Handbuch Medizinrecht. Thomas Vollmöller
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Название: Handbuch Medizinrecht

Автор: Thomas Vollmöller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: C.F. Müller Medizinrecht

isbn: 9783811492691

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СКАЧАТЬ Infektionskrankheiten, der nur mit einer Steigerung der Impfquote zur Herbeiführung der sog. „Herdenimmunität“ erfolgreich gewährleistet werden kann, hat auch verfassungsrechtlich einen hohen Stellenwert.[21] Die Impfung ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Das Risikopotential der Masern-Impfung ist nachweislich verschwindend gering.[22] Das Grundrecht auf elterliche Sorge schützt nicht nur die Entscheidungshoheit der Personensorgeberechtigten, i.d.R. der Eltern, sondern verpflichtet sie auch, gesundheitliche Gefahren von ihren Schutzbefohlenen abzuwenden.[23] Vor dem Hintergrund des unbestreitbaren individuellen Nutzens der Impfung für den Impfling, gerade im Kleinkindalter, lässt die Verweigerung von Eltern, ihren Kindern diesen Schutz zuzubilligen und sich dabei auch noch auf Art. 6 Abs. 2 GG zu berufen, als rechtsmissbräuchlich einordnen.[24] Art. 4 GG wäre durch die Einführung einer Impfpflicht ebenfalls nicht verletzt. Dieses Grundrecht steht zwar nicht unter einem Gesetzesvorbehalt, ist jedoch keineswegs schrankenlos. So kann sich wohl niemand auf Art. 4 GG berufen, wenn seine Handlungen offensichtlich dem deutschen ordre publique widersprechen wie etwa das Schächten von Tieren oder die Diskriminierung von Frauen oder die Vielweiberei[25]. Dies gilt im Hinblick auf die Impfdiskussion erst recht, wenn sie insoweit mit längst widerlegten Argumenten, Verschwörungstheorien und Leugnung epidemiologischer Erkenntnisse geführt wird.

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Das Fertigarzneimittel soll zur Behandlung einer schwerwiegenden Krankheit eingesetzt werden. Dabei versteht das BSG unter einer schwerwiegenden Krankheit solche Krankheiten, die entweder lebensbedrohlich sind oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigen.
Es darf keine vertretbare andere Behandlungsalternative verfügbar sein.
In einschlägigen Fachkreisen muss ein Konsens über den voraussichtlichen Nutzen des zulassungsüberschreitenden Einsatzes des Arzneimittels bestehen.

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      Infolge der Entscheidung des BSG hatte das BMG (damals noch BMGS) eine Expertengruppe „Off-Label-Use“ eingerichtet. Die Expertengruppe soll Feststellungen darüber treffen, ob die – nicht in einem Zulassungsverfahren getestete – Anwendung eines Arzneimittels „medizinisch sinnvoll“ erscheint. Dadurch sollen Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gefördert werden. Der Gesetzgeber hat diese Überlegungen aufgegriffen und in dem seit dem 1.1.2004 geltenden neuen § 35c Abs. 1 SGB V umgesetzt. Danach beruft das Bundesministerium für Gesundheit Expertengruppen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, die Bewertungen zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis über die Anwendung von zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche, für die sie nach dem Arzneimittelgesetz nicht zugelassen sind, abgeben sollen. Diese Bewertungen sollen dann dem gemeinsamen Bundesausschuss als Empfehlung zur Beschlussfassung gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V zugeleitet werden. Eine entsprechende Bewertung soll im Übrigen nur mit Zustimmung des pharmazeutischen Unternehmens erstellt werden. Diese Einschränkung erfolgte offensichtlich im Hinblick auf die Befugnis des Herstellers, das Ausmaß der Verkehrsfähigkeit des von ihm zu verantwortenden Produkts zu bestimmen. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber eine derartige Zustimmung bzw. Billigung der Ausweitung der Verkehrsfähigkeit offenbar auch als Haftungsvoraussetzung im Rahmen der Gefährdungshaftung nach § 84 AMG betrachtet. Der § 25 Abs. 7a AMG, eingeführt durch das 12. Änderungsgesetz, sieht mittlerweile vor, dass die beim BfArM gebildete Kommission für Arzneimittel für Kinder und Jugendliche zu Arzneimitteln, die nicht für die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen zugelassen sind, den anerkannten Stand der Wissenschaft dafür feststellen kann, unter welchen Voraussetzungen diese Arzneimittel bei Kindern oder Jugendlichen angewendet werden können (§ 25 Abs. 7a S. 7 AMG).

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eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegt,
bzgl. dieser Krankheit eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht,
bzgl. der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode eine „auf Indizien gestützte“, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

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