Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
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Название: Handbuch Medizinrecht

Автор: Thomas Vollmöller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: C.F. Müller Medizinrecht

isbn: 9783811492691

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СКАЧАТЬ kann, ist sie zu einem von staatlicher Fremdbestimmung freien Bereich autonomer Verantwortung erklärt worden (vgl. BVerfGE 35, 79, 112 f.; 47, 327, 367 f.). Jeder, der wissenschaftlich tätig ist, genießt daher Schutz vor staatlichen Einwirkungen auf den Prozess der Gewinnung von Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG schützt aber nicht eine bestimmte Auffassung von Wissenschaft oder eine bestimmte Wissenschaftstheorie. Das wäre mit der prinzipiellen Unvollständigkeit und Unabgeschlossenheit unvereinbar, die der Wissenschaft trotz des für sie konstitutiven Wahrheitsbezugs eignet (vgl. BVerfGE 35, 79, 113; 47, 327, 367 f.). Der Schutz dieses Grundrechts hängt weder von der Richtigkeit der Methoden und Ergebnisse ab, noch der Stichhaltigkeit der Argumentation und der Beweisführung oder der Vollständigkeit der Gesichtspunkte und Belege, die einem wissenschaftlichen Werk zugrunde liegen. Über gute und schlechte Wissenschaft, Wahrheit und Unwahrheit von Ergebnissen kann nur wissenschaftlich geurteilt werden (vgl. BVerfGE 5, 85, 145). Auffassungen, die sich in der wissenschaftlichen Diskussion durchgesetzt haben, bleiben der Revision und dem Wandel unterworfen. Die Wissenschaftsfreiheit schützt daher auch Mindermeinungen sowie Forschungsansätze und -ergebnisse, die sich als irrig oder fehlerhaft erweisen. Ebenso genießt unorthodoxes oder intuitives Vorgehen den Schutz des Grundrechts. Voraussetzung ist nur, dass es sich dabei um Wissenschaft handelt; darunter fällt alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter Versuch zur Ermittlung von Wahrheit anzusehen ist (vgl. BVerfGE 35, 79, 113; 47, 327, 367). Aus der Offenheit und der Wandelbarkeit von Wissenschaft, von der der Wissenschaftsbegriff des Grundgesetzes ausgeht, folgt aber nicht, dass eine Veröffentlichung schon deshalb als wissenschaftlich zu gelten hat, weil ihr Autor sie als wissenschaftlich ansieht oder bezeichnet. Denn die Einordnung unter die Wissenschaftsfreiheit, die nicht dem Vorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG unterliegt (vgl. BVerfGE 35, 79, 112), kann nicht allein von der Beurteilung desjenigen abhängen, der das Grundrecht für sich in Anspruch nimmt. Soweit es auf die Zulässigkeit einer Beschränkung zum Zwecke des Jugendschutzes (vgl. BVerfGE 83, 130, 139) oder eines anderen verfassungsrechtlich geschützten Gutes (vgl. BVerfGE 81, 278, 292) ankommt, sind vielmehr auch Behörden und Gericht zu der Prüfung befugt, ob ein Werk das Merkmal des – weit zu verstehenden – Wissenschaftsbegriffs erfüllt.

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      Verfassungsrechtliche Fragen stellen sich auch im Bereich der Xenotransplantation. In seiner Stellungnahme vom 27.9.2011 hat der Deutsche Ethikrat zwar enge Grenzen definiert, in einigen Varianten jedoch die Forschung für vertretbar, jedenfalls nicht schlechthin unzulässig bewertet. „Die Schaffung von Mäusen als „Modellorganismen“ zur Erforschung menschlicher Krankheiten durch Einfügung krankheitsspezifischer humaner Gene in das Mausgenom ist bereits seit den 1980er-Jahren breit etabliert. Mittlerweile arbeiten die Forscher daran, nicht nur Gene, sondern ganze Chromosomen zu übertragen. Darüber hinaus werden u.a. aus menschlichen Stammzellen gewonnene Nerven-Vorläuferzellen in das Gehirn von Versuchstieren, auch Primaten, übertragen, um Krankheiten wie Alzheimer-Demenz und Morbus Parkinson zu erforschen und später vielleicht behandeln zu können. Durch solche Experimente wird die biologische Artgrenze zwischen Mensch und Tier immer mehr infrage gestellt. Der Ethikrat sieht daher Klärungsbedarf, welche ethischen Herausforderungen mit der Herstellung von Mensch-Tier-Mischwesen verbunden und wo gegebenenfalls verbindliche Grenzen zu ziehen sind. Der Ethikrat hat dabei den Fokus auf die Übertragung menschlichen Materials auf Tiere gelegt und dies an drei Beispielen untersucht: an zytoplasmatischen Hybriden (Zybriden), wie sie bei der Einfügung des Kerns einer menschlichen Zelle in eine entkernte tierische Eizelle entstehen, an transgenen Tieren mit menschlichem Erbmaterial und am Beispiel der Übertragung menschlicher Zellen in das Gehirn fetaler oder adulter Tiere (Hirnchimären).“ Zu diesen Beispielen legt der Ethikrat Empfehlungen vor, von denen die wichtigsten in der Stellungnahme vorgestellt werden. Seit dieser Stellungnahme hat die diesbezügliche Forschung weltweit riesige Fortschritte gemacht, vor denen man in Deutschland nicht einfach die Augen verschließen kann.

      Anmerkungen

       [1]

      Sachs/Bethge GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 211.

       [2]

      BVerfGE 90, 1, 11 ff.

       [3]

      Quaas/Zuck 4. Aufl., § 2 Rn. 64 ff.

       [4]

      Quaas/Zuck 4. Aufl., § 2 Rn. 69 ff.

       [5]

      BVerfGE 3, 172, 191.

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