Praxis des Evangeliums. Partituren des Glaubens. Hans-Joachim Höhn
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Название: Praxis des Evangeliums. Partituren des Glaubens

Автор: Hans-Joachim Höhn

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783429062224

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      Mit diesen Überlegungen ist ein erstes Kriterium zur Unterscheidung von authentischen und vermeintlichen Glaubensaussagen verbunden:

      Wenn die Selbstvergegenwärtigung Gottes in einem Übersetzungsgeschehen gründet, dann kommt nichts als Gegenstand des Glaubens in Frage, was der Mensch sich selbst und anderen aus eigenem Vermögen vorsetzen kann. Vielmehr ist er darauf angewiesen, sich selbst etwas zusagen zu lassen, was für ihn unableitbar und unverfügbar ist und nur im Modus der Übersetzung bei ihm ankommen kann.50

      Gewonnen wurde dieses Kriterium nicht aus einer abstrakten Erörterung der Möglichkeitsbedingungen von Offenbarung im Voraus zur Behauptung des Ergangenseins einer solchen Offenbarung. Vielmehr bildet die Begegnung mit dem Anspruch des Christentums, aus einer geschichtlich ergangenen Offenbarung Gottes hervorzugehen, deren Auslöser. Die Begegnung mit diesem Anspruch und mit den Inhalten, für die dieser Anspruch reklamiert wird, ist erst der konkrete Anlass, nach den Bedingungen der Möglichkeit von Geschehen und Gehalt einer Offenbarung Gottes zu fragen. Dieses Verfahren wird auch in den folgenden Abschnitten angewandt. Ausgehend von der Behauptung des Christentums, dass das für den Menschen unableitbare und unverfügbare Verhältnis Gottes zum Menschen als Verhältnis unbedingter Zuwendung im Leben (und Sterben) Jesu von Nazareth offenbar geworden ist, wird nach den Plausibilitätsbedingungen dieser Behauptung, nach den Ermöglichungsbedingungen des behaupteten Ereignisses und nach den Ermöglichungsweisen seiner Vergegenwärtigung gefragt.

      2. Wort Gottes – maßgeblicher Maßstab:

      Schöpfung und Offenbarung als Sprachereignis

      Wenn Gottes Wille zur Gemeinschaft mit dem Menschen tatsächlich voraussetzungslos und bedingungslos ist, wenn er am Menschen nicht Maß nimmt, sondern unbedingt ist, dann kann er am Endlichen, Bedingten und Weltimmanenten nicht einfach abgelesen werden, sondern muss im Endlichen, Bedingten und Weltimmanenten derart offenbar werden, dass er dem Menschen zugesagt wird. Im Endlichen und Bedingten spricht nichts für ein Moment an Unbedingtheit, das ihm zukommen könnte. Wofür Endliches und Bedingtes selbst nicht sprechen kann, was aber für es zutreffen soll, wird ihm nur zugänglich, wenn es ihm von einer unbedingten Wirklichkeit zugesprochen werden kann. Dabei muss es sich um eine Zusage handeln, die realisiert, was sie besagt, denn anders kommt das innerweltlich Unableitbare nicht „zur“ Welt. Was die Offenbarung von Gottes Verhältnis zum Menschen inhaltlich und formal ausmacht, wird nur im Modus der Offenlegung eines unbedingten Zugewandtseins wahrnehmbar. Diese Offenlegung geschieht in der Weise eines Zuspruchs, der für das Zugesprochene zugleich die Augen öffnet: Der Mensch darf sich verstehen als Adressat einer Zuwendung Gottes, auf die er sich im Leben und Sterben verlassen kann.

      Wenn Offenbarung als Geschehen der Übersetzung von Gottes Selbst- und Weltverhältnis in innerweltliche Entsprechungsverhältnisse gedacht werden kann, dann markiert die Kategorie „Übersetzung“ in methodischer Hinsicht die Schnittstelle zwischen einer relational-ontologischen Redeweise von der Wirklichkeit Gottes und der Welt auf der einen Seite sowie einer Auslegung des Gott / Welt-Verhältnisses bzw. seiner geschichtlichen Vergegenwärtigung als „Sprachereignis“ auf der anderen Seite. Dass zwischen beiden Paradigmen wiederum ein Entsprechungsverhältnis besteht, macht die Korrelation der relational-ontologischen Kategorie „Zuwendung“ und der Metapher „Zusage“ deutlich.

      Konkretisieren lässt sich diese Entsprechung in Rekurs und in Fortschreibung einer „Theologie des Wortes Gottes“, auf die auch in der Vergangenheit im Kontext einer theologischen Erkenntnis- und Prinzipienlehre immer wieder Bezug genommen wurde.51 Eine theologische Beschreibung von Ereignissen, in denen ein „Wort Gottes“ ergeht, und eine theologische Ermittlung, inwieweit dieses Wort als Gotteswort ergeht, setzt jedoch viel zu spät ein, wenn sie nach Zeugnissen eines „Sprechens“ Gottes in der Geschichte oder nach seinem Widerhall im Menschenwort sucht. Weder der Einsatz bei einem geoffenbarten „Gesetz“ Gottes noch beim Auftreten von Propheten als den Kündern seiner Weisungen an das Volk Gottes und auch nicht die Sammlung von Jesusworten über das „Reich Gottes“ bieten einen angemessenen Ausgangspunkt. Vielmehr ist dort zu beginnen, worauf alle diese Einstiege zurückverweisen: Bereits die Erschaffung der Welt ist Ereignis von Gottes Wort bzw. ein von Gottes Geist inspiriertes Wortgeschehen.

      Die priesterschriftliche Schöpfungserzählung Gen 1,1–2,4a erinnert mit Nachdruck daran, dass alles, was ist, als „creatura verbi“ anzusehen ist. Nach Gen 1,1–2,4a ist die einzige Wirkursache des Daseins das Wort Gottes, welche eine unförmige, nichtige und lebensfeindliche Wirrnis in einen Lebensraum überführt, der sich durch lebensermöglichende, wohltuende Unterschiede auszeichnet.52 Gen 1,1–2,4a zeigt einen Gott, dessen Geist über den Wassern schwebt (Gen 1,2) und dessen Wort ein Chaos zu einem Kosmos, d. h. zu einem wohlgeordneten Ganzen macht, das daseins-, identitäts- und bedeutungsermöglichende Unterschiede aufweist. „In der Kraft des Lebensatems Gottes, in dem das schöpferische Wort Gottes über die Welt ertönt und den Gott seiner Welt einhaucht, entsteht aus dem Chaos der wohlgeordnete Kosmos der Schöpfung.“53 Durch Gottes Geist und Wort wird ein Unterschied von Sein und Nichts zugunsten des Seienden konstituiert, der wiederum weitere wohltuende Unterscheidungen ermöglicht. Schöpfung ist Überwindung chaotischer, nichtiger Unbestimmtheit und Ungeschiedenheit. Das „Tohuwabohu“ vermag von sich aus diesem heillosen Durcheinander keine Umrisse zu geben, durch die es zu etwas wird, das als etwas da ist. Übersetzt man diesen Sachverhalt in die Sprache der Ontologie, so ergibt sich: Das diffuse Chaos enthält alles der Möglichkeit nach. Darin liegt seine ungeheure Mächtigkeit, seine Potenz – aber auch seine bloße Potentialität, d. h., in ihm ist alles bloß möglich, aber nichts wirklich. Etwas zum Dasein bringen heißt aber, es aus der Möglichkeit ins Wirkliche überführen. Dasein besteht darin, das Mögliche auf das Wirkliche hin zu überschreiten. Zu einer solchen Selbstüberschreitung ist aber im Chaos nichts von sich aus fähig. Und auch das Chaos selbst kann nicht von sich aus den Unterschied vom Möglichen zum Wirklichen überschreiten. Daher kommt ihm auch nicht die Funktion eines Seinsprinzips zu.54

      Hingegen wird in Gen 1–2,4a Gott als derjenige bestimmt, der den Unterschied zwischen dem Bestimmten und dem Unbestimmten konstituiert. Allein Gott ist es, der von dem Unförmigen, Formlosen und Lebensfeindlichen dasjenige unterscheidet, das durch diese Unterscheidung Gestalt und Form annimmt und dergestalt am Leben ist. Ohne Gottes Wort gäbe es nicht den Unterschied von Sein und Nichts, von Bestimmtheit und Unbestimmtheit.

      Wenn solchermaßen geschöpfliches Dasein nicht als Resultat eines Machens oder Herstellens, nicht als Resultat eines In-Form-Bringens einer göttlichen Urmaterie oder eines evolutiven Gestaltwerdens kraft einer Emanation des Seins verstanden wird, sondern als „Schöpfung durch das Wort“ bestimmt wird, dann ist die „Verfassung“ der Welt in der Dimension der Sprachlichkeit zu sehen.

      Der Prolog des Johannesevangeliums verknüpft diese Sichtweise mit einer Logos-Theologie (Joh 1,1–18). Dabei dient die Kategorie „Logos“ zunächst dazu, das Selbstverhältnis Gottes zu bestimmen („Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott“). Mit ihr lässt sich ebenso das Gottesverhältnis der Welt und das Weltverhältnis Gottes kennzeichnen.55 Aus theologischer Sicht hat das Geschaffensein der Welt die Eigentümlichkeit eines „Sprachereignisses“: „Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist“ (Joh 1,3). Wenn alles, was es gibt, durch das Wort Gottes hervorgerufen ist, dann existiert es „im Wort“. Aber auch Gott ist bei seiner Schöpfung „im Wort“. Sie ist durch das Wort geschaffen – Ergebnis seines Zuspruchs von Dasein, Identität und Freiheit. Hierbei handelt es sich um ein Wort, das, indem es ergeht, jene Wirklichkeit vergegenwärtigt, auf die sich das Wort bezieht. Unter dieser Rücksicht ist es kennzeichnend für das „Wort Gottes“, dass es performativ und nicht bloß signifikativ bedeutsam ist: Es bezeichnet nicht einen Sachverhalt, der unabhängig vom Akt der Bezeichnung besteht. Vielmehr wird dieser Sachverhalt hervorgebracht, indem СКАЧАТЬ