Название: Steuerstrafrecht
Автор: Johannes Franciscus Corsten
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Heidelberger Kommentar
isbn: 9783811406506
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Aufgrund der Tatsache, dass § 370 von der vorherrschenden Meinung als Blankettvorschrift qualifiziert wird (s. dazu Rn. 2 ff.), wurde die Steueranspruchstheorie bereits in der Vergangenheit von einzelnen Stimmen in der Literatur mit Verweis auf die allgemein, d.h. außerhalb des Steuerstrafrechts, vorherrschenden Grundsätze zu Blankettnormen in Frage gestellt.[673] Nach den allgemein anerkannten Grundsätzen zu Blankettverweisungen soll es genügen, dass der Täter die Kenntnis von den Umständen hat, die die einschlägige Norm, auf die verwiesen wird, ausfüllen, nicht hingegen Kenntnis von der Norm selbst.[674] Es bestehe kein Grund dafür, § 370 anders zu behandeln als andere Blankettnormen. Folge des Blankett-Verweises sei, dass die Tatbestandsmerkmale der steuerlichen Normen gemeinsam mit denen des § 370 den Straftatbestand bilden, so dass der Vorsatz die Tatbestandsmerkmale des Steuergesetzes umfassen müsse, nicht aber darüber hinaus die Steuerbarkeit bzw. das steuerliche Ergebnis.[675] Es leuchte nicht ein, zwischen einem Rechtsirrtum i.S.d. § 17 StGB über die Strafbewehrtheit und einem solchen über die Steuerpflicht oder den Verkürzungsumfang zu unterscheiden.[676] In diesem Sinne tendierte auch der 1. Strafsenat des BGH in einer Entscheidung vom 8.9.2011 (1 StR 38/11) dazu, die Voraussetzungen an den Vorsatz weiter herab zu setzen, indem er Zweifel daran äußerte, ob eine Fehlvorstellung über das Bestehen eines Steueranspruchs in den Fällen als Tatbestandsirrtum zu qualifizieren ist, in denen der Irrtum sich „auf die Reichweite einer steuerlichen Norm“ bezieht. Der BGH deutete an, dass eine derartige Fehlvorstellung lediglich als Verbotsirrtum i.S.d. § 17 StGB zu werten sein könnte.[677] Folge wäre dann, dass der Irrtum nur bei Unvermeidbarkeit zur Straflosigkeit führen würde – und zwar nicht mangels Vorsatzes sondern erst auf der Ebene der Schuld. Als Tatbestandsirrtum würde dann nur die Fehlvorstellung über die tatsächlichen Umstände, d.h. über die Besteuerungsgrundlagen anerkannt werden, nicht hingegen ein Irrtum über „die steuerrechtlichen Zusammenhänge (Besteuerungstatbestand, Steuerschuldnerschaft, Erklärungspflicht).[678] Diese Rechtsprechung hat der 1. Senat in einer Entscheidung vom 25.10.2017 (1 StR 339/16) noch einmal bestätigt.[679] Demgegenüber hat der 1. Senat in einer Entscheidung vom 24.1.2018 (1 StR 331/17)[680] mitgeteilt, er erwäge – ausdrücklich entgegen den Überlegungen in seinem Beschluss vom 8.9.2011(1 StR 38/11) – zukünftig die Fehlvorstellung über die Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB und die daraus folgende Abführungspflicht – ebenso wie die Arbeitgebereigenschaft i.S.d. Lohnsteuerrechts gem. § 41a EStG – insgesamt als (vorsatzausschließenden) Tatbestandsirrtum zu behandeln.[681] Er begründet dies damit, dass für die Differenzierung bezüglich eines Irrtums i.R.d. § 370 und i.R.d. § 266a StGB kein sachlicher Grund erkennbar sei und es sich bei der Arbeitgeberstellung und der daraus resultierenden Abführungspflicht um (normative) Tatbestandsmerkmale handele.[682] Dem ist beizupflichten.[683] Mit dieser Rechtsprechung wird eine Angleichung der Anforderungen an den Vorsatz i.R.d. § 266a StGB und des § 370 erreicht.
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Die gegenteilige Meinung übersieht, dass es sehr wohl Unterschiede zwischen den Verweisen des § 370 auf das Steuerrecht und (sonstigen) Bankettverweisungen gibt. Die „Verweise“ des § 370 beziehen sich nämlich nicht (entsprechend der Definition von Blankettnormen) nur auf steuerliche Ge- und Verbote, sondern darüber hinaus auch auf den Steueranspruch selbst, aus dem die Ge- und Verbote erst erwachsen. Wie der Name „Verbotsirrtum“ schon sagt, umfasst dieser hingegen nur Fehlvorstellungen über die sich aus einem bestimmten Sachverhalt ergebenden strafbewehrten Pflichten.[684]
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Zudem nennt § 370 Abs. 1 (anders alsüblicherweise Blankettnormen) selbst alle für die Verwirklichung der Steuerhinterziehung erforderlichen Tatbestandsmerkmale, d.h. insb. Tathandlung und Taterfolg („und dadurch Steuern verkürzt oder . . . nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt“). Nach der im allgemeinen Strafrecht einhellig vertretenen Dogmatik müssen aber stets alle Tatbestandsmerkmale vom Vorsatz umfasst sein.[685] Folglich muss der Täter auch den Erfolg wollen, d.h. im Falle des § 370 in dem Wissen und Wollen handeln, durch sein Verhalten Steuern zu verkürzen oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen. Das ist aber, unabhängig davon, wie man die Tatbestandsmerkmale auslegt, unmöglich, wenn ihm nicht bewusst ist, dass möglicherweise ein Steueranspruch besteht.[686]
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Handelt es sich bei den Merkmalen des § 370, wie hier vertreten, um normative Tatbestandsmerkmale (s. dazu Rn. 5), so muss der Täter, um vorsätzlich zu handeln, neben dem Sachverhalt auch den Bedeutungsgehalt erkennen. Dabei stellt die vorherrschende Meinung auf eine „Parallelwertung in der Laiensphäre“ ab.[687] Das gilt zunächst für die auf das materielle Steuerrecht verweisenden Tatbestandsmerkmale „steuerlich erhebliche Tatsachen“, „Steuerverkürzung“ und „Steuervorteil“.[688]
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Bezogen auf das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit des Unterlassens bei der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 wird überwiegend auch im Rahmen der Steueranspruchstheorie vertreten, der Vorsatz müsse sich darauf nicht beziehen, da es sich bei der Pflicht zu Handeln nicht um einen tatsächlichen Umstand handele.[689] Ein Irrtum über die Pflicht selbst sei ein Verbotsirrtum i.S.d. § 17 StGB. Demgegenüber sei ein Irrtum über die tatsächlichen Umstände, die die Pflicht zum Handeln begründen, Tatbestandsirrtum im Sine des § 16 StGB.[690] Tatsächlich ist aber auch die „Pflichtwidrigkeit“ des § 370 Abs. 1 Nr. 2 – ebenso wie die „Pflichtwidrigkeit“ im Rahmen der Untreue gem. § 266 StGB – normatives Tatbestandsmerkmal und keine Blankettverweisung (siehe dazu auch Rn. 4).[691] Das BVerfG[692] verneint für § 266 StGB das Vorliegen eines Blankett-Verweises СКАЧАТЬ