Название: Schlussstein
Автор: Peter Gnas
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783741809613
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Ihr Telefon klingelte. Sie lauschte. „Prima, vielen Dank, Herr Schreiber. Und entschuldigen Sie bitte die Störung.“
„Er hat in den Unterlagen nachgesehen – der Handwerker war nur einmal für die Wartung da. Ohne Folgereparatur. Die Mutter hatte parallel bei dem Gesellen angerufen und sicherheitshalber nachgefragt.“
„Ein aufgeweckter Installateur. Ich glaube, den muss ich mir notieren, falls ich einen Klempner brauche.“ Rotberg lächelte.
„Bei der Stadt erreichen wir wahrscheinlich heute niemanden mehr. Ich kann’s ja mal probieren.“ Sabrina Hamm suchte im Internet nach dem Anschluss. „Anrufbeantworter“, sagte sie mit einem Schulterzucken.
Rotberg dachte, dass so ein Wischtelefon – das war sein Begriff für Smartphones – nicht so übel sei. Er wollte mit seinem Sohn darüber sprechen, was für ihn das Richtige wäre. Jutta hatte ja auch schon daran gedacht, ihm eines zu schenken. Er scheute jedoch die Lernerei für neue technische Geräte. Sein Telefon klingelte in der Jackentasche.
„Rotberg!“ Er lauschte. „Was? Ist was passiert? Wir kommen direkt dort hin.“
„Wir sollen zum Innensenator fahren. Die ganze Mannschaft ist unterwegs, inklusive Polizeipräsident.“
„Das klingt bedeutend. Haben sie dir was gesagt?“, fragte Sabrina Hamm.
„Ich habe kein gutes Gefühl“, sagte er mit einem vagen Tonfall. Er spürte, wie sein Herz bis zum Hals klopfte. „Hoffentlich ist nicht noch etwas geschehen.“
Der Innensenat befand sich in einer schmucken Stadtvilla an der Contrescarpe, der Straße, die entlang des historischen Wallgrabens lief. Der Parkplatz war voller Autos – ungewöhnlich zu dieser Tageszeit. Das Haus war hell beleuchtet. Ein Kamerateam von Radio Bremen lud das Equipment für eine Übertragung aus.
„Da ist bestimmt was durchgesickert“, meinte Rotberg grüblerisch.
„Das kann ohne Bedeutung sein“, antwortete Sabrina Hamm. „Der Senator ist oberster Dienstherr der Polizei und zuständig.“
„Na, wir werden gleich mehr wissen.“ Er hatte deutliche Zweifel in der Stimme.
*
Als beide in das große Besprechungszimmer kamen, lief Wesselmann auf sie zu. „Es ist öffentlich!“, flüsterte er halblaut.
„Was?“, fragte Rotberg. Er begriff nicht.
„Der Täter hat sich bei Radio Bremen gemeldet und gesagt, dass er eine Bombe gelegt hat!“
„Wie bitte? Und?“, Rotberg sah Wesselmann fragend in die Augen. „Weiter!“
„Mehr weiß ich auch nicht.“
Herbert Franke, der Innensenator kam mit ernstem Gesicht auf Rotberg zu. „Guten Abend Herr Hauptkommissar, wir sind jetzt komplett und können beginnen.“
„Verzeihung“, sagte Rotberg, „wir haben nicht gewusst ...“
„... konnten Sie ja nicht“, unterbrach ihn der Senator.
Er gab Sabrina Hamm die Hand und stellte sich vor: „Franke.“
„Sabrina Hamm.“
„Wollen wir?“, der Senator sah in die Runde. Er bat, Platz zu nehmen.
Auf dem Tisch standen Getränke und Gläser, auf Tellern lagen verpackte Schokoladenriegel. Vor jedem Sitzplatz befanden sich Block und Kugelschreiber. Rotberg merkte jetzt, wie ihm der Magen knurrte – er würde gleich einige Süßigkeiten essen.
Senator Franke klopfte mit dem Stift an sein Glas. Sofort wurde es still. „Meine Damen, meine Herren“, er sah in die Runde, „ich weiß nicht, was Sie bereits wissen. Ich denke, dass ich den größten Wissensstand besitze. Ich schlage vor, dass ich zunächst berichte, damit alle auf demselben Stand sind. Wir befinden uns noch unter dem Eindruck der Explosion vom Vormittag. Ich konnte mir mit Bürgermeister Cleve vor Ort ein Bild machen. Er wird später zu uns stoßen.“
Franke deutete auf zwei Männer, die rechts von ihm saßen. „Ich möchte Ihnen, falls Sie die Herren nicht kennen, die Kollegen vom Bundeskriminalamt vorstellen. Neben mir sitzt Jan Hofeld, daneben ...“, er sah auf seinen Block, „... Jonas Schellenberg. Da es sich um einen terroristischen Vorfall handelt, bin ich überzeugt, dass es sinnvoll ist, wenn wir kooperieren. Ich will mich zunächst bei allen bedanken, die heute im Erdbeerweg mitgearbeitet haben und die grauenvollen Szenen ertragen mussten. Ich kann Ihnen versichern, dass auch wir erschüttert sind.“
Der Senator trank einen Schluck Wasser. „Wir wissen, dass die Spezialisten an einer Stelle Hinweise entdeckt haben, die auf Sprengstoff schließen lassen. Ich bin darüber umgehend informiert worden. Ich konnte nicht fassen, dass es Menschen gibt, die einen Bombenanschlag auf eine Kindertagesstätte verüben. Wie auch Ihnen, fielen Polizeipräsident von Berghausen und mir in unserem Telefonat sofort die üblichen Kandidaten ein: Islamisten oder politisch Radikale.“
Franke machte eine Geste zu einem Mitarbeiter, der zu dem Laptop ging, das auf einem Sideboard stand.
„Vor etwa einer Stunde rief mich Claus Bergmeister, der Chefredakteur von Radio Bremen, an und spielte mir die Aufnahme vor, die wir gleich hören.“
Der Senator nickte zu dem Mann am Computer. Der startete die Audiodatei. Es war die Stimme eines Mitarbeiters vom Sender sowie die des Anrufers. Dessen Stimme klang technisch verzerrt. Er hatte offenbar Angst davor, identifiziert zu werden.
„Radio Bremen, Dieter Hensell.“
„Guten Abend, spreche ich mit einem Redakteur, der über die Explosion am Kindergarten berichtet?“
„Im Prinzip schon. Worum geht es?“
„Ich habe eine wichtige Mitteilung. Hören Sie genau zu. Ich möchte, dass Sie das heute Abend in den Tagesthemen senden.“
„Schau’n mer mal.“ Man konnte dem Tonfall des Redakteurs anhören, dass er den Anrufer nicht sonderlich voll nahm.
„Sie sollten mich ernst nehmen, guter Mann“, die Stimme bekam Nachdruck.
„Also, legen Sie los. Ich lasse immer ein Bandgerät mitlaufen – das ist Ihnen recht, oder?“
„Ich bitte sogar darum. Ich weiß nicht, ob man am Explosionsort schon etwas gefunden hat, das auf eine Bombe schließen lässt. Ich habe heute den ganzen Tag über die Nachrichtensendungen im Radio und im Fernsehen verfolgt. Entweder hat die Polizei noch nichts entdeckt oder sie hat etwas gefunden, aber keine Pressemitteilung herausgegeben. Wie auch immer. Wir haben Sprengladungen im Kindergarten Erdbeerweg deponiert und sie heute Morgen um halb acht per Fernzündung zur Explosion gebracht.“
Der Redakteur unterbrach ihn: „Sie wollen mich auf den Arm nehmen, oder? Komisch ist das nicht.“
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