Noch ein Mord, Mylord. Ralf Kramp
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Название: Noch ein Mord, Mylord

Автор: Ralf Kramp

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: KBV-Krimi

isbn: 9783954415748

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СКАЧАТЬ Das heißt doch, dass sie sich bis zum Schlussapplaus in großer Gefahr befindet! Wenn gleich irgendwann alle anderen auf der Bühne sind, kann Carruthers sie doch in aller Ruhe hinter den Kulissen zum Schweigen bringen!«, zischte ich. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass einige Theaterbesucher verärgert zu uns herübersahen. Besonders diejenigen, an den wir uns jetzt gleich würden vorbeiquetschen müssen, hatten überaus angriffslustige Mienen aufgesetzt.

      »Keine Sorge, mein Guter«, sagte Merridew und schob mich sanft auf die Stuhlreihen zu. »Sie glauben doch nicht, dass ich so etwas zugelassen hätte. Beim Schlussapplaus, das verspreche ich Ihnen, wird Mrs O’Doherty unbeschadet auf der Bühne erscheinen. Bevor das Stück begann, habe ich mir nämlich im allerletzten Moment erlaubt, diesen Carruthers in der Toilette einzusperren, nachdem ich ihn zuvor ein wenig unsanft aus dem Verkehr gezogen habe. Sie dürfen mir glauben, dass ich mit diesem Hänfling im Handumdrehen fertiggeworden bin. Dazu hätte ich noch nicht einmal meinen Gehstock gebraucht. Und dann habe ich noch rasch den dritten und letzten Anruf getätigt, mit dem ich die Polizei davon in Kenntnis gesetzt habe, dass sie hier im Ambassador Theater einen Mörder abholen kann. Das scheint wohl auch geschehen zu sein. Haben Sie mitbekommen, dass während des ersten Akts hinter den Kulissen eine Verhaftung stattgefunden hat? Sehen Sie, ich auch nicht. Die Burschen von Scotland Yard waren offenbar überaus diskret.«

      Mit mühsam unterdrückten Flüchen erhoben sich die Leute in unserer Reihe aus ihren Sitzen, um uns vorbeizulassen. Wir blickten in grimmige Gesichter und ernteten hasserfüllte Blicke. Merridew verspürte offenbar nicht den Anflug von Peinlichkeit, denn er gluckste und kicherte nur allenthalben und rief immer wieder laut »Verzeihung, Teuerste« oder »Hoppla, mein Bester«. Und irgendwann saßen wir auf unseren Stühlen und atmeten tief durch.

      »Glauben Sie, das Stück wird lange laufen?«, fragte ich.

      Er überlegte einen Moment, bevor er antwortete: »Vermutlich nicht so lange wie das Zeug von Sophokles oder Euripides, aber jedenfalls länger als die neue Show von Frankie Howerd in Blackpool.«

      Ich fand diese Antwort sehr diplomatisch.

      Es wurde still um uns herum, und das Saallicht verlosch langsam.

      Da kam mir noch eine letzte Sache in den Sinn: »Sie haben nun also einen Mord aufgeklärt und sogar einen zweiten Mord verhindert«, wisperte ich meinem Freund so leise es ging zu. »Aber Sie sprachen vorhin doch sogar noch von einem dritten Mord.«

      Bevor es im nächsten Moment um uns herum völlig finster wurde, sah ich gerade noch Merridews Augen aufblitzen. Er beugte sich mit einem schwerfälligen Schnaufen zu mir herüber und raunte mir ins Ohr: »Ich werde Ihnen jetzt verraten, wer die einzige Person ist, die den Mord in Monkswell Manor begangen haben kann.«

      Als sich der Vorhang mit einem leisen Rauschen öffnete, nannte Merridew mir den Namen, und ich wusste ganz genau, dass er auch in diesem Fall wieder einmal richtig liegen würde.

      DAS RÄTSEL DER VERSCHWUNDENEN TÄNZERIN

      (1956)

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      1

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      In der Tube herrschte an diesem Vormittag drangvolle Enge, so wie an jedem Arbeitstag. Berufspendler mischten sich mit Touristen aller Hautfarben. Im Sommer war London bis zum Rand gefüllt mit einem quicklebendigen Vielvölkergemisch, das es schaffte, uns steife Briten mit unseren Bowler Hats, den schwarzen Businessanzügen und dem am Arm baumelnden unentbehrlichen Schirm noch mürrischer aussehen zu lassen als sonst. Man versteckte seine griesgrämigen Gesichter hinter dem Daily Mirror, dem Guardian, der Times oder der Daily Mail, je nach politischer Gesinnung. Doch wohin ich auch blickte, in diesen Tagen schien es für sämtliche Zeitungen lediglich zwei Themen zu geben, die es wert waren, die Titelseiten zu dominieren: Die sich anbahnende Suez-Krise und der Besuch der berühmtesten Schauspielerin der Welt.

      Premierminister Eden hatte sich vorgenommen, den ägyptischen Präsidenten Abdel Nasser zu stürzen, und es schien durchaus möglich, dass zu diesem Zweck schon bald Bomben auf Alexandria fallen würden. Eine Bombe der ganz anderen Art hingegen war Marilyn Monroe, die im Juli über den großen Teich gekommen war und nun schon seit zwei Monaten zu Gast in unserem Land war. Der Grund ihres Aufenthalts waren Dreharbeiten zu einem Film in den Pinewood Studios. An der Seite unseres berühmten englischen Shakespearedarstellers Sir Laurence Olivier spielte sie in einer romantischen Komödie ein Revuegirl, und seit sie ihren Fuß auf englischen Boden gesetzt hatte, war ganz England verliebt in sie.

      Der Sommer war so regnerisch gewesen wie schon lange nicht mehr, aber der September schien nachholen zu wollen, was nachzuholen ging. Es war heiß. Und in der Tube war es schier unerträglich. Ich war froh, an der Station Baker Street endlich wieder aussteigen und mich von der Rolltreppe ans Tageslicht hinaufbefördern lassen zu können.

      Ich hatte eine Verabredung mit meinem Freund Reginald Lord Merridew, der mich ohne Angabe von Gründen mit einer knappen Notiz hierher beordert hatte, wie das so seine Art war. Auf der anderen Seite der mehrspurigen Marylebone Road sah ich ihn bereits stehen und mir mit seinem Gehstock zuwinken. Ich schlängelte mich mutig durch den unablässig fließenden Verkehr und begrüßte ihn schon wenige Minuten später. Mein helles Sommerjackett hatte ich mir über die Schulter gehängt. Merridew steckte in einem sandfarbenen Anzug mit maisgelber Weste und weinroter Fliege.

      »Mein lieber Junge«, rief er fröhlich. »Was für ein wunderbarer Tag, da werden Sie mir doch zustimmen, oder?«

      Ich wackelte vage mit dem Kopf. »Für September ist es ziemlich heiß. Aber Sie blühen doch sonst erst im Nieselregen so richtig auf. Was macht Sie so fröhlich, Merridew? Die Freude quillt Ihnen ja aus allen Knopflöchern.«

      »Hatten Sie nicht vorgestern Geburtstag?«

      »Ja, allerdings. Ein paar Freunde haben mich zum Dinner ins Bianchi’s in der Frith Street entführt, und hinterher sind wir im Gargoyle Club gelandet, einem Tanzschuppen in Soho.«

      »Haben Sie sich davon erholt?«

      »Gerade so. Wo gehen wir hin?«

      Er fasste mich am Arm und lenkte mich mit sanfter Gewalt in die Richtung eines großen Gebäudes, das wohl jeder nur allzu gut kennen dürfte, und vor dessen Eingangstür eine große Menschenschlange geduldig darauf wartete, hineingelassen zu werden.

      »Jetzt kommt mein Geburtstagsgeschenk für Sie, mein alter Knabe.«

      »Madame Tussauds?«, fragte ich ungläubig. »Sie haben doch nicht etwa vor, mich in dieses Wachsfigurenkabinett zu schleppen?«

      Er lachte kollernd. »Das überrascht Sie, was? Nein, nein, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Es soll ja ein Vergnügen für Sie werden.«

      »Ich kann mir wirklich etwas Unterhaltsameres vorstellen, als mir all diese versteinerten Gesichter mit den starren Augen und dem gequälten Lächeln anzugucken.«

      »Ich weiß, ich weiß. Und ich teile Ihre Aversion durchaus, aber heute gibt es für Sie etwas ganz Besonderes!« Er ließ mich nicht los und streckte die Hand mit dem Gehstock nach vorne, den er hin und her schwingen ließ als sei er eine Machete, der Bürgersteig der afrikanische Dschungel und die Passanten gefährliche Schlingpflanzen.

      Zu meiner Überraschung ließen wir die Warteschlange rechts liegen, СКАЧАТЬ