Abenteuer Halbmond. Evadeen Brickwood
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Название: Abenteuer Halbmond

Автор: Evadeen Brickwood

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738092318

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СКАЧАТЬ du Lümmel!”

      “Tschuldigung!” rief ich halbherzig zurück.

      Hier in der Gegend gab es nur Wohnungen. Ich mochte die alten Sandsteinbauten entlang der breiten Straße lieber. Hier wohnten die Reichen.

      Bestimmt waren die Räume groß und elegant mit riesigen Fenstern und Balkonen, edlen Teppichen und Möbeln, von denen man nur träumen konnte. Wir dagegen wohnten in einer Sozialwohnung im billigen Viertel, weil meine Eltern drei Kinder hatten.

      Ich bog um die vertraute Ecke in unsere Straße und dachte zum hundertsten Mal, wer wohl die idiotische Idee hatte das Haus Nummer 8 senfgelb anzustreichen. Wenn man hoch blickte bewegten sich Spitzengardinen von unsichtbarer Hand. Ich legte das Fahrrad an die Kette und stieg die Treppe hoch. Zwei Stufen auf einmal.

      “Isabellsche!” Ich wäre fast in Frau Speidel hineingestolpert, die Tratschtante von ganz oben. Sie fügte meinem Namen immer ein -sche an. Eigentlich an die Namen aller, die sie als Kinder ansah. Frau Speidel gehörte zu der Gruppe Erwachsener, die es sich anscheinend zum Ziel gemacht hatten, mir mein Leben zu erschweren.

      “Isabellsche! Wart e Momentle...”

      Sie musste ihr halbes Leben im Treppenhaus verbringen, so oft wie man sie dort antraf. Das Treppenhaus war wie die Hauptstraße in einem senkrechten Dorf. Frau Speidel wusste so ziemlich alles über jeden im Haus. Ach was, alles über jeden in der ganzen Straße. Und über alle Filmschauspieler noch dazu.

      “Oh, tut mir leid, wiederseh’n Frau Speidel.”

      Ich schaffte es, mich auf den nächsten Treppenabsatz zu retten. Außer Sichtweite war es leichter sich aus dem Staub zu machen.

      “Also... habt ihr denn so lang Schul’?” rief sie neugierig hinterher.

      “Ja.”

      “Also weisch,... zu meiner Zeit…” Da ließ ich schon die Tür zur Wohnung ins Schloss fallen. Der Geruch von Eintopf.

      “Hast du was gegessen?” fragte meine Mutter aus der Küche. Sie wollte reden. “Ja,” log ich und verzog mich schnell ins Kinderzimmer.

      Ich konnte auf keinen Fall die Therapie diskutieren. Nicht nur, weil ich keine Lust dazu hatte. Meine Eltern durften auch nichts von dem Experiment bei Dr. Albrecht erfahren. Mit denen konnte man sowieso nicht reden. Sie waren meiner Meinung nach total verbohrt. Konventionell und engstirnig.

      Mit fünfzehn hatte ich schon eine gute Vorstellung davon, was das bedeutete. Schließlich redete jeder über Konventionen. Meine Eltern, das waren Walter und Hannelore Bertrand. Kein ideales Ehepaar.

      Papa arbeitete an der Technischen Universität und kam jeden Tag zum Mittagessen nach Hause. Abends reparierte er oft noch Fernseher, um mehr Geld zu verdienen. Drei Kinder waren ein teurer Spaß. Er gab seinem ‘Vatersein’ die Schuld an denen sich lichtenden Haupthaaren und die Kochkunst meiner Mutter war für seine füllige Mitte verantwortlich. Königsberger Klopse vor allem, seine Lieblingsspeise. Am Anfang hatte ich sie auch mal gemocht, aber so oft wie die’s bei uns gab, hatte ich meine Meinung jetzt geändert. Ich wollte Müsli.

      Hinter der Bezeichnung ‘technischer Angestellter’ verbarg sich der wichtigste Mann an der Uni. Als wir noch jünger waren, sieben oder acht, hatte er Evelyn und mich manchmal mit zur Arbeit genommen. Sein Auto hatte einen angestammten Platz in der Tiefgarage und Papa hatte sein eigenes Büro mit Werkstatt. Bunte Kabel mit Klemmen hingen von Regalen voller Werkzeuge und Schrauben herab.

      Er erklärte uns geduldig, was er so machte. Papa konnte einfach alles und wurde oft angerufen. Dann musste er gehen.

      Wir drehten uns auf dem Schreibtischstuhl links und rechts und tranken Cola für 50 Pfennige aus dem Flaschenautomaten im gebohnerten Gang. Die große schwenkbare Lupe über dem Schreibtisch war unser Lieblingsspielzeug. Wenn man die kleine Lampe daran anknipste, war darunter alles riesig zu sehen. Zigarrenstummel im Aschenbecher, Schrauben und Briefmarken. Papa hatte uns früher gern um sich gehabt. Etwas davon war manchmal noch zu spüren.

      Er liebte seinen Schrebergarten, wo er in einem großen Beet die Atmosphäre von Masuren nachempfand. Mit Pflanzen aus dem nahen Schwarzwald. Papa war in Masuren aufgewachsen und sehnte sich oft nach seiner Heimat zurück. Der Schwarzwald erinnerte ihn an Masuren, sagte er.

      Meine Mutter war Hausfrau. Eine, die immer adrette Schürzen trug, immer kochte und ständig unsere Vierzimmer-Wohnung putzte. Ihre blonden Haare hatten wohl mal füllig geglänzt, aber zu viele Dauerwellen, die jede anständige Hausfrau unbedingt benötigte, hatten ihnen den Garaus gemacht. Das Ergebnis erinnerte mich eher an Schafwolle. Manchmal kam ich aus der Schule nach Hause und fand das Wohnzimmer abgeschlossen vor.

      ‘Ihr macht mir nur alles wieder schmutzig und ich habe mich den ganzen Morgen mit den Sofas abgeplagt,’ sagte sie dann mit wenigen Variationen, und sowas wie ‘Isabell, du kannst gleich den Mülleimer runtertragen und dann das Geschirr spülen. Komm, komm, keine Müdigkeit vorschützen!” sagte sie mit so vielen Variationen, dass ich schon gar nicht mehr zuhörte. Sie putzte auch eifrig die Fassade der Familie, denn ‘was sollen denn die Leute denken...‘. Als ob das irgendwen interessierte.

      Dabei war meine Mutter nicht immer Hausfrau gewesen. Sie trauerte ihren glorreichen Tagen als Oberschwester im Kurkrankenhaus Baden-Baden nach, von denen wir natürlich jede Einzelheit kannten.

      ‘Ja, Emmerich Kalman war einer meiner Patienten. Da, die Vase hat er mir zum Abschied geschenkt. Nein die mit den Fischen drauf. Nur die reichsten und wichtigsten Leute kamen zum Kuraufenthalt nach Baden-Baden.’ Wir hatten keine Ahnung wer Emmerich Kalman war. Oder die meisten anderen Namen, die sie immer einfließen ließ .

      Unsere Mutter liebte so langweilige Radiomusik von Tschaikowsky und dem Holzschuhtanz, und sie liebte es, uns im Befehlston bei unseren häuslichen Pflichten anzutreiben. Am meisten hasste ich Fensterputzen. Sie duldete keine Widerrede.

      Wenn wir es wagten krank zu werden, wurden wir tagelang ins Bett gesteckt und fachgerecht gepflegt. Wir bekamen Haferschleim und Kamillentee und Besuchszeiten waren begrenzt. Da war es besser gesund zu bleiben.

      Mittlerweile wusste ich, dass meine Mutter wegen ihrer schwierigen Kindheit so war wie sie war. Anscheinend hatte sie so eine Art Vertrag mit Papa geschlossen, dass er sie immer gegen die Kinder unterstützen musste, egal was.

      Wenn sie einen ihrer Wutanfälle bekam, hatte sich Klein-Isabell in Schränke verkrochen. Bestimmt hatten meine Magenkrämpfe und Kopfschmerzen etwas damit zu tun. Dann versteckte ich mich einfach so, auch wenn sie mal wieder gute Laune hatte. Ich traute ihr einfach nicht.

      Als ich älter wurde, begann ich mich aufzulehnen.

      ‘Du hast jedes Recht dich zu wehren,’ hatte Renate gesagt, als ich ihr mal einen besonders blauen Fleck zeigte. “Warum sollst du ausgerechnet Fensterputzen, wenn du zu müde dazu bist und auf die Klausur lernen musst?”

      Und das tat ich dann auch. Ich wehrte mich. Das heißt, ich flüchtete.

      Bei jeder Gelegenheit fuhr ich mit meinem Klappfahrrad in den Schlosspark, der sich in meilenweiter Freiheit ausbreitete. Endlich Ruhe! Der Park nahm mich in seine grünen Arme, wenn ich Sorgen hatte, und tröstete mich. Ich liebte die Ruhe, ich liebte die Anlagen, den See und die bunten Azaleenbüsche. Hier spielte ein paar geduldigen Zuhörern auf meiner Gitarre vor. ‘If I had a Hammer’ und ‘Blowing in the Wind‘ und all so was.

      Danach СКАЧАТЬ