Wie lernt Kirche Partizipation. Группа авторов
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СКАЧАТЬ Umwelt in Subsystemen ohne Entscheidungskompetenz inkludiert) oder bloß informiert (als interne Umwelt ohne Relevanz konnotiert) werden.

      Die Notwendigkeit von Partizipation in Prozessen der Veränderung ergibt sich daraus, dass Systeme nicht linear von außen verändert werden können. Sie sind mit ihren inneren und äußeren Umwelten gekoppelt und nur in dieser Kopplung überlebensfähig. Daher ist die Partizipation aller Stakeholder (=Interessensträger: Führungskräfte, MitarbeiterInnen, Adressaten, Mitglieder, Adressaten, usw.) ein Kernprinzip systemischer Organisationsentwicklung. Sie ist als Vorgang und Methode zwingend erforderlich, um Entscheidungen bottom-up und von außen her zu validieren, innere und äußere Kopplung herzustellen. Dies ist umso dringlicher, je stärker die Organisation auf Personen (deren Wissen, Überzeugung, Erfahrung, Kompetenzen usw.) setzt und je volatiler sich interne und externe Umwelten zeigen. Systeme brauchen allerdings, um Konvergenz herstellen und Entscheidungen fällen zu können, ein Minimum an vertikaler Struktur und damit Machtasymmetrie. Gerade dann, wenn starke Veränderungen notwendig sind, um Umweltreferenz herzustellen, und massive Turbulenzen zu erwarten sind, wird Führung auch im Gegenüber gebraucht. Die Bandbreite selektiver Partizipation zwischen Fremd- und Selbstbestimmung ist riesig. Auf die Relation kommt es an. Führung muss mindestens den Prozess der Partizipation moderieren und Entscheidungen umsetzen können. Aus systemischer Perspektive ist entscheidend, dass Macht nach transparenten Regeln erfolgt, diese einem rationalen Diskurs zugänglich und seitens der Stakeholder veränderbar (kontrollierbar) sind. Daher ist in Entwicklungsprozessen in besonderer Weise darauf zu achten, dass Semantik, Prozessarchitektur und Praxis kohärent sind:

      – Geht es um (1) (Mit-)Entscheidung, (2) Konsultation (Mitwirkung, Anhörung) oder (3) Information?

      – Sind die „Beteiligten“ (bzw. ihre Repräsentanzen) in (1) und (2) hinreichend vertreten, sodass ihre Stimme angemessenes Gewicht hat und nicht einzelne Interessensgruppen Entscheidungen majorisieren können?

      – Nach welchen Regeln/Kriterien kommen Repräsentanzen in (1) und (2) zustande (Berufung, Wahl, usw.)?

      – Vertreten die Repräsentanzen wirklich diejenigen, die sie formal zu vertreten haben bzw. zu vertreten vorgeben und wie ist die Rückkopplung gesichert?

      – Nach welchen Regeln/Kriterien/Prämissen fließen Ergebnisse von (2) in Entscheidungen ein und wie wird mit Widersprüchen umgegangen?

      – Wer wird bei (3) von wem, wann, wie über was informiert?

      2. ORGANISATIONSKULTUR, EXKLUSION UND HYPERSTABILITÄT

      Kulturgeschichtlich liegen die Wurzeln von Emanzipation und Partizipation im frühen Christentum. Biblischer Anspruch und kulturgeschichtliche Wirkung des christlichen Menschenbildes stehen allerdings in schroffem Kontrast zur verfassten Wirklichkeit und zur gelebten Praxis in der Kirche selbst.

      2.1 EXKLUSION UND ABHÄNGIGKEIT: ZUR ROLLE DER LAIEN IN DER KIRCHE

      Wenn in der Kirche von Partizipation gesprochen wird, ist die Mitwirkung der Laien gemeint.9 Der Begriff Laie leitet sich griech. von λαός (Kriegsvolk, Heeresgefolge, Mannschaft; Volk, Einwohnerschaft) ab. Er wird in der Septuaginta für den hebräisch-aramäischen Begriff ׳ām (Volk) verwendet und bezeichnet „die Innenbeziehung des Volkes Israel“. Zum λαός zu gehören, bedeutet, erwählt zu sein, zu JHWH zu gehören.

      Im NT wird zunächst Israel als Volk Gottes (λαός) bezeichnet, dann aber vor allem die an Christus glaubende Gemeinschaft (Apg 15,14; Röm 9,24; Kol 3,11). Sie ist ek-klesia, herausgerufen und zusammengeführt als das „neue Volk Gottes“ in der Nachfolge Jesu Christi. Nach heftigen Auseinandersetzungen (vgl. Apg 15,1-41) ist klar: Alle sind gerufen, ohne Ansehen der Person, des Standes oder der Volkszugehörigkeit. Die Grenzlinie verläuft nicht im Binnenraum, sondern zwischen dem erwählten neuen Volk Gottes und den anderen Völkern (den Nicht-Glaubenden). Zum λαός in Christus zu gehören, also „Laie“ zu sein, ist im Kern das Selbstverständnis der frühen Christen. Durch die Taufe werden alle mit gleicher Würde ausgestattet zu Gliedern des Leibes Christi (1 Kor 12).

      Im 3. Jahrhundert setzt eine Differenzierung in Gruppen und Stände ein. Mit Tertullian (gest. 220 n. Chr.) bürgert sich das Wort „Laie“ als Bezeichnung für Nicht-Amtsträger ein. Aus dem Gegenüber von Gruppen und Lebensformen (Amtsträger-Laie) wird ein Gegensatz und schließlich mit der Zwei-Gewalten-Lehre von Papst Gelasius (gest. 496) die grundsätzliche Unterordnung der Laien unter die Kleriker in geistlich-religiösen Dingen.

      Im Mittelalter wird der Begriff „Laie“ (= Nicht-Kleriker) dann zum Inbegriff der Ungebildeten. Höhere Bildung war in dieser Zeit dem Klerus (bzw. dem Adel) vorbehalten. Der überwiegende Teil der Bevölkerung war des Lesens und Schreibens nicht mächtig. Ergebnis der Entwicklung: Der Klerus spendet die geistlichen Güter und heilsnotwendigen Hilfen und die Laien haben das Recht, diese zu empfangen. Aus der Unterordnung ist Abhängigkeit geworden, die dann auch – siehe Ablasshandel – zur wirtschaftlichen Ausbeutung genutzt wird.

      Diese Sicht ist bis in die Neuzeit bestimmend in der Theologie. Sie prägt u. a. die Aussagen des 1. Vatikanischen Konzils (1869/1870) und des CIC von 1917. Das 2. Vatikanische Konzil (1962/1965) betont ausgehend vom Volk-Gottes-Gedanken dann wieder stärker den geschichtlich-dynamischen Charakter der Kirche im dialogischen Miteinander von Communio und Ministratio (LG 4). Die Gemeinsamkeit aller Gläubigen, nicht die Unterschiede zwischen ihnen sind im Fokus. Der Unterschied zwischen Klerus und Laien ist nicht aufgehoben, ihre strikte Trennung jedoch überwunden. Die Laien werden als Subjekte aktiv (wenngleich unbestimmt) in den Sendungsauftrag der Kirche mit einbezogen (LG 31.32). Wie sieht die Praxis aus?

      2.2 DOMINANTE URSPRUNGSORDNUNG UND ZEMENTIERTE MACHTVERHÄLTNISSE

      Die durch das Konzil initiierte Öffnung des Kirchen- und Rollenverständnisses ist in unserem volkskirchlich geprägten Kontext weitgehend versandet.10 Das hat vor allem mit den inneren Bildern zu tun, die in den Köpfen virulent sind und das Handeln determinieren. In ihnen verdichten sich grundlegende, bis heute wirksame Organisationslogiken, die Kirche hyperstabil machen.

       (1) Monarchisch-feudale Kultur

      Konzilstexte11 und Kirchenrecht (cc. 129-144, 375-402 CIC) dokumentieren unmissverständlich ein monarchisch-feudales Kirchenverständnis, das im Sinne einer Heiligen Ordnung auf das byzantische Hofzeremoniell zurückgeht und als Ursprungsordnung bis heute kirchliches Handeln letztlich bestimmt.12 Der Bischof vereint aufgrund des Weiheamtes alle Macht (sacra potestas) in seiner Hand. Er handelt in persona Christi und gibt diese Vollmacht durch Weihe und Sendung an seine Priester weiter. Sie leiten durch den Vollzug der Heiligen Riten.

       (2) Hierarchisch-bürokratische Kultur

      Moduliert wird die kirchliche Praxis von einem Amtsverständnis, wie es sich unter dem Einfluss von Max Weber im 20. Jahrhundert entwickelt und im Kirchenrecht seinen Niederschlag gefunden hat. Leitung im engeren Sinne (cc. 530-535 CIC) wird als Ausübung des Pfarramtes verstanden, also im Sinne einer regelgeleiteten und erlernbaren Amtsführung mit festgelegten Amtspflichten, transparenter Amtshierarchie und gewissenhafter Aktenführung.

       (3) Technokratisch-funktionale Kultur

      Ohne unmittelbar darauf zu rekurrieren, prägt auch das neuzeitliche, auf Massenproduktion ausgerichtete Verständnis von Organisation über weite Strecken den kirchlichen Alltag. Produkte und Prozesse sind hochgradig standardisiert. Experten (Theologen) wissen – wie in Industriebetrieben die Techniker –, was richtig ist und wie Seelsorge funktioniert. Sie suchen sich ggf. „Helfer“, die nach ihren Vorgaben bestimmte nachgeordnete Aufgaben übernehmen können.

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