Название: Antikorruptions-Compliance
Автор: Simon Schafer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811457294
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Unabhängig davon, welche Umstände zu einer Vergabe des Turniers nach Argentinien oder – trotz einer schon damals geführten Diskussion – zur Teilnahme auch der deutschen Nationalmannschaft geführt haben, scheint es klar, dass unter dem Gesichtspunkt der Compliance im Hinblick auf Menschenrechtsverletzungen eine solche Vergabeentscheidung heute nicht mehr getroffen werden würde bzw. zahlreiche Mannschaften einen Boykott des Turnier erklären würden. Entsprechende Entscheidungen wären den jeweils Verantwortlichen aus Compliancesicht indes dringend zu raten.
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Dass das so klar nicht ist, wird allerdings auch bei der anstehenden Fußballweltmeisterschaft, der Fußball-WM 2022 in Katar, leider allzu schnell deutlich. Berichte über mangelnde Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen für die unzähligen Gastarbeiter auf den Baustellen für die WM-Stätten reißen nicht ab.[56] Anlässlich der Covid-19-Pandemie gerieten sie kürzlich erneut in den Fokus.[57]
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Allein dies würde aus einer Unternehmenssicht für ein komplettes PR- und Compliance-Desaster ausreichen. Aber auch im Hinblick auf die eigentliche Vergabeentscheidung der FIFA gibt es neue Erkenntnisse: Die US-amerikanischen Ermittlungsbehörden geben an, klare Beweise dafür zu haben, dass zur Vergabe der WM 2018 nach Russland und zur WM 2022 nach Katar Schmiergeldzahlungen geflossen sind.[58]
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Dies erklärt zumindest Vergabeentscheidungen, die von jeglichen Sacherwägungen befreit zu sein scheinen. Warum eine Fußball-WM in einer islamisch geprägten Monarchie ohne nennenswerte Fußballtradition – dafür aber damit mit Traditionen, die im menschenrechtszentrierten demokratischen Rechtsstaat europäischen Gepräges höchst problematisch dahergekommen – und selbst im Winter noch unter fußball- und zuschauerfeindlichen Bedingungen durchgeführt werden soll, erschließt sich – auch in Kenntnis einiger dafür vorgebrachter Argumente – letztlich nicht.
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Jedes Compliance-Management-System auf einer solchen Ebene im Sport muss Mechanismen enthalten, die solche – schlechterdings nicht mehr erklärbare – Entscheidungen schon auf der Auswahlebene (und wegen möglicher Bestechung nicht erst auf der Abstimmungsebene) verhindern. Anhaltspunkte für verschiedene (Straf-)Rechtsverletzungen geben solche Vergabeentscheidungen ohnehin.[59]
IV. Ticketvergabe
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Die Tickets bei den „Top Events“ oder bei den Spitzenspielen aller Wettbewerbe sind heiß begehrt. Nicht jeder Interessierte bekommt ein Ticket. Bei den FIFA-Weltmeisterschaften oder den Europameisterschaften muss man sich einem Online-Verlosungsverfahren unterziehen. Der DFB kann für das DFB-Pokalendspiel dreimal so viele Tickets verkaufen, wie das Berliner Olympiastadion Zuschauerplätze hat. Insider wissen, was es bedeutet, eine Dauerkarte etwa des 1. FC Köln zu bekommen: Die Warteliste ist lang. Sobald persönliche Enttäuschungen auftreten, ist es klar, dass die Ticketvergabe häufig als intransparent kritisiert werden wird.[60] Dies gilt insbesondere, wenn persönliche Einladungspräferenzen von Verantwortlichen vor Abgabe der Tickets an die Allgemeinheit abgearbeitet werden (s.o. Rn. 12 ff.).
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Unter Compliance-Gesichtspunkten ist hier eine nachvollziehbare und objektive Vergabe anzustreben, welche die berechtigten Interessen aller Beteiligten, also Sponsoren, Mitglieder und Fans, berücksichtigt.[61] Die Vergabevorgang muss also transparent gemacht werden, in dem die Aufteilung der zur Verfügung stehenden Kartenkontingente eindeutig vorgenommen und klar kommuniziert wird.[62] Es spricht freilich nichts dagegen, in einem solchen Konzept auch Eintrittskarten für Sponsoren, Förderer oder sonstige Wohltäter (z.B. jahrelang tätige Ehrenamtler) vorzusehen, ohne die das Sportsystem nicht funktionieren würde, sofern hiermit offen und ehrlich umgegangen wird.
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Die von Fanseite aufgrund vielfacher Enttäuschungen ungeliebten und häufig technisch überlasteten IT-Hilfsmittel zur Vergabe von Eintrittskarten bei den Spitzenspielen und großen Wettbewerben haben sich hingegen bewährt. Bei den großen Events betreiben die Verantwortlichen bei dem jeweiligen Veranstalter nichts anderes als Mangelverwaltung. Bei deren Bewältigung mit einem technischen Lossystem machen sie sich gerade nicht angreifbar.[63] Forderungen, diese IT-Lösungen auch quellcodeoffen zu gestalten, damit unabhängige Spezialisten die Zufälligkeit und „Unbestechlichkeit“ des Vergabealgorithmus überprüfen und bestätigen können, werden auf die Veranstalter zukommen.
V. Vergabe von Fernsehrechten
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Eine besonders große Rolle spielt die Vergabe von Fernsehrechten. Bewegtbilder sind der Schlüssel zur Kommerzialisierung des Sports. Sportübertragungen, durch welchen Anbieter auch immer, genießen bei den Fans allerhöchstes Interesse. Viele sind bereit, hierfür z.T. horrende monatliche Abo-Gebühren zu bezahlen. Trotzdem – und auch trotz der nach wie vor bestehenden und i.W. unbestrittenen Informationsgarantien durch die Staatsverträge (Grundversorgung, Kurzberichterstattung) – hat sich das Bezahl„fernsehen“ durchgesetzt, welches sich heute mehr als Bezahlstreaming darstellen dürfte. Faktisch alle Sportgroßveranstaltungen und die großen Ligen (etwa die nordamerikanischen Football-, Baseball-, Basketball- und Hockeyligen; die europäischen Fußballligen) wären ohne eine Verwertung der Bewegtbilderrechte in der heutigen Form (so) nicht existent. Die Fußball-Bundesliga gäbe es allenfalls in amateurhaften Dimensionen: Alleine Sky, trotz gestiegener Konkurrenz immer noch der größte Medienpartner der Bundesliga, zahlt jedes Jahr fast 1 Milliarde Euro an die DFL.[64]
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Dass hier für die Beteiligten Unternehmen und Unternehmer, Verbände, Vereine und Funktionäre jeweils eine Menge Geld auf dem Spiel steht und deswegen die Korrektheit der Vorgänge besonders beachtet werden muss, liegt auf der Hand. Allerdings lädt die Ausschreibung der Medienrechte durch die DFL in Deutschland nicht gerade zum Einsatz unlauterer Methoden ein, weil das Verfahren seit einigen Jahren wegen der kartellrechtlichen Besonderheiten bei der sog. Zentralvergabe (besser: „Gesamtvergabe“)[65] dieser Medienrechte unter enger Begleitung durch das Bundeskartellamt stattfindet.
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Dass es auf internationaler Ebene erhebliche Schmiergeldzahlung in der Verbindung mit der Gewährung von Medien- und Sponsorenrechten gab, ist spätestens seit den spektakulären Verhaftung ranghoher FIFA-Offiziellen im Züricher Hotel „Baur au Lac“ im Mai 2015[66] und den anschließenden in den Vereinigten Staaten geführten Strafverfahren öffentlich bekannt.
VI. СКАЧАТЬ