Название: Handbuch Medizinrecht
Автор: Thomas Vollmöller
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: C.F. Müller Medizinrecht
isbn: 9783811492691
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1. Die Funktion des Schiedswesens
260
Nach §§ 89 Abs. 3 S. 1 bzw. 89a Abs. 4 S. 2 SGB V setzen Schiedsämter, wie auch sektorenübergreifende Schiedsgremien den Vertragsinhalt fest, wenn gesetzlich vorgeschriebene Verträge ganz oder teilweise nicht zustande kommen. Das Schiedswesen dient der Streitschlichtung, wenn sich die Vertragsparteien nicht einigen können. Der Gesetzgeber will damit vertragslose Zustände vermeiden.[157] Dies ist die Konsequenz, wenn er auf gesetzliche Regelungen verzichtet und die Ausgestaltung der vertragsärztlichen Versorgung der Selbstverwaltung überlässt.[158]
a) Die Schiedsämter
261
§ 89 Abs. 3 S. 1 SGB V eröffnet die Zuständigkeit der Schiedsämter für alle Verträge über die vertragsärztliche Versorgung und greift damit die in § 72 Abs. 2 SGB V normierte Verpflichtung, die vertragsärztliche Versorgung durch schriftliche Verträge der KV mit den Verbänden der Krankenkassen zu regeln, auf. Eine enumerative Aufzählung dieser Verträge enthält die Vorschrift nicht. Welche Verträge schiedsamtsfähig sind, muss daher aus dem Gesamtzusammenhang entschieden werden.[159] Schiedsamtsfähig sind alle Verträge, zu deren Abschluss die Vertragspartner nach dem SGB V verpflichtet sind.[160] Das sind in erster Linie die Gesamtverträge und die Bundesmantelverträge mit allen gesondert zu vereinbarenden Bestandteilen, ebenso die Budget- und Richtgrößenvereinbarungen nach § 84 SGB V und die Prüfungsvereinbarungen nach § 106 Abs. 1 S. 2 SGB V.[161] Bei Verträgen, zu deren Abschluss die Parteien gesetzlich nicht verpflichtet sind, ist im Rahmen der den Parteien zukommenden Gestaltungsfreiheit eine freiwillige Unterwerfung unter einen Schiedsspruch möglich.[162]
262
Für die einheitlichen Bewertungsmaßstäbe sieht § 87 Abs. 4 SGB V im Falle der Nichteinigung die Einberufung des Erweiterten Bewertungsausschusses vor, weshalb hier eine Zuständigkeit des Schiedsamtes nicht gegeben ist. Hinsichtlich der Richtlinien des G-BA, die Bestandteil der Bundesmantelverträge sind, sieht § 94 Abs. 1 SGB V eine vorrangige Beanstandungs- und Ersetzungsbefugnis des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung vor.[163]
263
Eine Zuständigkeit der Schiedsämter ist auch für die freiwilligen Versorgungsverträge, die direkt zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern vereinbart werden, nicht gegeben.[164] Diese besonderen Versorgungsformen gehören nicht zur vertragsärztlichen Versorgung. Auch sind die Leistungserbringer nicht an der Besetzung der Schiedsämter beteiligt, weshalb die Bindungswirkung einer Vertragsfestsetzung durch die Schiedsämter nicht gegeben wäre. Davon zu unterscheiden ist das konfliktreiche Verfahren um die Bereinigung der Gesamtvergütung um den Behandlungsbedarf aus dem besonderen Versorgungsvertrag, z.B. § 73b Abs. 7 SGB V. Dieser Streit betrifft den Abschluss der Gesamtvergütungsvereinbarung nach § 87a Abs. 3 SGB V und ist daher schiedsfähig.[165]
264
§ 89 SGB V unterscheidet zwischen Landes- und Bundesschiedsämtern. Es gibt sie auf Bundesebene, jeweils getrennt für die vertragsärztliche und für die vertragszahnärztliche Versorgung und ebenfalls getrennt nach Versorgungsbereichen in jedem Bundesland. Für die auf Bundesebene abzuschließenden Verträge bilden die KBV bzw. KZBV und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen nach § 89 Abs. 2 SGB V ein Bundesschiedsamt. In den Zuständigkeitsbereichen der regionalen KV bzw. KZV wird jeweils mit den Landesverbänden der Krankenkassen nach § 89 Abs. 1 SGB V ein Landesschiedsamt gebildet.
265
Für die nach § 88 SGB V zu schließenden Verträge über die zahntechnischen Leistungen und deren Höchstpreise bilden nach § 89 Abs. 12 SGB V der Spitzenverband Bund mit dem Verband Deutscher Zahntechnikerinnungen ein Bundesschiedsamt. Die Landesverbände der Krankenkassen bilden mit den Innungsverbänden der Zahntechniker nach § 89 Abs. 13 SGB V jeweils Landesschiedsämter. Eine Mitwirkung der Vertragszahnärzte ist auch nach der Novellierung des Schiedswesen durch das TSVG nicht vorgesehen (vgl. Rn. 248).[166]
b) Die sektorenübergreifenden Schiedsgremien
266
Die sektorenübergreifenden Schiedsgremien werden gebildet auf Landesebene von den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Landeskrankenhausgesellschaften und auf Bundesebene von der KBV, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Die KZV und die KZBV sind nach § 89a Abs. 12 SGB V an diesen Schiedsgremien nicht beteiligt.
267
Mit diesen von drei Beteiligten gebildeten Gremien sollen die bisher bipolar ausgerichteten Schiedsämter ersetzt werden, um die oft dreiseitigen Interessenkonstellationen im sektorenübergreifenden Bereich besser ausgleichen zu können.
268
Die sektorenübergreifenden Schiedsgremien sind nach § 89a Abs. 3 S. 1 SGB V nur für ihnen gesetzlich zugewiesene Aufgaben zuständig. Anders als bei den für alle Verträge in der vertragsärztlichen Versorgung zuständigen Schiedsämtern, bedarf es einer konkreten Zuständigkeitsnorm. Solche enthalten § 115 Abs. 3 SGB V für die dreiseitigen Verträge zwischen KV, Landesverbänden der Krankenkassen und den Landeskrankenhausgesellschaften, § 115b Abs. 3 SGB V für die Vereinbarungen über das ambulante Operieren im Krankenhaus, § 116b Abs. 6 S. 7 SGB V für die Ambulante spezialfachärztliche Versorgung, § 117 Abs. 1 S. 5 SGB V für die Hochschulambulanzen, § 118 Abs. 2 S. 3 SGB V für die psychiatrischen und § 118a Abs. 2 S. 2 SGB V für Geriatrischen Institutsambulanzen.
c) Besetzung
269
Die Schiedsämter sind nach § 89 Abs. 5 SGB V mit je vier Vertretern der jeweiligen Vertragspartner, einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern besetzt. Die unparteiischen Mitglieder dürfen keiner das Schiedsamt bildenden Körperschaft angehören oder in einem Dienstverhältnis mit dieser stehen.[167] Jeder Vertreter hat zwei Stellvertreter. Bei Entscheidungen über Verträge, die nicht alle Krankenkassenarten betreffen wirken auf Seiten der Krankenkassen nur Vertreter der beteiligten Kassenarten mit.
270
Für die Schiedsämter für Zahntechnik gelten nach §§ 89 Abs. 12 S. 3 und 13 S. 4 SGB V die Besetzungsregeln für die Schiedsämter analog.
271
Die sektorenübergreifenden Schiedsgremien sind nach § 89a Abs. 5 SGB V mit je zwei Vertretern der Ärzteschaft, der Krankenkassen und der zugelassenen Krankenhäuser, einem unparteiischen Vorsitzenden und einem weiteren unparteiischen Mitglied besetzt. СКАЧАТЬ