Название: Antikorruptions-Compliance
Автор: Simon Schafer
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Wirtschaftsrecht
isbn: 9783811457294
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II. Wahlen in Gremien und Ämter
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Auf die Bedeutung der Ehrenämter im Sport ist bereits hingewiesen worden. Die Ämter im Sport sind aber nicht nur aus altruistischen Motiven interessant. In der verantwortungsvollen Führung einer Sportorganisation zum Wohle vieler kann man tiefe Befriedigung finden. Nicht zuletzt wird auch durch Titel, Einfluss und Macht ein natürlicher Grundnarzissmus bedient, der in jeder Persönlichkeit steckt. Probleme treten immer dann auf, wenn Wollen und Können eines Amtsanwärters mit seinen Aufgaben nicht recht in Einklang zu bringen sind. Das funktioniert in beide Richtungen: Der Gernegroß, der unbedingt Präsident sein möchte, ist mit den Aufgaben überfordert.[47] Dem potenten Konzerndirektor, der die Geschicke des heimatlichen Großvereins leiten möchte, fehlt in der Regel die notwendige Zeit und möglicherweise auch der richtige Ton für einen basisnahe Führung und Kommunikation.
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Das Ehren- oder Führungsamt kann aber auch aus anderen Gründen sehr attraktiv sein: Es ermöglicht etwa den Kontakt zu prominenten Sportlern, führt möglicherweise zu eigener Prominenz und ermöglicht i.d.R. einen einfacheren Zugriff auf Tickets zu spannenden Veranstaltungen. In den großen Dachverbänden wird aus dem „Ehrenamt“ dann ein Wahlamt, das teilweise gegen nicht unerhebliche Aufwandsentschädigungen ausgeübt wird.[48] In großen Sportarten, wie etwa im Fußball, winken bereits auf Landesverbandsebene Vergünstigungen wie eine pauschalierte Aufwandsentschädigung und ein Dienstwagen. Das eigene Büro in der Verbandsgeschäftsstelle mit Geschäftsführung und/oder Assistenz dürfte häufig als selbstverständlich gelten.
1. Erlangung des Amtes
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Aus welchen Gründen auch immer: Diese – für viele Menschen spannenden – Ämter werden häufig angestrebt und wollen auch behalten werden. Hierzu werden nicht zuletzt häufig Absprachen getroffen, die jedenfalls dann nicht zu beanstanden sind, wenn sie öffentlich und damit transparent erfolgen sowie von den dafür bestimmten Gremien vorgenommen werden. Unter Compliance-Gesichtspunkten werden andere Absprachen oder Einflussnahmen, etwa von übergeordneten Verbänden, um sich im untergeordneten Verband einen amtierenden Präsidenten als Günstling zu erhalten, freilich problematisch. Die Grenzziehung zwischen zulässigen Absprachen und dem – hier nach dem kölnischen Begriff benannten – „Klüngeln“ (wählst Du mich, wähle ich Dich; wählst Du meinen Kandidaten, wähle ich Deinen Kandidaten; wenn diese Satzungsänderung durchkommt, wählen wir Deinen Kandidaten) ist nicht immer einfach. Rechtswidrig werden sie jedenfalls dann, wenn es zu unsachgemäßen Verbindungen kommt (Satzungsänderung/Kandidat für ein Amt) oder Dritte unlauter benachteiligt werden. Dies ist nicht nur ein Compliance-, sondern für Verbände ein Qualitäts- und Zukunftsproblem, weil so eine Bestenauslese für Verbandsämter verhindert wird.
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In eine Strafbarkeit nach den Korruptionsdelikten laufen solche Absprachen, wenn sie mit konkreten materiellen Vorteilen verbunden werden. So wird dem amtierenden FIFA-Präsidenten und seinem Vorgänger zumindest nachgesagt, die Präsidenten der FIFA-Mitgliedsverbände durch das Versprechen von Turnieren oder Zuwendungen als „Stimmvieh“ bei der Stange gehalten zu haben. Hierbei soll es sich häufig um kleinere Nationalverbände handeln, die im internationalen Fußball faktisch keine Rolle spielen, aber bei der FIFA mit ihrer Stimme Erstaunliches ausrichten können:[49] So betreut der Fußballverband von Katar 16 Vereine, während sich der DFB um rund 24 000 Vereine kümmert. Beide Verbände haben in der FIFA-Generalversammlung eine gleichgewichtete Stimme.
2. Interessenkollisionen
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Gestandene Ehrenamtler wissen es: Ehrenämter drohen „auszufransen“. Auch weil es häufig an Alternativen fehlt, werden Personen, die sich in Ehrenämter und Gremienpositionen bewährt haben, verwendet, um weitere Positionen in anderen und übergeordneten Verbänden auszuüben. Dies ist häufig, neben weiteren Aufgaben, mit weiteren Vergünstigungen versehen. Hier ergibt sich Compliance-Problem unter Qualitätsgesichtspunkten: Ein Mehr an Aufgaben verlangt nach einem Mehr an Zeit für eine korrekte Aufgabenerledigung. Naturgemäß sind aber die zeitlichen Ressourcen der handelnden Personen beschränkt, die zudem häufig noch im aktiven Berufsleben stehen. Soweit die weiteren Positionen aktiv angestrebt werden, stellen sich die im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Compliance-Probleme.
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Ein weiteres Einfallstor für Konflikte sind Doppelfunktionen und Ämterhäufungen. Solche sollten stets konsequent und transparent auseinandergehalten werden, so dass es immer klar und deutlich ist, in welcher Funktion und mit welchem Mandat ein Funktionär gerade tätig wird.[50] Häufig ist hier noch nicht auf allen Sportebenen das notwendige Problembewusstsein eingekehrt: Dass z.B. der hauptamtliche Sportschulleiter eines Fußballlandesverbandes gleichzeitig Schatzmeister des übergeordneten Regionalverbandes ist und dort unmittelbaren Einfluss auf die Belegung, Bezuschussung und Aufstellung der eigenen Sportschule und der anderen Sportschulen hat, ist unter Compliance-Gesichtspunkten zumindest bemerkenswert.
III. Vergabe von Sportereignissen
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Dass es eigentlich bei der Vergabe von Sportgroßereignissen häufig nicht mehr mit rechten Dingen zugehen kann, ist ein offenes Geheimnis. Als Beispiel braucht bloß die Fußball-WM der FIFA herangezogen werden, die in ihrer Geschichte schon so viele Vergabeskandale heraufbeschworen hat, dass man sich mit abgeklärtem Blick schon wundern muss, warum Verband und Vergabe nicht nachhaltig reformiert worden sind.
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In Deutschland liegt der Fokus natürlich auf dem sog. Sommermärchen, der Fußball-WM 2006 in Deutschland, bei deren Vergabe es um eine nach wie vor jedenfalls im Kern ungeklärte 6,7-Millionenzahlung zwischen dem adidas-Manager Louis-Dreyfus, Franz Beckenbauer und dem DFB kam.[51] Während in Deutschland strafrechtlich deswegen zumindest das Hauptverfahren gegen die damals verantwortlichen Funktionäre des DFB wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung eröffnet wurde[52] (obwohl auch hier recht bald absolute Verjährung droht), steht der entsprechende Prozess in der Schweiz vor dem aus.[53] Dieser scheint sich in der Schweiz mittlerweile sogar zu einem handfesten Justizskandal zu entwickeln.[54] Dabei wäre eine umfassende gerichtliche Aufklärung äußerst wünschenswert, um von dazu berufener Stelle die Klärung zu erhalten, ob es insoweit tatsächlich zu einem korrumptiven Stimmenkauf bei der Vergabeentscheidung gekommen ist. Hierbei ist klar, dass Deutschland – anders als seinerzeit Argentinien und im Jahr 2022 Katar, hierzu sogleich – aus gesellschaftlicher, politischer und sportlicher Sicht ein geeigneter Ausrichter für das Turnier war.
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Aus der Retrospektive skandalös war ebenfalls die Vergabe der Fußball-WM 1978 nach Argentinien, die angesichts der damaligen politischen Lage und Menschenrechtssituation vor Ort niemals hätte erfolgen dürfen bzw. hätte revidiert werden müssen. Die Menschenrechtsverletzungen durch die herrschende Militärjunta gerade auch im Hinblick СКАЧАТЬ