Herrschaft der Hyänen. Richard R. Bernhard
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Название: Herrschaft der Hyänen

Автор: Richard R. Bernhard

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783742757319

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СКАЧАТЬ Leichenstarre, Überprüfung der Körpertemperatur, alles lässt sich nicht mehr heranziehen, die zweiundsiebzig-Stundengrenze ist vorbei.“

      „Was, Sie können nichts über den Zeitpunkt des Eintrittes des Todes sagen“, echauffierte sich Hebestreit.

      „Der Leichenfundort ist nicht der Tatort. Das Opfer schien an einem anderen Ort gefoltert worden zu sein, danach wurde die Leiche hier abgelegt. Aber die Insekten verraten noch etwas.“

      „Nun reden Sie schon.“

      Der Gerichtsmediziner hockte noch immer neben der Leiche und betrachtete mit einer Lupe die Wunden.

      „An dem Leichnam ist natürlicher Insektenbefall zu sehen. Die Schmeißfliege – Calliphoridae - hat ihr Eigelege platziert.“

      „Ja, ja, … was sehen Sie?“

      „Jetzt ist das Larven- und Puppenstadium eingetreten, das erweichte, sich zersetzende Gewebe dient als Nahrung.“

      „Also die minimale Leichenliegezeit beträgt etwa sieben Tage“, mischte sich Rohrbach ein.

      „Warum etwa?“

      „Falls die Leiche noch einige Zeit in Decken eingehüllt und im Kofferraum eines Autos gelagert und transportiert wurde, verwischt das die Aussage.“

      Der Gerichtsmediziner öffnete die Augenlider des toten Körpers und stieß ein „Oh“ aus.

      „Das Todesopfer hat zwei unterschiedliche Augen. Aber weitere Einzelheiten muss die Obduktion zeigen, wir lassen die Leiche jetzt abtransportieren. Herr Hebestreit, morgen kommt mein Bericht.“

      Sie verließen den Leichenfundort. Die Spurensicherung suchte das umliegende Gelände ab, aber der Regen hatte weitere Spuren verwischt.

      Auf der Rückfahrt war Hebestreit gesprächiger. Zwar sah man ihm an, dass er über Unannehmlichkeiten sinnierte, aber er unterbrach sein Grübeln, als ihn Rohrbach nach seinen Problemen befragte.

      „Ach, Herr Rohrbach, ich lebe getrennt von meiner Frau. Und diese Woche sind meine beiden Kinder bei mir.“

      „Das ist doch fein.“

      „Nun das sagen Sie, es gibt schon Ungereimtheiten mit ihnen. Gestern kam ich spät nach Hause. Ich öffnete die Wohnungstür, keine Kinder zu sehen. Ich rief. Keine Antwort, alles war still. Ich suchte die Zimmer ab. Im Kinderzimmer hockten beide Kinder, der jüngere Bub der Sexta und die ältere Gymnasiastin, vor ihrem Computer und schwebten gedanklich im digitalen Kosmos. Ich versuchte mit ihnen zu kommunizieren, aber beide reagierten nicht. Zwar konnte ich deren körperliche Hüllen erblicken, doch auf meine Aufforderung: ‚Kommt ihr bitte, wir wollen gemeinsam zu Abend essen. Helft ihr mir dabei? - Keine Resonanz.“

      „Ja, die heutigen ‚Digital-Natives‘ sind nicht mehr vom Computer wegzukriegen.“

      „Nun ja, ich ging in mein Zimmer und verständigte mich mit ihnen über das digitale Kommunikationsmittel. Bedächtig, fast wie geistesabwesend kam einer und nach einer Pause der andere Abkömmling in die Küche. Ich fragte, ob einer die Spülmaschine ausräume und Tisch decke – aber keine Mithilfe. Als ich Jonas aufforderte, Vokabeln zu wiederholen und neue zu lernen, meinte er, die Bücher seien in der Schule unter der Bank – also auch eine Methode, die Null-Bock-Mentalität auszuleben. Schweigend saßen sie am Tisch. Die Computersüchtigen schlangen einige Brocken hinunter und verschwanden kauend, mit einer Möhre in der Hand, um schnell wieder zu ihrem Medium zu gelangen.“

      „Wenn ich meine Enkel auffordere, Vokabeln auch mal aufzuschreiben, bekomme ich zur Antwort, wir würden im digitalen Zeitalter leben, da brauche man nicht mit der Hand zu schreiben.“

      „Ich war innerlich erbost, dass noch Essbesteck, Teller, Brocken, Brösel auf den Plätzen lagen und die Spülmaschine nicht ausgeräumt war. Die kleinen Aufträge wurden nicht erfüllt.“

      „Ist diese Haltung nun Produkt der Erziehung?“

      „Ich frage mich schon, ob die Dinge des Alltags für meinen Nachwuchs nicht wichtig sind. Ständig sind sie auf Verweigerungskurs. Herr Rohrbach, wie sollen selbstständige Wesen heranwachsen, wenn sie nicht lernten, ohne fremde Hilfe praktische Fertigkeiten zu erwerben, die im Leben der Menschen gebraucht werden. Wie sollen sie zu funktionierenden Mitgliedern unserer Gesellschaft werden?“

      Rohrbach schwieg, er wollte nicht belehrend wirken, für ihn war es ein Erziehungsproblem.

      Obwohl er nahezu vierzig Jahre Erfahrungen und Erlebnisse in der Kriminalistik vorweisen konnte und manche schlimmen Fälle an Verbrechen gesehen hatte, ließ ihn der Anblick von Folteropfern nicht unberührt.

      Er war zurück in seinem Dorf. Seinen versäumten Morgenkaffee musste er umwidmen in Vier-Uhr-Kaffee. Nach dem sein Hund über die Wiesen gesaust war und die Dorfstraße entlang rannte, leinte er ihn am Fallrohr der Dachrinne der Landbäckerei Kuster an. Er hatte vorher seine Hemd gewechselt und andere Oberbekleidung angezogen. Er hatte seine wollene Trachtenjacke mit Hirschhornknöpfen übergezogen, aber nicht zugeknöpft. Es war mildes Wetter. So brauchte er keine Mütze. Seine grauen Haare trug er sehr kurz, fast als ‚Bürste‘. Er war mit schwarzen Jeans und einem hellblauen T-Shirt bekleidet. Er stieg die drei Stufen hoch und öffnete die Ladentür, die einen ‚Kling-Klong-Ton‘ von sich gab und so einen neuen Kunden ankündigte. Heidelore Kuster, die Bäckersfrau, kam in der blau umrandeten weißen Schürze, um die Ecke aus der Küche.

      „Heidelore – obwohl der Tag bereits fortgeschritten ist, wünsche ich dir einen wunderschönen Resttag“, grüßte Rohrbach.

      „Arno, ich grüße dich.“

      „Ich nehme heute ein halbes Landbrot und zwei Knüppel-Brötchen mit. Aber zuerst trinke ich meinen täglichen Kaffee bei dir, gib noch etwas Kakao darauf und lege einen Croissant und ein süßes Streuselteilchen dazu.“

      „Du siehst heute aber sehr flott aus.“

      „Ja, meist kleidet mich meine Tochter ein, und sie empfiehlt mir trendige Sachen. Ich solle nicht immer die alten Sachen abtragen. Wozu ich sparen würde. Als ehemaliger Beamter könne ich mir flotte Kleidung leisten. Heute habe ich mich an meine ländlich konventionelle Tracht erinnert.“

      Frau Kuster stand in ihrer weißen Schürze hinter der Verkaufstheke und bereitete den Kaffee und den süßen Imbiss vor.

      Im Dorf sprachen die Einwohner einfach von 'Heidelore', wenn sie über ihren Besuch beim Bäcker berichteten, denn ihr Vorname war relativ selten und erweckte gemeinsam mit ihrer Rede- und Ausdrucksweise Assoziationen zur ehemaligen Zugehörigkeit zum niederen Landadel.

      Gern pflegte sie ihre Schwatzsucht, sie beherrschte den Klatsch als eine Form der gesellschaftlichen Unterhaltung, sie gab absichtsvoll Informationen über nicht anwesende Personen weiter, ohne sie bloß zu stellen. Viele ihrer Nachrichten hatten hohen Neuigkeitswert. Von ihr konnte man schnell – quasi in Kurzform – das Neueste zum Dorfleben, zu Leiden verschiedener Einwohner, zu Ehestreitigkeiten oder Geburten, zu nächtlichen Krawallen der Russen, zu Partys am See oder zu ausgebüxten Kühen oder Pferden erfahren. Wenn in manchen Ecken des Dorfes die Wert- und Normvorstellungen verletzt wurden, konnte sie ihren Klatsch besonders würzen. Für sie war es sozialer Kitt, eine Art gemeinschaftliche Unterhaltung, wenn sie die Neuigkeiten und Enthüllungen über die Dorfgemeinschaft verbreitete.

      Während die junge Frau Kuster nur selten, vielleicht vorwiegend als СКАЧАТЬ