Название: Abenteuer Halbmond
Автор: Evadeen Brickwood
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738092318
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‘Was bedeutet Radschput?’ fragte Dr. Albrecht ruhig auf Band.
‘Ich weiß nicht… unsere Familie, unser Klan… Krieger… Adelige vom Chandra Vamsch,’ stammelte ich, dann fuhr ich in einer fremd klingenden Sprache fort.
‘Die Villa gehört meinem Vater und Dienstboten halten sich im Schatten der Bäume auf, um ein Auge auf mich zu haben. Die Schatten werden schon länger.’ Was ich da gesagt hatte wusste Dr. Albrecht noch nicht, weil er natürlich nichts verstanden hatte. Ich sprach ja Ausländisch.
“Können Sie denn noch verstehen, was Sie da sagen?” Dr. Albrecht stoppte die Aufnahme und sah mich erwartungsvoll an.
“Ich weiß nicht, ob man das ‘verstehen’ nennen kann. Ich weiß es einfach.” Besser konnte ich es nicht erklären. Die Worte klangen guttural. Da waren Gefühle. Traurigkeit, Herzschmerz… ich hatte einen Kloß im Hals. Davon erzählte ich dem Therapeuten aber nichts. Es war mir ungeheuer peinlich. Diese ganzen Gefühle.
Die Kassette spielte weiter. ‘…darf dich nicht länger sehen,’ brachte ich gequält hervor. ‘Mein Vater hat uns ein letztes Treffen erlaubt.’
Der junge Mann trug einen einfachen weißen Turban auf dem Kopf, wie es sich ziemte. Ein langes, weißes Seidenhemd, dunkle Brokatweste und weite Hosen. Unerfüllte Leidenschaft…
“Imran stammt aus einer guten Mogulen-Familie und wir lieben uns. Jedenfalls denken wir das,” erklärte ich Dr. Albrecht.
Was wusste ich schon von Leidenschaft? Renate hatte wenigstens schon Erfahrung mit Küssen. Ich wurde rot. Dr. Albrecht bemerkte mein Unbehagen und hielt die Kassette an. “Möchten Sie weitermachen oder wird es zu schwierig?”
“Ich weiß nicht. Man kann das nicht so genau übersetzen.”
“Das ist ja auch gar nicht notwendig. Ich will ja nur wissen, um was es so ungefähr geht. Wollen es mir sagen?”
“Ja Ok. Ich kann ihn nicht länger sehen, weil ich heiraten muss.”
“Aha.” Dr. Albrecht schrieb und schrieb. Die Kassette lief. Es war eine Weile still. Ich konnte mich atmen hören und Imrans Stimme. Ich werde sterben, wenn dein Vater darauf besteht.’ Imrans Ton war zornig. Seine nußbraunen Augen blitzten.
‘Wir haben nichts dabei zu sagen. Das weißt du doch. Unsere Sitten sind anders. Du bist Moslem. Wir dürfen nicht heiraten. Ich bin Mansur versprochen und muss mich an das Gesetz des Klans halten.’
‘Was sehen Sie jetzt?’ wollte Dr. Albrecht auf Band wissen. ‘Versuchen Sie es zu beschreiben.’
Die Worte machten nicht mehr so viel Sinn. ‘Bin mir nicht sicher. Er ist wütend.’ Ich redete wieder auf Deutsch. Dann wurde es still. Ich war zu sehr mit Imran beschäftigt. Die Kassette surrte.
‘Dann werde ich Mansur herausfordern müssen – zu einem Duell,’ sagte Imran hitzköpfig. ‘Ich werde dich nicht aufgeben. Nicht an einen Mann, den du nicht liebst.’ Hey, das war ja hochromantisch. Ein Duell!
‘Nein, Imran, Mansur ist ein guter Mann. Sie werden dich umbringen. Dann kommt es zur Blutfehde. Willst du das?’
‘Dann muss ich eben fortgehen und vor Einsamkeit sterben.’
Imran legte seine Hand auf meine Schulter und schoss einem der Dienstboten mit dem Namen Pratap, einen kommandieren Blick zu. Pratap hielt sich in unserer Nähe auf, um mich zu beschützen. Um wie seit meinen Kindestagen meine Ehre zu schützen. Der graubärtige Mann zog sich weiter in den Baumschatten zurück.
Swisch, Klick. Der Doktor hielt die Kassette an. Er fragte was ich erlebt hatte und kritzelte Notizen auf seinen Schreibblock.
“Hochinteressant. Dass Sie das noch verstehen können…,” staunte er. “Mein erster Fall von Xenoglossie. Das muss ich im Wörterbuch nachsehen – dieses Wort Radschput, das sie erwähnen. Dann noch Mogulen und Chandra Vamsch. Möglicherweise ist das in Indien… Wirklich hochinteressant.”
Über Indien hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht. Lag das nicht irgendwo bei China? Wo genau lag China?
“Kennen Sie diesen jungen Mann Imran?”
“Nein, ich kenne ihn nicht,” erwiderte ich bestimmt.
Dr. Albrecht meinte damit die Möglichkeit, dass ich Imran in der Gegenwart als eine andere Person erkannte. Die Frage war bei dieser Art von Hypnose üblich.
Zum Beispiel hatte ich einfach gewusst, dass ein Kamerad aus dem Krimkrieg einer meiner jetzigen Lehrer war. Einer von zwei Lehrern, die ich einigermaßen mochte. Ich kann nicht sagen, ob es die Augen waren oder der Gesichtsausdruck. Ich wusste es einfach. Das würde komisch werden in der Schule, wenn ich ihn wiedersah. Leider war mir dieser Imran noch nicht untergekommen. Schade, er sah wirklich gut aus.
Ich war in Gedanken vertieft, als ich die Praxis von Dr. Albrecht verließ. Wie verabredet wartete Renate im Café Wolf unten auf mich.
“Ist ja total stark!” staunte sie, nachdem ich ihr alles brühwarm erzählt hatte. Sie wusste ja noch nichts von den Regressionen, die wir jetzt machten. Aber ich musste es einfach jemandem sagen.
“Ja, nächste Woche gehe ich wieder hin. Er will ‘rausfinden was für ein Land das sein könnte. Dann machen wir wohl weiter,” erwiderte ich langsam.
“Wieso passiert mir nie sowas Cooles? Am liebsten würde ich Fliege an der Wand spielen und mir das ansehen, wie du in einer fremden Sprache redest und so.”
“Angeblich Radschput. Hast du schon mal was davon gehört?”
“Nein, ich kann’s aber ‘rausfinden. In der Bibliothek.”
Renate war mir etwas zu begeistert. Hoffentlich hielt sie dicht. Alles was ich jetzt brauchte, waren dumme Bemerkungen in der Schule. Ich beschloss abzuwiegeln. “Besser nicht. Was ist, wenn das alles gar nicht stimmt. Vielleicht habe ich ja mal einen Film über so was gesehen.”
“Klar, es kommen ja auch dauernd Filme über Radschput im Fernsehen.” Renate zog ihren Mundwinkel hoch, wie immer, wenn ihr was nicht passte.
“Hey, man weiß nie.” Natürlich machte Renate, was sie wollte.
Bei der nächsten Sitzung befand ich mich sofort wieder am gleichen Ort und fing an Ausländisch zu reden. Dr. Albrecht stoppte mich diesmal sofort. ‘Sie verlassen die Szene. Sie sprechen Deutsch... Sie könn—’
Ich sah dabei zu, wie Dr. Albrecht die Kassette vorspulte. Gut, ich konnte nämlich auch nicht mehr richtig verstehen was ich da sagte.
‘Ich sehe Imran nicht wieder.’ Ich sprach jetzt tatsächlich wieder Deutsch in der Aufnahme. ‘Oh, oh, er fordert meinen Verlobten heraus. Aber einer seiner eigenen Cousins erdolcht ihn, bevor das Duell stattfindet. Man sagt mir nichts davon… Ich verstehe erst später. Meine Schwiegermutter hatte die beiden aufgewiegelt. Ich СКАЧАТЬ