieb ihm quasi der ‚Mund offen stehen‘. Noch während er auf die Anzeigetafel blickte, hielten ihm Reporter des Fernsehens und der internationalen Presse die Mikrofone hin und baten ihn um Kommentare. Schnell hatte er sich gefasst, sein Körper straffte sich, das Burschikose verschwand langsam. Er strahlte gut gelaunt, voller Energie in die Kameras, mit originellen Wendungen fütterte er die Medienmaschine: „Ja, das ist ein fulminanter Börsenstart. Dieser großartige Erfolg hat uns nicht wie aus heiterem Himmel überrascht, schon im Vorfeld stellten wir ein großes Interesse der Anleger fest, an unserem Wachstum teilhaben zu wollen. Dieses Vertrauen spornt uns an, wir werden alle unsere Kraft, Energie und unseren Einfallsreichtum in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte stecken. Auf unserem traditionellen Sektor werden wir unsere Marktposition als international führender Spezialist ausbauen und auf der Überholspur mit hohem Tempo davonziehen. Unsere spezielle Informatik-Erfahrung wenden wir auf verschiedenen Gebieten an: biotechnologische Messtechnik, Biosensoren, Bilderkennung. Gemeinsam mit unserer Schwesterfirma haben wir einen neuartigen Test zum frühzeitigen Erkennen der Alzheimer Krankheit in der Entwicklung. Vorerst mit einem winzigen Teststreifen, später mit einem Protein-Chip und einem kleinen, etwa streichholzschachtelgroßen Gerät wird man in wenigen Minuten feststellen können, ob sich im Körper schädliche Eiweißbruchstücke befinden, die vielleicht diese Krankheit auslösen können. Das soll eine Weltneuheit werden.“

      Eine Schar von Reportern drängte sich um ihn. Jeder versuchte, durch die Gruppe sein Mikrofon an den Held des Tages zu schieben, um Informationen aus erster Hand zu erhaschen:

      „Wie sind die Umsatzerwartungen dieser neuen Analysenmethode?“

      „Schon heute dämmern allein in Deutschland etwa eine Million Menschen mit Defiziten im Kopf dahin, und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Die Testmethode werden nicht nur medizinische Einrichtungen anwenden, jeder wird sich selbst inspizieren können. Es sind also hohe Umsätze in Sicht.“

      „Wird die neue Testmethode dazu beitragen, die Häufigkeit der Erkrankung an Alzheimer einzudämmen?“, wurde Beckstein gefragt.

      „Man kann zwar die Krankheit nicht heilen, aber zeitig mit der Verabreichung von Medikamenten beginnen, um das kritische Stadium der Krankheit, in dem sich die Verwüstungen im Kopf stärker bemerkbar machen, weit hinauszuschieben.“

      Immer mehr Reporter – vom europäischen, vom amerikanischen, vom japanischen Kontinent - gruppierten sich um den Jungunternehmer. Fragen über Fragen wurden gestellt. Er verbreitete seine Visionen, beschrieb seine Luftschlösser. Er meisterte die Kunst, mit wenig Substanz großen Eindruck zu machen, sehr gut. Er wechselte vom Deutsch in astreines Geschäftsenglisch. Die Medienvertreter verlangten Informationen zum Unternehmen, zu den Produkten, zu Vorhaben, zur Geschäftsstrategie und Zukunft. Beckstein war wie noch nie so in seinem Element, Bilder seiner Einbildung, seiner Fantasie mit Umrissen, mit Farbe, mit gewisser optischer Täuschung zu versehen. Sein unkonventioneller, ansprechender, salopper, witziger Redestrom wollte nicht enden, nie kam er ins Stocken, er wechselte die Themen, verband sie geschickt miteinander. Er spielte auf seinen weltumspannenden Brettern, für ihn war es Schauspiel höchster Vollendung.

      Unter die Medienvertreter hatte sich auch Sergej Mautner, ein Russlanddeutscher, gemischt. Während einer kurzen Pause fragte er den Protagonisten des Tages, wie sich die Belegschaftsstärke СКАЧАТЬ