Название: Steuerstrafrecht
Автор: Johannes Franciscus Corsten
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Heidelberger Kommentar
isbn: 9783811406506
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Nach einer Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1980 kann einem Steuerpflichtigen, der die Fristen zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen verstreichen lässt, der Vorsatz zur Hinterziehung durch Unterlassen aufgrund der Erfahrung in der Vergangenheit fehlen, dass die Finanzbehörde auf die Versäumung solcher Fristen mit Steuerfestsetzungen reagiert hat, die auf Schätzungen beruhten und der Höhe nach die tatsächlich bestehende Steuerschuld überschritten. Aufgrund einer solchen Erfahrung könne die Erwartung, dass die Steuerbehörde solche Bescheide auch in Zukunft noch vor dem Abschluss der allgemeinen Veranlagungsarbeiten erlassen werde, nahe liegen, so dass es sich nicht von selbst verstehe, dass der Steuerpflichtige angenommen hat, er würde mit der Versäumung weiterer Abgabefristen Steuern verkürzen.[707]
6. Begründung des Vorsatzes im Urteil
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Prozessual muss der Tatrichter das Vorliegen von Vorsatz unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles sowie der Kenntnisse und der Erkenntnismöglichkeiten des Täters feststellen.[708] Er darf sich nicht darauf beschränken, Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen zu treffen, wenn sich die Merkmale der inneren Tatseite nicht von selbst aus der Sachverhaltsschilderung ergeben.[709] Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass der Tatrichter bei der Beweiswürdigung alle be- und entlastenden Umstände erkannt und in seine Überlegungen mit einbezogen hat.[710] Formelhafte Hinweise auf Vorstellungen und Absichten des Angeklagten genügen nicht.[711] So erfordert bspw. eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung durch Nichtangabe von Spekulationsgewinnen aus Aktiengeschäften die Abgrenzung zwischen vorsätzlichem und leichtfertigem Handeln, anhand genauer Feststellungen zu den zugrundeliegenden Wertpapiergeschäften und zu den Umständen, die die Kenntniserlangung des Angeklagten von den Gewinnen belegen, umfassen.[712]
VI. Irrtum
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Nach § 369 Abs. 2 i.V.m. § 16 Abs. 1 StGB handelt in einem Tatbestandsirrtum, wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Er handelt dann ohne Vorsatz und kann nur wegen fahrlässiger Tatbegehung bestraft werden, sofern die fahrlässige Begehung unter Strafe gestellt ist (§§ 15, 16 Abs. 1 S. 2 StGB). Auf die Vermeidbarkeit des Irrtums kommt es dabei nicht an. Die fahrlässige Steuerhinterziehung ist nicht strafbar, in Betracht kommt insoweit aber die Ahndung einer leichtfertigen Steuerverkürzung als Ordnungswidrigkeit (§ 378). Demgegenüber bestimmt § 17 S. 1 StGB, dass ein Täter, dem bei Begehung der Tat die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun, ohne Schuld handelt, wenn er seinen Irrtum nicht vermeiden konnte (unvermeidbarer Verbotsirrtum, siehe dazu auch § 369 Rn. 88 ff.). Er ist dann nicht strafbar. War der Irrtum vermeidbar, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden. Für die Einsicht, Unrecht zu tun, genügt es, dass der Täter erkennt, dass er gegen steuerliche Pflichten verstößt. Er muss nicht darüber hinaus wissen, dass er sich damit strafbar macht.[713]
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Im Steuerstrafrecht ist die Abgrenzung des Verbotsirrtums gem. § 17 StGB vom Tatbestandsirrtum gem. § 16 StGB wegen der Verweise der Merkmale „steuerlich erhebliche Tatsache“,„Steuerverkürzung“ und „Steuervorteil“ auf das Steuerrecht in § 370 in besonderem Maße umstritten (s. dazu Rn. 263 f.). Bei einem Irrtum über die Steuerrechtslage nimmt die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung[714] und Literatur[715] – zutreffend – einen Tatbestandsirrtum an (s. dazu Rn. 264). Problematisiert wurde diese Annahme durch den 1. Senat des BGH[716] mit Verweis auf die vorherrschende Ansicht, wonach es sich bei § 370 um eine Blankettvorschrift handele, die auf die Steuergesetze verweise. Dieses Problem stellt sich hingegen nicht, wenn man die genannten Tatbestandsmerkmale – wie hier vertreten (s. dazu Rn. 2 ff.) – als normative Tatbestandsmerkmale qualifiziert. Dann ist Voraussetzung des Vorsatzes, dass der Täter den sozialen Sinngehalt der Sachverhaltsverwirklichung erkennt, wobei er für eine Steuerhinterziehung in Form einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ Kenntnis von der steuerlichen Rechtslage haben muss.[717] Aber selbst unter Ausblendung dieses Streits dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass sämtliche Tatbestandsmermale des § 370 Abs. 1 vom Vorsatz umfasst sein müssen, also auch der Hinterziehungserfolg („und dadurch Steuern verkürzt oder . . . nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt“). Der Täter muss also wissentlich und willentlich Steuern verkürzen bzw. nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangen. Das setzt voraus, dass er zumindest billigend in Kauf nimmt, dass ein Steueranspruch besteht, bzw. der von ihm geltend gemachte Steueranspruch nicht besteht.[718]
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In der Praxis lassen sich die Ermittlungsbehörden und Gerichte nur selten davon überzeugen, dass der der Täter die ihm obliegenden steuerlichen Pflichten aufgrund eines Irrtums verletzt hätte, sondern unterstellen (bedingt) vorsätzliches und schuldhaftes Handeln. Bspw. rechtfertigt der Hinweis eines angeklagten Juristen und Verwaltungsfachmanns auf die (behauptete) Lektüre eines die Steuerpflicht der in Frage stehenden Renditen betreffenden, wenig aussagekräftigen Zeitungsartikels angesichts des äußerst dubiosen Anlagesystems und der Warnung von Kollegen nicht die Annahme eines vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtums.[719]
280
Geht der Täter irrtümlich davon aus, mit seinem Verhalten einen Tatumstand zu verwirklichen, kann er wegen untauglichen Versuchs bestraft werden. Meint er fälschlich, sein Verhalten sei strafbar, so ist sein Verhalten als sog. Wahndelikt straffrei (s. dazu auch Rn. 285 f.).
VII. Versuch
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Der Versuch der Steuerhinterziehung ist gem. § 370 Abs. 2 strafbar. Die Strafe kann beim Versuch nach § 23 Abs. 2 StGB gemildert werden (fakultative Strafmilderung), wodurch sich der Strafrahmen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB zugunsten des Täters verschiebt.
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Der Täter macht sich des Versuchs einer Steuerhinterziehung strafbar, wenn er nach seiner Vorstellung von der Tat zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dazu muss er Handlungen vornehmen, die nach seiner Vorstellung im Falle ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte unmittelbar in die Tatbestandserfüllung münden können.[720] In der Regel setzt der Täter bei entsprechendem Vorsatz mit Abgabe einer unrichtigen Erklärung gegenüber der Finanzbehörde zur Tatbestandsverwirklichung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 an, in Unterlassungsfällen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3) mit dem Verstreichenlassen der Frist zur Abgabe steuerlicher Erklärungen.[721] Bei Anmeldesteuern gibt es im Fall des § 168 S. 1 kein Versuchsstadium, СКАЧАТЬ