Название: Steuerstrafrecht
Автор: Johannes Franciscus Corsten
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Heidelberger Kommentar
isbn: 9783811406506
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1. Unmittelbares Ansetzen – Abgrenzung des Versuchs der Steuerhinterziehung von der straflosen Vorbereitungshandlung
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Für ein unmittelbares Ansetzen i.S.d. § 22 StGB ist die Begehung von Handlungen die im gesetzlichen Tatbestand umschrieben sind, nicht erforderlich. Es genügt, wenn die Handlungen des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals unmittelbar vorgelagert sind oder in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Tatbestandserfüllung stehen.[722] Im Falle der Steuerhinterziehung durch aktives Tun gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 setzt der Täter regelmäßig mit Abgabe der unrichtigen oder unvollständigen Erklärung beim Finanzamt zur Tat an und betritt damit das Versuchsstadium.[723] Werden Bücher falsch geführt oder Bilanzen fehlerhaft erstellt, handelt es sich um straflose Vorbereitungshandlungen zur Steuerhinterziehung, solange die verfälschte Buchführung noch keinen Niederschlag in Erklärungen gegenüber dem Finanzamt gefunden hat.[724] Z.B. durch die Vorlegung der Buchführung an den Betriebsprüfer wird das Versuchsstadium erreicht.[725] Mit Übergabe seiner Buchhaltungsunterlagen an den Steuerberater überschreitet der Steuerpflichtige die Schwelle zum Versuchsbeginn hingegen noch nicht, sofern der Berater die Buchführung eigenständig erstellen und die Erklärung anschließend einreichen soll.[726] Die Schwelle zum „jetzt geht es los“ ist nach der Rspr. überschritten, wenn der Steuerberater die Erklärung ohne wesentliche Zwischenschritte an das Finanzamt weitergeben soll.[727] Eine Bestrafung der nach § 370 noch nicht strafbaren Vorbereitungshandlung kommt je nach Fallgestaltung u.a. als unrichtige Darstellung gem. § 331 HGB oder als Urkunden- bzw. Datenfälschung gem. §§ 267, 269 StGB in Betracht. Einschlägig können auch die Ordnungswidrigkeiten der Steuergefährdung nach § 379 Abs. 1 Nr. 3 oder nach § 381 Abs. 1 Nr. 1 sein.
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Vertritt man – wie hier – entgegen der Rspr. des BGH die Auffassung, dass Feststellungsbescheide noch keinen steuerlichen Vorteil i.S.d. § 370 darstellen (s. dazu Rn. 169 ff.), stellt sich die Frage, ob der Steuerpflichtige mit falschen Erklärungen gegenüber dem Finanzamt im Feststellungsverfahren bereits das Stadium des Versuchs der Steuerhinterziehung betritt. Dafür spricht, dass die Angaben zwar zunächst nur in den Feststellungsbescheid einfließen, anschließend aber – bei gewöhnlichem Lauf der Dinge und ohne dass es dazu einer Mitwirkungshandlung des Steuerpflichtigen bedarf – in den Folgebescheid übernommen werden. Der Steuerpflichtige gibt somit das Geschehen bereits mit Abgabe der Feststellungserklärung aus der Hand. Darin kann ein unmittelbares Ansetzen zur Tat gesehen werden. In der Literatur wird gegen den Versuchsbeginn vorgebracht, dass zur Übernahme der Feststellungen in den Folgebescheid behördenintern noch ein Zwischenschritt erforderlich ist und eine unmittelbare Gefahr im Hinblick auf die Steuerverkürzung somit erst bestehe, wenn die Übernahme in die nachfolgende Steuerfestsetzung bevorstehe.[728] In einem Urteil, das zu einer Zeit erging, als er in dem Erlass eines Feststellungsbescheides noch keinen Hinterziehungserfolg sah, meinte der BGH, die Tat sei mit dem Versuchsbeginn zugleich vollendet, wofür er aber keine Erklärung lieferte.[729]
2. Untauglicher Versuch und Wahndelikt
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Kann die Handlung des Täters aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht zur Vollendung der Steuerhinterziehung führen, spricht man von einem untauglichen Versuch: der Täter stellt sich irrtümlich einen Sachverhalt vor, der, wenn er tatsächlich gegeben wäre, dem Tatbestand der Steuerhinterziehung unterfiele. Der untaugliche Versuch ist strafbar, in Fällen des grob untauglichen Versuchs kann das Gericht nach seinem Ermessen von der Strafe absehen oder diese mildern (§ 23 Abs. 3 StGB). Abzugrenzen davon ist das straflose Wahndelikt, das sich dadurch auszeichnet, dass der Täter irrtümlich meint, der zutreffend beurteilte Sachverhalt unterliege einer Strafvorschrift (umgekehrter Verbotsirrtum).
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Die Abgrenzung zwischen strafbarem untauglichem Versuch und straflosem Wahndelikt ist im Steuerrecht in besonderem Maße schwierig und umstritten. Erhält bspw. A vor seinen Eltern ein Weihnachtsgeschenk, das einen Wert deutlich unterhalb des Freibetrages hat und daher nicht der Schenkungsteuerpflicht unterliegt, kann er sich mit der unterlassenen Anzeige dennoch strafbar machen, sofern er irrig der Meinung ist, der Wert des Geschenkes sei höher (= Irrtum über Tatsachen) und liege daher über dem Freibetrag. Schlägt er die Schenkung aus, um die Schenkungsteuerpflicht zu vermeiden und stellt sich dabei vor, dass die Schenkungssauschlagung eine strafbare Handlung i.S.d. § 370 sei, weil er dadurch die Entstehung der Steuer vermeidet (= Irrtum über den Anwendungsbereich des § 370), so begeht er ein strafloses Wahndelikt. Umstritten ist die Abgrenzung, wenn sich der Irrtum auf die Steuerrechtslage bezieht. Beispielsweise, wenn der Beschenkte die Anzeige nach § 30 ErbStG unterlässt, obwohl er sich – entgegen der in der Literatur wohl vorherrschenden Auffassung[730] – vorstellt, die Steuerpflicht bestehe unabhängig vom Wert der Zuwendung. Unterstellt man, diese Literaturmeinungwäre richtig, unterläge er einem Irrtum, der sich dann nicht auf die Reichweite des § 370 bezieht, sondern auf die Steuerrechtslage. Letztlich ergeben sich aber keine Besonderheiten, sofern man auch in diesen Fällen danach unterscheidet, ob sich der Irrtum auf die Reichweite steuerlicher Normen bezieht oder auf den zugrunde liegenden Sachverhalt. In dem genannten Beispiel läge demnach, wenn man unterstellt, die Literaturmeinung, nach der keine Erklärung abgegeben werden muss, wäre zutreffend, ein strafloses Wahndelikt vor, da der Beschenkte über die Reichweite der gesetzlichen Anzeigepflicht irrt.
3. Rücktritt vom Versuch
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Nach § 24 Abs. 1 S. 1 StGB entfällt die Strafbarkeit des Versuchs, wenn der Täter freiwillig die weitere Tatausführung aufgibt oder die Vollendung verhindert (siehe zum Rücktritt auch § 369 Rn. 51 ff.). Bei der Vorschrift handelt es sich nach vorherrschender Ansicht um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund,[731] so dass der Rücktritt nur demjenigen zugute kommt, der selbst die Vollendung aufgibt oder verhindert.
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§ 24 Abs. 1 StGB unterscheidet zwischen einem unbeendeten Versuch (der Täter hat noch nicht alle Handlungen vorgenommen, die nach seiner Vorstellung zur Vollendung der Tat erforderlich sind, § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 1) und einem beendeten Versuch (der Täter hat bereits alles getan, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Taterfolges erforderlich ist, § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2). Im Fall des unbeendeten Versuchs muss der Täter zur Erlangung der Straffreiheit die weitere Ausführung der Tat aufgeben, beim beendeten Versuch die Tatvollendung verhindern oder, wenn die Tat ohne sein Zutun nicht vollendet wird, sich zumindest freiwillig und ernsthaft darum bemühen, dass die Tat nicht vollendet wird. Im Fall des § 370 spielt die Unterscheidung praktisch СКАЧАТЬ