Praxis des Evangeliums. Partituren des Glaubens. Hans-Joachim Höhn
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Название: Praxis des Evangeliums. Partituren des Glaubens

Автор: Hans-Joachim Höhn

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783429062224

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СКАЧАТЬ die Fragen: Kann man unter den Bedingungen der Moderne noch denken, was Christen glauben – und wie lebt man, wenn man das tut, was Christen glauben? Welche Konsequenzen hat christliches Handeln, wenn es auf evangeliumsgemäße Weise sach- und zeitgemäß ist? Sind diese Folgen verantwortbar – nicht zuletzt gegenüber den in dieser Zeit Missachteten, Geschundenen, Notleidenden?34

      Um plausible Antworten zu erhalten, wird man im Glauben um erhebliche Anstrengungen in Theorie und Praxis nicht vorbeikommen. Ihre Reflexion wird zu einem guten Teil von der Theologie zu leisten sein. Aber hier ist ebenfalls sehr bald mit der Frage zu rechnen: „Was macht ihr da eigentlich?“ Auch theologischen Bemühungen sollte man anmerken, dass sie nicht (allein) von mystischen Erweckungen, sondern (vor allem) von einem aufgeweckten Verstand ausgehen. Um sicherzugehen, dass man in der Theologie die „Unbedenklichkeit“ des Glaubens nicht mit Gedankenlosigkeit gleichsetzt, müssen auch ihre Vertreter sich beizeiten der Frage stellen: „Habt ihr auch an alles gedacht?“

      Diese Frage ist mit dem Plädoyer für einen Glauben, der die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe praktiziert, noch nicht zureichend beantwortet. Vielmehr sind zahlreiche weitere – auch epistemologisch belangvolle – Klärungen notwendig, die mit diesem Plädoyer verbunden sind. Zunächst ist der Verdacht auszuräumen, hier werde eine fatale Einseitigkeit mystischer Vertikalorientierung durch die horizontale Pragmatik eines religiösen Humanismus ersetzt. Daher ist als Erstes darauf einzugehen, anhand welcher Kriterien feststellbar wird, was authentische christliche Glaubenspraxis auszeichnet und dass dafür tatsächlich eine „Mystik der offenen Augen“ repräsentativ ist. Dabei steht natürlich auch die Verlässlichkeit jener Quellen auf dem Prüfstand, von denen her diese Kriterien bezogen werden: Inwiefern ist die Anleitung authentischer christlicher Glaubenspraxis im Neuen Testament zu finden? Gibt es noch andere Bezugsgrößen (Tradition – Bekenntnis / Dogma / Liturgie – Lehramt), an denen sich die Sicherung der Authentizität dieser Praxis zu orientieren hat?

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      Es gilt aber nicht bloß die Authentizität christlicher Glaubenspraxis, sondern auch deren Plausibilität und Intelligibilität zu sichern. Dies ist jedoch nicht im theologischen Alleingang und lediglich „glaubensintern“ zu entscheiden, sondern muss im Blick auf „glaubensexterne“ Referenzen (Vernunft) und Bezugswissenschaften der Theologie erörtert werden. Beide Vergewisserungen folgen der Überzeugung, dass es in Glaubensangelegenheiten nicht bloß auf eine Betonung der Praxis oder ihres gut gemeinten Primates ankommt, sondern auf die Betonung einer recht verstandenen Theorie / Praxis-Dialektik. Nicht nur auf ein Optimum des Glaubensengagements, sondern auch auf ein Maximum an Nachdenklichkeit muss die Theologie hinarbeiten. Sie muss dazu anleiten, dass beim Bedenken des Glaubens an alles gedacht wird: an den Glauben und an das Denken, an die Denkbarkeit seiner Praxis und an die Praxis der Reflexion. Sonst sind ihre Vertreter schlechte Theoretiker und schlechte Praktiker in einem.

      Um an alles zu denken, muss eine theologische Epistemologie bei ihrer Durchführung zu einer Methode greifen, die nicht nur im wissenschaftlichen Kontext meist verpönt ist: Sie muss mit zweierlei Maß messen. Sie muss zum einen „ad intra“ ermitteln, was für den christlichen Glauben maßgeblich ist, d. h., sie muss nach Maßstäben fragen, an denen man ermessen kann, was diesen Glauben ausmacht (§§ 3–5). Sie muss „ad extra“ beachten, was für rechtfertigungsfähige Überzeugungen maßgeblich ist, d. h., sie muss sich an jenen Maßstäben orientieren, nach denen sich bemisst, was wahrheitsfähige Erkenntnis, Einsicht und Überzeugung ausmacht (§§ 6–10).

      § 3 First things first!

      Praxis und Reflexion des Glaubens

      In der Theologie ist es am wichtigsten, sich frühzeitig die richtigen Fragen stellen zu lassen. Es sollten Fragen nach Basis und Kern des christlichen Glaubens sein. Wer am Anfang einer Beschäftigung mit dem Christentum seinen Vertretern die Frage stellt „Was glaubst du denn?“, wird wissen wollen, ob ihre Glaubenspraxis tatsächlich repräsentativ für das Christentum ist. Wird in dieser Praxis das, was für das Evangelium konstitutiv ist, authentisch bezeugt und gelebt? Wer darauf antworten will, wird zugleich jene Quellen und Erkenntniswege angeben müssen, von denen her man eine bestimmte Praxis mit Fug und Recht als genuin christlich oder als für den christlichen Glauben konstitutiv behaupten kann. Damit sind aber noch nicht alle Zweifel ausgeräumt: „Wie kommst du eigentlich darauf?“ Auf eine solche Nachfrage ist auch anzugeben, warum diese Quellen und Erkenntniswege für zuverlässig gehalten werden: „Was macht dich dabei so sicher?“ Und schließlich werden auch Kriterien und Verfahren zu nennen sein, anhand deren Skeptiker die Stringenz der Herleitung von Einsichten über Gott und die Welt auf den Prüfstand stellen können: „Wie begegnest du den Zweifeln an der Schlüssigkeit deiner Argumentation?“

      Wendet man die Regel „first things first“ auf die Methodik der Theologie an, so ist mit einer Auskunft über das Elementare und Essentielle des Christseins zu beginnen. Auf die Frage „Was glaubst du denn?“ wird dann zu antworten sein: Die Grundbotschaft des Evangeliums besagt, „daß es die wesentliche Bedeutung der Geschichte Jesu ausmacht, der Erweis der unbedingt für den Menschen entschiedenen Liebe Gottes und als solcher Gottes Selbstoffenbarung zu sein“35. Dieses Grunddatum des christlichen Glaubens gilt auch als Grundprinzip und Grundwahrheit der christlichen Theologie. Wie alle übrigen Glaubensaussagen diese Basis voraussetzen, muss diese Grundbotschaft aber auch je neu in andere Kontexte übersetzt werden. Nur so kann sie jeweils in ihrer Bedeutung verstanden und in ihrer ganzen Tragweite erfasst werden.

      Allerdings ist bereits an diesem Punkt mit der Frage zu rechnen, was Theologie und Glaubende so sicher macht, ausgerechnet mit dieser Aussage den Kern der christlichen Botschaft zu erfassen. Kann es nicht sein, dass auch sie zu jenen Übermalungen gehört, die man am Gottesbild Jesu vorgenommen hat? Ist nicht auch diese Aussage ein später dogmatischer Reflex einer Jesus von Nazareth zugeschriebenen Gottergriffenheit? Woher nimmt man die Sicherheit, mit dieser Aussage etwas zu benennen, das für den christlichen Glauben zentral und nicht marginal ist? Würden tatsächlich alle Christen dieser Aussagen zustimmen? Müsste man nicht auch alternative Bestimmungen des genuin Christlichen in Erwägung ziehen und auch mit ihnen den Test machen, ob sie in allen christlichen Konfessionen zum Glaubenskonsens gehören?

      So berechtigt diese Fragen sind, so abwegig fallen sehr rasch alle Antwortversuche aus, die einen quantitativen Abgleich von Glaubenssätzen verschiedener Konfessionen vornehmen wollen, auf diesem Weg ein Maximum vom Minimum gemeinsamer Überzeugungen ermitteln und dies als Basis weiterer Auslegungsversuche des Evangeliums betrachten. Ein solches Vorgehen garantiert nicht, dass man dabei erfasst, was wirklich essentiell und konstitutiv für das Christentum ist. Ein minimales Maximum kann auch für eher marginale Überzeugungen festgestellt werden. Ein bloß statistischer Ansatz führt auch dann nicht weiter, wenn man demoskopisch ermitteln wollte, was die meisten Christen als für ihren Glauben unaufgebbar und wesentlich erachten.36 Solche Auflistungen sind nur dann belangvoll, wenn sie zu erkennen geben, anhand welcher Kriterien jeweils ein entsprechendes „Ranking“ vorgenommen wurde. Wenn es auf das Setzen von Prioritäten ankommt, ist aber vorab zu klären, was jeweils als Maßstab der Prioritätensetzung in Betracht kommt. Woran soll man sich orientieren, wenn man sich orientieren will? Welche Prioritäten muss man setzen, wenn man auf der Suche nach Prioritäten ist?37

      Eine erste Möglichkeit besteht darin, sich an bereits vorliegenden Prioritätensetzungen zu orientieren. Allerdings scheint diese Möglichkeit nicht zu bestehen, wenn es um die Klärung dessen geht, was es in Wahrheit und in Wirklichkeit verdient geglaubt zu werden. Denn Aufteilungen von Glaubenswahrheiten in Ranglisten lassen sich mit den klassischen Konzepten von Wahrheit nicht anstellen:38 Der „griechische“ Wahrheitsbegriff ist primär an der Erkenntnis orientiert und bezeichnet mit „wahr“ die Eigenschaft von Aussagen, die einen gegebenen Sachverhalt adäquat wiedergeben. Der biblische Wahrheitsbegriff bezeichnet mit „wahr“ eine besondere Verfassung eines Dings oder Menschen СКАЧАТЬ