Название: Schlussstein
Автор: Peter Gnas
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783741809613
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„Herr Wenzel sagte uns, dass zweimal jemand von der Heizungsfirma da war. Hatten Sie den Handwerker nochmals beauftragt? War etwas defekt?“ wollte Rotberg wissen.
„Zweimal?“ Rose Stein überlegte. „Nein, nur einmal und defekt war auch nichts. Sind Sie sicher, dass Herr Wenzel die Firma noch mal in unserem Haus gesehen hat?“
„Nein, gesehen hat er einen Mitarbeiter nur bei dem zweiten Besuch und hatte ihn gefragt, ob etwas kaputt sei. Beim ersten Termin hatte man ihn nur gebeten, vorübergehend die Heizkörper runter zu regeln.“
„Ja, richtig“, bestätigte Rose Stein, „das machen die immer so bei der Wartung.“
„Wann war das?“
„Vor zwei Monaten?“ Sie ließ den Satz wie eine Frage im Raum schweben. „Auswendig kann ich Ihnen das nicht sagen. Mein Büro ist ja weitgehend unbeschädigt, Sie können das gern nachschlagen.“
„Das tun wir“, versicherte Rotberg. „Was ist mit einem zweiten Besuch der Firma?“
„Davon weiß ich nichts. Wenn es ein Anderer wusste, hat es mir niemand erzählt. Ich habe auch keine weitere Rechnung bekommen.“
„Könnte es sein, dass in der Rechnung des Installateurs bereits eine Position enthalten war, die erst bestellt und später eingebaut werden sollte?“
„Nein, das ist unüblich. Ich hätte das bei der Wartung ja unterschreiben müssen.“ Sie dachte noch einmal nach. „Nein!“, sagte Sie entschieden mit einem kurzen Kopfschütteln.
Rotberg sah Rose Stein an. Sie war eine attraktive Frau von etwa fünfzig Jahren. Vielleicht sah sie jünger aus, als sie war. Kein Ehering – das musste nichts bedeuten. Eine diszipliniert wirkende Frau. Die Arbeit wird ein wichtiger Teil ihres Lebens sein. Wenn sie so klar antwortete, würde es stimmen.
Für diese Gedankenkette brauchte Rotberg weniger als eine Sekunde. Er war immer wieder erstaunt, wie schnell das menschliche Gehirn eine Momentaufnahme machte, sie bewertete und meistens richtig lag. So schnell kommt das Denken nicht hinterher.
„Könnte Herr Wenzel einen anderen Handwerker gesehen haben? Einen Elektriker oder einen Tischler, den Sie beauftragten?“, fragte Sabrina Hamm.
„Nein, es gab keinen weiteren Auftrag.“
„Sie sind doch ein städtischer Kindergarten, wäre es denkbar, dass die übergeordnete Behörde jemanden bestellt hat?“, hakte Sabrina Hamm nach.
„Das gibt’s natürlich“, meinte Frau Stein, „aber in der Regel bekomme ich vorher Bescheid. Es ist auch möglich, dass es irgendwie untergegangen ist. Ich habe allerdings auch von keinen bevorstehenden Sanierungs- oder Umbauarbeiten gehört. Das geht eigentlich immer seinen geregelten Gang.“
„Gibt es“, Rotberg korrigierte sich, „gab es in Ihrem Haus eine Videoüberwachung?“
Rose Stein blickte ihn skeptisch an. „Wieso fragen sie das? Stimmt etwas nicht?“
Rotberg überlegte, wie er sich ausdrücken sollte. Er tippte mit dem Zeigefinger in einer abwesenden Geste auf die Unterlippe. „Natürlich stimmt etwas nicht, Frau Stein. Wenn alles gestimmt hätte, wäre es nicht zu dieser Tragödie gekommen.“
Rose Stein hatte die Berichterstattung von ihrem Bett aus im Fernsehen verfolgt. Es war eine Tragödie. Und natürlich hatte der Polizist recht, wäre alles normal gewesen, wäre es nicht geschehen. Vielleicht hatte die Stadtverwaltung doch jemanden beauftragt ohne sie zu informieren oder schlimmer noch, sie hatte es übersehen.
„Nein, es gibt keine Videoüberwachung. Jedenfalls nicht so eine, die etwas aufzeichnet. Wir haben am Tor und an der Eingangstür eine Kamera mit der wir sehen können, wer draußen klingelt. Da die Tür und das Tor tagsüber meistens offen sind, spielt das aber keine Rolle.“ Sie überlegte kurz und zog die Augenbrauen leicht zusammen.
Rotberg merkte an ihrem nachdenklichen Blick, dass sie etwas sagen wollte. Er bemerkte, wie Trauer und Furcht ihr Gesicht besetzten.
„Es ist natürlich möglich, dass die Stadt einen Handwerker geschickt hat. Es ist auch denkbar, dass man vergessen hat, mich darüber zu informieren.“ Sie machte eine Pause: „Und es kann sein, dass ich eine E-Mail erhielt und sie gedankenlos wegklickte, ohne sie gelesen zu haben. Das ist mir ab und zu passiert.“
Sie grübelte und rieb sich mit den Fingerspitzen der rechten Hand die Stirn. Rotberg und Sabrina Hamm warteten ab. Er dachte, dass es wahrscheinlich Zeit sei, aufzuhören.
„Wenn ich etwas übersehen habe, dann weiß ich im Augenblick nicht, was ich anderes getan hätte. Ich hätte einem angemeldeten Handwerker gezeigt, was er tun soll. Ich hätte auch in diesem Fall sicher nicht neben ihm gestanden, um die Arbeit zu kontrollieren.“ Sie sah mit unsicherem Blick zuerst Rotberg und dann Sabrina Hamm in die Augen.
„Frau Stein“, unterbrach er in einem positiven Ton ihre Gedankenkette, „darum geht es auch nicht. Fragen stellen, ist ein Teil unseres Berufes. Ich lebe ebenfalls ständig in der Angst, etwas zu übersehen und einer Person zu schaden. Wir wollten in Ihnen keine Schuldgefühle auszulösen.“
Er stand auf und sah seine Kollegin an: „Gehen wir?“
Er reichte Rose Stein die Hand und legte in einer fürsorglichen Geste die andere Hand auf die ihre. „Frau Stein, versuchen Sie bitte zu schlafen, vielleicht lassen Sie sich ein Schlafmittel geben. Ich lege Ihnen meine Visitenkarte auf den Nachtschrank. Wenn Ihnen etwas einfällt, melden Sie sich einfach, okay? Möglicherweise schauen wir noch mal herein oder wir besuchen Sie zu Hause.“
„Ach, eine Kleinigkeit möchte ich noch wissen“, sagte Sabrina Hamm, „Ihr Mitarbeiter sagte, dass der Handwerker, den er gesehen hat, auffallend korpulent war. War der, mit dem Sie zu tun hatten, korpulent?“
„Nein“, Rose Stein lächelte, „das war ein ganz junger drahtiger Mann. Kein Gramm Fett.“
„Gut, danke – das war’s!“
Bremen, Montag 09. Februar 2009, 18.05 Uhr
Auf der Fahrt zum Präsidium suchte Sabrina Hamm im Internet nach dem Installationsbetrieb. Sie rief dort an. „Mist, Anrufbeantworter!“ Auf der Internetseite des Betriebes fand Sie den vollen Namen des Inhabers und eine Mobilnummer. Sie wählte – beim zweiten Klingelton meldete sich eine ältere Frauenstimme.
„Frau Schreiber? Sind Sie und Ihr Mann Besitzer des Installationsbetriebs Schreiber in Sebaldsbrück?“ Sabrina Hamm lauschte. „Könnte ich Ihren Sohn sprechen?“ Pause. „Okay, vielen Dank.“
Man muss ihr nichts sagen, sie erledigt alles Wichtige sofort, dachte Rotberg. Das mochte er. Sie nahm die beschriebenen Zettel aus der Jackentasche und studierte die Notizen von soeben.
„Herr Jonas Schreiber?“, sie hörte zu und stellte sich vor. Dann fragte sie, ob er bei dem Kindergarten die Wartung durchgeführt habe. Jonas Schreiber kannte den Vorgang, er hatte die Arbeiten aber nicht selbst erledigt – die Rechnung hatte er persönlich geschrieben. Wann es jedoch genau war, musste er erst im Betrieb nachschauen. Sie seien seines Wissens nur einmal vor Ort gewesen. Er sagte, dass er über der Firma wohne und gleich nachsehen würde.
Rotberg СКАЧАТЬ