Название: Compliance
Автор: Markus Böttcher
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811447059
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Die von Rechtsprechung und Literatur aufgestellten Anforderungen an eine Enthaftung durch Einholung professionellen Rats[20] werden daher durch eine Zertifizierung nach IDW PS 980 in aller Regel nicht erfüllt.[21]
1.4 Rechtsformspezifische Besonderheiten
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Besonderheiten für die Ausgestaltung der Compliance-Organsiation können sich aus der Rechtsform und der Konzernstruktur eines Unternehmens bzw. Unternehmensverbundes ergeben. Die strengsten Anforderungen gelten in der Aktiengesellschaft. Dort sind die Vorstandsmitglieder zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft verpflichtet (§ 76 Abs. 1 AktG). Sie unterliegen im Grundsatz nicht den Weisungen der Gesellschafter (Aktionäre) oder des Aufsichtsrates. Korrelat dieser Freiheit ist die besondere Verantwortung für die Sicherstellung der Rechtschaffenheit im Unternehmen.[22] Die Pflicht zur Einrichtung eines Überwachungssystems für bestandsgefährdende Entwicklungen, § 91 Abs. 2 AktG, normiert nur einen engen Ausschnitt hinsichtlich der diesbezüglichen Organisationspflichten des Vorstands einer Aktiengesellschaft.[23] Im Gegensatz zum Verständnis der Betriebswirtschaftslehre und Prüfungspraxis umfasst § 91 Abs. 2 AktG nach der herrschenden gesellschaftsrechtlichen Auffassung gerade nicht den Aufbau eines umfassenden Risikomanagementsystems.[24]
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Im Vertragskonzern bezieht sich diese Verantwortung ohne Weiteres auch auf die Tochterunternehmen. Die konzernrechtlichen Instrumentarien, insbesondere das Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsleitung eines konzernierten Tochterunternehmens erleichtern einerseits eine konzernweite durchgehende Compliance-Organisation. Sie führen andererseits dazu, dass diese konzernrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten auch genutzt werden müssen, um eine möglichst effiziente Compliance-Organisation auf die Beine zu stellen.[25]
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Im faktischen Konzern besteht, falls die beherrschte Gesellschaft in der Rechtsform der Aktiengesellschaft existiert, ein solches Weisungsrecht nicht. Dort ist aber immerhin eine faktische Möglichkeit der Einflussnahme regelmäßig gegeben. Diese Einflussmöglichkeit ist auch zu nutzen, um die organisierte Rechtschaffenheit der beherrschten Tochterunternehmen sicherzustellen. Zumindest insoweit dürfte eine gewisse Konzernleitungspflicht heute anzuerkennen sein.[26]
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Häufig werden dieser Betrachtungsweise in der Praxis die Haftungsrisiken entgegengehalten, die bei Einflussnahmen im faktischen Konzern bestehen (§§ 311, 317 AktG). Dabei handelt es sich um eine Scheindiskussion. Denn Voraussetzung für eine Haftung des herrschenden Unternehmens ist, dass sich die Einflussnahme nachteilig auf das beherrschte Unternehmen auswirkt. Weshalb und unter welchen Umständen es für ein beherrschtes Unternehmen nachteilig sein soll, wenn das herrschende Unternehmen organisatorische Maßnahmen ergreift, um die Rechtschaffenheit im Handeln des Tochterunternehmens, ihrer Organmitglieder und Mitarbeiter herzustellen, lässt sich jedenfalls im Grundsatz nicht erkennen.
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Bei der GmbH gelten im Ansatz vergleichbare Grundsätze wie in der Aktiengesellschaft. Die Geschäftsleiterverantwortung ist dort insoweit abgemildert, als eine (wirksame und rechtmäßige) Weisung der Gesellschafter zur Enthaftung der Geschäftsführung führt.[27] Gleichwohl tut auch ein Unternehmen in der Rechtsform der GmbH gut daran, eine Compliance-Organisation einzurichten, die der nationalen und internationalen Verkehrssitte (best practice) entspricht. Die Pflicht zur Einrichtung eines Risikomanagementsystems i.S.d. § 91 Abs. 2 AktG gilt (analog) auch für die GmbH.[28]
2. Strafrechtliche Organisationspflichten
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Neben dem Gesellschaftsrecht enthält das Strafrecht, namentlich das Ordnungswidrigkeitenrecht, Rechtsquellen für Organisationspflichten, die sich auf die Compliance-Organisation im Unternehmen unmittelbar auswirken.[29] Einschlägig sind insoweit insbesondere die §§ 9, 30 und 130 OWiG.
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§ 30 OWiG eröffnet die Möglichkeit, Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen zu verhängen. Voraussetzung dafür ist, dass Organmitglieder oder bestimmte weitere Personen in leitender Stellung eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen, durch die Pflichten verletzt werden, welche die juristische Person treffen oder durch die die juristische Person bereichert wird oder werden soll. In einem solchen Fall kann gegen die juristische Person eine Geldbuße festgesetzt werden, die bei Vorsatztaten bis zu 10 Mio. EUR und bei fahrlässigen Straftaten bis zu 5 Mio EUR beträgt (§ 30 Abs. 2 OWiG). Dieser Rahmen kann aber leicht überschritten werden, denn die Geldbuße soll auch den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Tat gezogen hat, übersteigen (§ 30 Abs. 3 i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG).
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Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit zeigt dies anschaulich: § 30 OWiG ist bspw. einschlägig bei Korruptionstaten und ihren typischen Begleitdelikten wie etwa Steuerhinterziehung. Im Fall Siemens führte dies im Jahr 2007 im Hinblick auf einen bestimmten Tatkomplex zu einer Sanktion nach § 30 OWiG in Höhe von insgesamt 201 Mio. EUR. Davon entfielen 1 Mio. EUR auf die reine Geldbuße nach § 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 OWiG und 200 Mio. EUR auf die Gewinnabschöpfung nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG.[30]
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Das Beispiel zeigt: Rechtsverstöße, auch wenn sie im vermeintlichen Interesse des Unternehmens begangen werden, können drastische Sanktionen nicht nur für den einzelnen Täter, sondern für das ganze Unternehmen nach sich ziehen. Daher ist es geboten, durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass solche Rechtsverstöße möglichst nicht vorkommen. § 30 OWiG flankiert damit die bereits aus der allgemeinen Geschäftsleiterverantwortung folgende Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Organisation.
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§ 130 OWiG wird im Hinblick auf Organisationspflichten noch konkreter: Ordnungswidrig handelt danach, wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig diejenigen Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, welche erforderlich sind, um im Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber als solchen treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen zählen nach § 130 Abs. 1 S. 2 OWiG insbesondere die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen.[31] Auch hier ist der Sanktionsrahmen grundsätzlich Geldbuße bis zu 1 Mio. EUR (§ 130 Abs. 3 S. 1 OWiG). Eine höhere Geldbuße ist möglich, wenn die begangene Pflichtverletzung, die durch gehörige Aufsicht hätte vermieden werden sollen, mit höheren Sanktionen belegt ist (§ 130 Abs. 3 S. 2 und 3 OWiG).[32] § 130 OWiG ist daher das direkte strafrechtliche Analogon zur gesellschaftsrechtlichen Organisationspflicht im Hinblick auf die Rechtschaffenheit im Unternehmen.
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