Noch ein Mord, Mylord. Ralf Kramp
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Название: Noch ein Mord, Mylord

Автор: Ralf Kramp

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: KBV-Krimi

isbn: 9783954415748

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СКАЧАТЬ keiner passte. Aber dann beobachtete ich aus nächster Nähe, wie ein Mann ohne Begleitung mit nervösen Fingern seine Brieftasche öffnete und ein Billett herausholte. Es war mit einer Büroklammer an einer Karte befestigt, auf der in der Handschrift einer Frau – gottseidank trotzdem einigermaßen klar leserlich – geschrieben stand:

       Gonzago an ABC 6. Oktober – Endlich lernen wir uns kennen!

      Das ist jetzt mal ausnahmsweise kein Shakespeare mehr. Dafür war aber zu meiner Überraschung und zu meiner Freude eine Unterschrift auf dieser Karte. Der Name, den ich dort las, lautete Mignon O’Doherty.«

      Ich konnte mich nicht zurückhalten. »Aber das ist doch die Darstellerin der Mrs Boyle! Die Frau, die gerade auf der Bühne erwürgt wurde!«

      Es schellte jetzt ein drittes und letztes Mal.

      »So ist es!«

      »Aber warum? Was soll das? Warum lädt sie ihn hierher ein? Will sie ihn erpressen? Das ist doch sehr riskant, ihm dabei Auge in Auge gegenüberzutreten!«

      »Genau das ist es! Riskant! Gefährlich für diese Schauspielerin! Brandgefährlich! Und genau das war Dreh- und Angelpunkt des Plans! Der Mann, der hierhergekommen ist, ist nervös! In Panik! Er steht bis in die Haarspitzen unter Strom!«

      Mein Blick wanderte zur Bar, und ich erinnerte mich plötzlich an die Szene, die sich vor einer guten Stunde dort abgespielt hatte. Ich sah plötzlich einen sehr dünnen, sehr nervösen Mann mit geröteten Wangen und flackernden Augenlidern vor mir. Er balancierte eine Tasse Kaffee und stieß meinen Freund an.

      »Der Mann mit dem Kaffee? Ist er es? Der, der Sie angerempelt hat?«

      »Ich habe ihn angerempelt, Nigel! Aber alle glaubten, es sei umgekehrt passiert. Er selbst glaubte das auch. Man braucht natürlich ein bisschen Geschick und ein wenig schauspielerisches Talent … Jedenfalls hat er sich wortreich bei mir entschuldigt und bat darum, für die Kosten der Reinigung aufkommen zu dürfen. Und da habe ich ihn schlicht und ergreifend nach seiner Visitenkarte gefragt. Tusch!«

      Er hielt mir mit triumphierender Geste eine kleine Karte hin. Sie war recht schmucklos gehalten, mit einer einfachen Druckschrift: Prof. Archibald Benjamin Carruthers stand dort zu lesen, und darunter seine Adresse und Telefonnummer in Oxford.

      »ABC! Daher wissen Sie also seinen Namen!«

      Merridew nestelte am Revers seines Jacketts herum. »Ich tätigte dann drei kurze Telefonate, bevor ich endlich zu Ihnen in das Theater kam. Zuerst habe ich die Nummer auf der Karte gewählt. Als sich am anderen Ende eine Frauenstimme meldete und sorgenvoll fragte: ›Archie, bist du das? Wo um alles in der Welt steckst du?‹, war ich schon hocherfreut, denn Carruthers trug keinen Ehering an der rechten Hand, jedoch am linken Ringfinger dafür gleich zwei, was bedeutet, dass er verwitwet und noch nicht wiederverheiratet ist.«

      »Verblüffend«, sagte ich ehrlich begeistert.

      »Dann fragte ich ganz unverfänglich: ›Verzeihung, mit wem bin ich denn verbunden?‹, und sie erwiderte in ihrer Verwirrung: ›Geraldine Ponsonby‹.« Er breitete mit der Geste eines Zauberkünstlers die Hände aus. »Tja, und somit wäre auch das Mordmotiv aus dem Oktober geklärt! Carruthers liebte Ponsonbys Frau. Die alte Leier, man kennt das ja.«

      »Alle Wetter«, hauchte ich. »Das ist ja ein unglaublicher Zufall.«

      Merridews Gesicht rötete sich schlagartig. Er ballte die Hände zu Fäusten. »Zufall?«, polterte er laut. »Wo denken Sie hin? Das sind Taktik und Kalkül! So etwas fällt einem nicht mal gerade eben vor lauter Langeweile beim Fünfuhrtee ein!«

      »Ist ja schon gut. Sie haben natürlich recht, das war sehr klug eingefädelt. Und der zweite Anruf?«

      »Mit dem verschaffte ich mir die allerletzte Gewissheit. Ich rief im Black Boy Hotel in Nottingham an und erkundigte mich, ob ein gewisser Mr Carruthers in der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober dort übernachtet hat.«

      »Aber wie kamen Sie denn darauf?«

      »Wenn es jemand aus der Theatertruppe war, der ihn mit dem Wissen um seine Tat unter Druck setzt, dann konnte das nicht nur aus einem einmaligen Beobachten am Tatort erwachsen. Da musste mindestens eine zweite Begegnung nebst Wiedererkennen stattgefunden haben. Warum nicht beispielsweise auf dem Hotelflur? Jedenfalls lag ich auch hier richtig! Er trug sich mit seinem echten Namen ein. Wie unglaublich einfallslos! Aber so konnte auch seine Peinigerin herausfinden, wer er war.«

      »Sie meinen also, es war diese Schauspielerin Mignon O’Doherty, die ihn per Annonce gequält hat!«

      »Aber nein.«

      Ein junger livrierter Mann gab uns in diesem Moment ein deutlich sichtbares Zeichen, nun wieder unsere Plätze einzunehmen. Merridew forderte mit einem ruppigen Wedeln der rechten Hand einen Moment Geduld.

      »Nein?«, fragte ich ungläubig. »Wieso nicht? Ihre Unterschrift stand doch auf der Einladung!«

      »Falsch!« Merridew kramte ein kleines Notizblöckchen aus der Innentasche seines Jacketts und blätterte mit seinen dicken Fingern darin herum. »Das Autogrammbüchlein meines Butlers Cresswell. Er ist klammheimlich ein gefühlsduseliger alter Bursche und liest heimlich Romane von Barbara Cartland. Sein Herz schlägt für den Kintopp und das Theater, und als er erfuhr, dass ich heute Abend hierhin wollte, bat er mich, ein paar Autogramme für ihn einzusammeln. Besonders scharf ist er auf die Signatur von Sheila Sim, die er wohl vergöttert.« Dann hielt er mir das Heftchen aufgeschlagen entgegen. »Schauen Sie mal, das ist die Unterschrift von Mignon O’Doherty, die hat er bereits. Ich kann Ihnen versichern, dass das Geschreibsel auf Carruthers’ Einladung ohne jeden Zweifel eine plumpe Fälschung ist. Den Unterschied konnte ich mit großer Deutlichkeit erkennen.«

      »Aber wer hat Carruthers denn dann in Wirklichkeit eingeladen? Und warum wurde er überhaupt mit der Eintrittskarte hierherbestellt?«

      »Er wurde von einer Person in diese tückische Mausefalle gelockt, die der Überzeugung war, dass er jetzt endlich völlig verzweifelt und ausreichend alarmiert war, dass er nun zu allem bereit sein würde. Jemand, der ihn dazu bringen wollte, seine angebliche Peinigerin, die völlig ahnungslose Mignon O’Doherty zu ermorden!«

      Ich starrte ihn an. Das, was er da vor mir ausbreitete, war schlichtweg unglaublich.

      »Ich tippe auf die Zweitbesetzung, eine Schauspielerin mit Namen Marjorie Blankinsopp. Die Dame an der Kasse erzählte mir, dass sie wohl bei der Besetzung der Mrs Boyle den Kürzeren zog und jetzt Abend für Abend hinter den Kulissen herumlungern muss, in der Hoffnung, Mignon O’Doherty breche sich endlich mal die Hand, ein Bein, oder noch besser gleich das Genick. Ja, ich denke, sie wird es gewesen sein, die vom Hotelzimmer aus den Mord beobachtete, danach dem Mörder im Hotel begegnete und ihre Chance witterte! Wenn sie es war, wird ihre Handschrift auf der Einladung sie überführen. Aber andererseits ist es irgendwie auch egal, wer die anonyme Strippenzieherin war, denn sie hat ja schließlich keine echte Straftat begangen.«

      Der Jurist in mir meldete sich zu Wort. »Na, na, sie hat immerhin einen Mord beobachtet und ihn nicht gemeldet.«

      »Dafür ist aber letztendendes gerade durch ihre Aktivität der Mörder in die Falle gegangen.« Er trat in den Saal ein und drehte sich grinsend zu mir um. »Und durch meine natürlich.«

      Der livrierte Saaldiener hatte schon den Griff der Tür in seiner Hand, um sie hinter uns zu schließen, da schoss mir mit einem Mal ein СКАЧАТЬ