Название: Abenteuer Halbmond
Автор: Evadeen Brickwood
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738092318
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‘…nicht mehr wehtun. Gehen Sie weiter zum nächsten wichtigen Ereignis in diesem Leben,’ summte die einfühlsame Stimme des Psychologen. ‘Was sehen Sie jetzt?’
‘Ich heirate Mansur und lerne ihn zu lieben. Er ist Radschput. Wir essen kein Fleisch. Mansur ist nach dem Mann benannt, der seinem Vater einmal das Leben rettete. Ein Muslim. Mein Leben ist gut. Es fehlt mir an nichts. Uns sind drei hübsche Söhne beschert. Die Klan-Ältesten hatten eine gute Entscheidung getroffen. Das verstehe ich jetzt. Es gibt hier auch einen herrlichen Garten. Ich liebe die roten Blumen...’
Die roten Blumen lenkten mich eine Weile ab.
‘Sehen oder hören Sie einen Ortsnamen oder ein Datum?’ unterbrach der Doktor meinen Redefluss, ‘irgendetwas, was darauf hinweist, wo sie sind?’
‘Nein, nichts. Es ist lange her,’ kam meine Antwort.
‘Gehen Sie weiter zum letzten Tag ihres Lebens als Nusrat. Zu Ihrem Todestag.’ Die Szene erschien momentan.
‘Ich liege auf einem Kissenhügel und muss dauernd husten,’ keuchte ich. Meine Brust schmerzte.
‘Sie können wieder atmen. Sehen Sie sich die Szene von oben an, wenn es Ihnen leichter fällt.’ Mein Atem wurde ruhiger.
‘Man hat ein Bett auf die Veranda gestellt. Ich bin alt… Falten im Gesicht und Flecke… ich sage den Dienstboten sie sollen die Kletterpflanzen beschneiden. Ich liebe Blumen —’ Mein Blick schweift zu den grünen Zweigen hinüber, die sich um die Pfeiler rankten. ‘Die Nachmittagssonne wärmt mich. Meine Söhne und deren Familien sind hier.’ Ich wusste noch, dass ich mir die Szene von oben ansah.
‘Alle schauen so ernst drein. Die Vögel zwitschern im Frangipanibaum. Die Blüten riechen so gut. Es tut weh, wenn ich atme. Mein Kopf schmerzt. Alles schmerzt.’
‘Sie haben keine Schmerzen mehr, Sie können ganz normal atmen,’ hörte ich die Anweisungen des Doktors auf Band. ‘Beschreiben Sie was geschieht.”
‘Ich schwebe nach oben. So leicht. Alle weinen. Ich schwebe nach oben… Lasse sie zurück. Ich sehe nach oben. Dunkelblau, schönes dunkelblau. Da ist jemand… ein Licht das größer wird und heller.’
Dann zählte Dr. Albrecht rückwärts und ich war aufgewacht.
Das Anhören der Kassette hatte etwa 20 Minuten gedauert. Puh, das war ja vielleicht was! “Bin ich gestorben?” wollte ich wissen.
“Es scheint so. Fast alle berichten von einem Licht und jemand, der auf sie wartet,” erklärte mir der gute Doktor.
“Hmm.”
Schade, dass ich den Namen des Landes und des Ortes nicht kannte. Nicht mal eine Jahreszahl. Ich wusste nur, dass ich nahe des Himalayagebirges gelebt haben musste. Die Villa stand in einem Tal im Vorgebirge. Von der Veranda aus konnte ich die schneebedeckten Bergspitzen über den Dächern des Dorfes erkennen.
“Faszinierend,” sagte Dr. Albrecht nur und schrieb.
“Kann das wirklich so gewesen sein?” platzte ich heraus. “Ich meine, dass ich jemanden kannte, der Imran hieß, und… dass ich einmal reich und schön war und dann gestorben bin?”
Dr. Albrecht sah verdutzt drein. Er kratzte sich hinterm Ohr, wie so oft, wenn er auf meine impulsiven Fragen keine Antwort wusste. “Hmm, das weiß man noch nicht so genau. Es scheint aber gesundheitliche Probleme zu heilen.”
“Woher weiß man denn, ob das alles stimmt? Vielleicht ist es nur meine Einbildung.”
“Sie haben in einer Fremdsprache geredet und konnten das danach noch verstehen. Unwahrscheinlich, dass das nur Ihre Fantasie war. Vielleicht können Sie sich nächstes Mal an mehr Einzelheiten erinnern. Wir werden dieses Leben noch ein wenig weiter erkunden.”
“Kann ich jetzt diese Sprache sprechen und mich unterhalten und all sowas?” wollte ich wissen.
“Das glaube ich weniger. Das scheinen Ihre Erinnerungen zu sein. Aber vielleicht werden Sie sich jetzt mehr dafür interessieren.”
“Ja, ich kenne sowieso niemanden, der so redet.”
Dr. Albrecht sah auf seine vielen Notizen und ich starrte ihn an. Er sah auf. “Möchten Sie noch über etwas anderes reden?”
“Ich wünschte ich könnte meiner Schwester Evelyn helfen. Sie ist jetzt auch in Therapie, ist selbst zur Beratungsstelle gegangen. Sie verbrennt ihren Arm mit Zigaretten. Evelyn hat mir die roten Stellen gezeigt.”
Er kratzte sich wieder hinterm Ohr. “Ich wünschte ich könnte Ihnen helfen, aber mir sind die Hände gebunden.” Er war dabei besagte Hände zu wringen. “Sie sind meine Patientin und Ihre Schwester ist ja schon bei einem anderen Therapeuten. Wenn Sie sich mit Zigaretten verbrennen würden, wäre das etwas anderes.”
Ich verstand nicht, wieso das etwas anderes war. Erwachsene waren immer so kompliziert. Wenigstens begann sich mein eigenes Leben zu verändern.
Zunächst hörten die Schläge auf.
Das hatte zweifellos an Dr. Albrechts Abschlussbericht gelegen. Ich musste nicht mehr so sehr kämpfen und das mit der Schule ging wieder aufwärts. Meine Mutter war stolz darauf endlich die richtige Medizin für mich gefunden zu haben.
In den Sommerferien bekam ich auch meinen ersten Kuss. Ich fuhr mit dem Stadtjugendausschuss nach Frankreich. Es fiel mir jetzt leichter neue Freunde zu finden und in der Haute Savoie vergaß ich fast, dass meine Mutter meine geliebten Meerschweinchen kurz vorher an den Zoo verschenkt hatte.
‘Du kümmerst dich nicht richtig um die Viecher. Im Zoo sind sie besser aufgehoben,’ meinte sie nur lakonisch.
‘Wie konntest du das machen? Sie werden doch dort an Schlangen verfüttert.’
‘Ich hab’ genug von der Schweinerei. Es ist besser so.’
‘Ich hasse dich, hasse dich!” schrie ich und wusste doch, dass es sich nicht ändern ließ .
In Frankreich blieb nicht viel Zeit für dunkle Gedanken. Unsere langhaarigen, jungen Betreuer hielten uns auf Trab. Wir lernten Selbstverteidigung, Ikebana und wie man Masken aus weißem Gips machte.
Wanderungen zum Fluss standen auf dem Programm und eine Fahrt zum Markt nach Annecy. Bei einer unserer wöchentlichen Discos geschah es dann. Ich bekam meinen ersten recht feuchten Kuss von einem sechzehnjährigen Franzosen mit dem Namen Jean-Paul.
Er sah so welterfahren aus, mit seinen wuscheligen braunen Haaren und dem offenen Lachen, dass mir der feuchte Kuss fast gar nichts ausmachte. Noch nie war ich einem Jungen so nahe gewesen. Endlich konnte ich mitreden.
Auch bei unserem Ruderclub schienen mich die Jungs neuerdings zu bemerken.
Ein Jahr zuvor hatte mich ein Mädchen aus meiner Klasse gefragt, ob ich nicht ihrem Ruderclub am Rheinhafen beitreten wolle. Meine Eltern waren darüber hocherfreut gewesen und zahlten anstandslos den geringen Jahresbeitrag. Ich bekam sogar ein Clubhemd und ein paar neue Sportschuhe.
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