Название: Antikorruptions-Compliance
Автор: Simon Schafer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811457294
isbn:
a) Leistung des Amtsträgers (Pflichtwidrige Diensthandlung)
36
Die vom Amtsträger zu erbringende Leistung besteht in einer Diensthandlung (oder der Unterlassung einer solchen, § 336 StGB), durch die der Amtsträger seine Dienstpflicht verletzt oder durch die er das Vermögen der EU beschädigt oder gefährdet (§ 3 EUFinSchStG). Da die Vermögensbeeinträchtigung aber praktisch immer mit einer Dienstpflichtverletzung einhergehen wird, kommt dieser Variante keine eigenständige Bedeutung zu..
37
Die Leistung des Amtsträgers muss zunächst eine Diensthandlung sein; der Gegenbegriff hierzu ist die nicht-tatbestandsmäßige Privathandlung (etwa in Gestalt einer Nebentätigkeit). Diensthandlung meint ein Handeln, das zu den dienstlichen Obliegenheiten des Amtsträgers gehört und von ihm in dienstlicher Eigenschaft vorgenommen wird, etwa das Treffen einer außenwirksamen Entscheidung in Gestalt eines Verwaltungsakts oder auch eine bloß vorbereitende oder unterstützende behördeninterne Tätigkeit.[105] Die örtliche oder sachliche Unzuständigkeit des Amtsträgers lässt den dienstlichen Charakter seiner Tätigkeit unberührt, sofern zwischen dieser und den Aufgaben des Amtsträgers zumindest ein funktionaler Zusammenhang besteht.[106] Ein solcher ist aber zu vereinen, wenn der Amtsträger ausdrücklich als Privatperson agiert[107] – und zwar auch dann, wenn die private Nebentätigkeit dienstlich untersagt ist,[108] verbotenerweise während der Dienstzeit ausgeübt wird[109] oder unter missbräuchlicher Inanspruchnahme dienstlich erworbener Kenntnisse erfolgt.[110] Am erforderlichen Aufgabenzusammenhang soll es auch im Falle grober sachlicher Unzuständigkeit fehlen (Beispiel: Erteilung einer Baugenehmigung durch einen Finanzbeamten[111]); man wird sich insoweit an der Fehlerlehre zu § 44 Abs. 1 VwVfG orientieren können. Nach zutr. Ansicht kann aber selbst ein strafbares Verhalten den erforderlichen Dienstbezug aufweisen.[112] Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 340 Abs. 1 StGB.[113]
38
Die Pflichtwidrigkeit des dienstlichen Verhaltens ist nach außerstrafrechtlichen Maßstäben, also akzessorisch zu bestimmen.[114] Sie kann sich aus dem Verstoß gegen Gesetze (materielles ebenso wie Prozessrecht), allgemeine Dienstvorschriften oder Einzelanordnungen ergeben.[115] Zu beachten ist jedoch, dass sich die Pflichtverletzung nicht in der Annahme des Vorteils erschöpfen darf, sodass ein schlichter Verstoß gegen ein Geschenkannahmeverbot (z.B. § 42 BeamtStG) nicht ausreicht.[116] Allerdings führt eine verbotene Geschenkannahme regelmäßig zur Besorgnis der Befangenheit (vgl. § 21 VwVfG), sodass jede weitere Tätigkeit in dieser Angelegenheit dann eine (eigenständige) Pflichtwidrigkeit begründen kann.[117] Im Einzelnen sind folgende Besonderheiten in Bezug auf bestimmte Entscheidungstypen zu beachten:
aa) Gebundene Entscheidung
39
Bei gebundenen Entscheidungen, d.h. solchen, bei denen es nur eine einzige richtige Entscheidungsmöglichkeit gibt,[118] ist jede Abweichung von dieser pflichtwidrig. Umgekehrt liegt aber nach h.M. kein Bestechungsunrecht vor, wenn der Amtsträger als Gegenleistung für einen Vorteil eine Diensthandlung zusagt, zu deren Vornahme er ohnehin verpflichtet gewesen wäre. In diesen Fällen ist lediglich Raum für die §§ 331, 333 StGB; ggf. kommt auch eine versuchte Bestechung/Bestechlichkeit in Betracht (Beispiel: Der Schmiergeldempfänger weiß nicht, dass das Angebot des Gebers gegenüber denen der Konkurrenz ohnehin das wirtschaftlichste i.S.v. § 127 Abs. 1 S. 1 GWB ist).[119]
bb) Ermessensentscheidung
40
Eine Ermessensentscheidung im strafrechtlichen Sinne liegt vor, wenn dem Entscheidungsträger auf Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite der entscheidungserheblichen Norm ein Entscheidungsspielraum eingeräumt ist, sodass mehrere Entscheidungsergebnisse vertretbar (d.h. pflichtgemäß) sind.[120] In dieser Situation kann sich die Pflichtwidrigkeit der Diensthandlung aus unterschiedlichen Gründen ergeben.
41
Unstreitig liegt eine Pflichtwidrigkeit vor, wenn der Amtsträger eine trotz des Spielraums im Ergebnis unvertretbare Entscheidung trifft (Beispiel: Überschreitung der Ermessensgrenzen i.S.v. § 40 VwVfG).[121] Hält sich die Entscheidung im Ergebnis noch innerhalb des Ermessensspielraums, ist sie gleichwohl pflichtwidrig, wenn eine zweckwidrige Ermessensausübung vorliegt. Ein solcher Ermessensfehlgebrauch ist insbesondere gegeben, wenn sich der Amtsträger von dem (bereits gewährten oder zumindest in Aussicht gestellten) Vorteil hat beeinflussen lassen (arg. e § 332 Abs. 3 Nr. 2 StGB).[122] Etwas anderes gilt lediglich in denjenigen Fällen, in denen eine ausdrückliche Erlaubnis dafür besteht, dass sich der Amtsträger bei seiner Entscheidung von einer Vorteilsgewährung beeinflussen lässt (Beispiele: Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO unter der Voraussetzung der Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung; Entrichtung einer gesetzlichen Gebühr)[123].
42
Entgegen früherer Rspr.[124] ist nach inzwischen ganz h.M. aber keine Pflichtwidrigkeit gegeben, wenn sich der Amtsträger innerlich ernsthaft vorbehält, dem Vorteil keinen Einfluss auf seine Entscheidung einzuräumen.[125] Allerdings ordnet § 332 Abs. 3 Nr. 2 StGB eine Strafbarkeit des Amtsträgers bereits für den Fall an, dass sich dieser hinsichtlich einer künftigen Ermessensentscheidung gegenüber dem anderen bereit zeigt, sich durch den Vorteil beeinflussen zu lassen;[126] eine Mentalreservation (d.h. der heimliche Vorsatz, sich bei der Entscheidung doch nicht beeinflussen lassen zu wollen) ist also insoweit unbeachtlich.
43
Umstritten ist, inwiefern sog. Beschleunigungszahlungen (facilitation payments)[127] zur Pflichtwidrigkeit einer in der Sache korrekt, aber eben infolge der Vorteilszuwendung beschleunigt vorgenommenen – etwa: nach Dienstschluss oder durch vorgezogene Terminierung – Diensthandlung führen. Während die h.M. nur bei Verstößen gegen eine ausdrücklich (z.B. qua Gesetz oder Dienstanweisung) vorgegebene Bearbeitungsreihenfolge Pflichtwidrigkeit annimmt,[128] verweist die Gegenansicht auf die in jedem Falle vorliegende Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes und der Dienstpflicht zur Unparteilichkeit.[129]
cc) Richterliche Handlung
44
Hinsichtlich des Qualifikationstatbestandes der Richterkorruption (§§ 332 Abs. 2, 334 Abs. 2 StGB) muss sich die Unrechtsvereinbarung auf eine pflichtwidrige richterliche Handlung beziehen. Das sind Tätigkeiten, deretwegen die richterliche Unabhängigkeit garantiert ist.[130] Hierzu gehören neben den eigentlichen Entscheidungen die dazugehörigen Begleithandlungen (z.B. Terminierungen und Ermittlungsmaßnahmen), nicht hingegen richterliche Tätigkeiten, die der Justizverwaltung angehören.[131] Hinsichtlich der richterlichen Ermessensentscheidungen (bspw. Strafmaß- oder Kostenentscheidungen СКАЧАТЬ