Название: Rückkehr zu Gott
Автор: Jörg Gabriel
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Studien zur systematischen und spirituellen Theologie
isbn: 9783429060831
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„für die ‚frommen Frauen im Bistum Lüttich und in ganz Frankreich und Deutschland‘ die päpstliche Erlaubnis, in Gemeinschaftshäusern zusammenzuwohnen und einander durch gegenseitige ‚Ermahnungen‘ im rechten Tun zu bestärken; das heißt: klösterliche Frauengemeinschaften ohne Anschluss an einen bestehenden Orden und ohne Annahme einer approbierten Klosteregel zu bilden und Erbauungspredigten oder Exhorten in diesen Gemeinschaften zu halten.“372
Schon seit Beginn des 13. Jahrhunderts hatten sich in Nordeuropa zahlreiche außerklösterliche Formen der weiblichen Religiosität gebildet – nicht nur in Belgien, sondern auch in Frankreich, Deutschland (z.B. Köln373, Speyer374); fromme Frauengemeinschaften fanden sich in Thüringen, Böhmen, sogar in England375 und Griechenland.376 Zu dieser Zeit war die Bezeichnung Begine jedoch nicht mehr mit einem Makel behaftet.377
Will man aber den Charakter der religiösen Frauenbewegung in Nordeuropa zu Beginn des 13. Jahrhunderts festhalten, darf man sich – so Grundmann378 – nicht auf das eigentliche Beginentum beschränken, das sich erst im Laufe der Zeit gegenüber anderen Formen der Frauenfrömmigkeit weiter entwickelt hat. Genauso wenig darf man sich auf Kenntnisse über das spätere Beginenwesens beziehen, um daraus auf das Wesen der religiösen Bewegung im 13. Jahrhundert zu schließen. Vielmehr gilt es, „den gemeinsamen Gehalt und die gleichartige Bedeutung der gesamten religiösen Frauenbewegung dieser Zeit“379 in den Blick zu nehmen, um von dorther zu verstehen, wie sich die religiöse Frauenbewegung – durch Maßnahmen der Kurie, der religiösen Orden, z.B. des Dominikanerordens, und der Frauengemeinschaften selbst – zu verschiedenen Organisationsformen weiterentwickelt hat.
„Mit der allgemeinen religiösen Bewegung ihrer Zeit hat die Frauenbewegung das Ziel einer christlichen Lebensgestaltung in evangeliengemäßem Sinne gemein, das sie vor allem durch freiwillige Armut und Keuschheit zu erreichen glaubt.“380
Von der als häretisch verurteilten Armutsbewegung unterscheidet sich die religiöse Frauenbewegung hauptsächlich durch den Verzicht auf die apostolische Wanderpredigt und auf Polemik gegen den Klerus.
Die religiösen Frauenbewegungen entstanden vermutlich nicht aus emanzipatorischen oder sozialen Gründen; zu den Gemeinschaften gehörten auch nicht ausschließlich Frauen aus den untersten Schichten bzw. Frauen, die aufgrund des Männermangels infolge der Kreuzzüge keine Ehe eingehen konnten und nach einer anderen „Versorgung“ Ausschau halten mussten. Zur religiösen Frauenbewegung gehörten vielmehr alle Schichten der Bevölkerung, besonders aber die oberen Schichten. Reiche und adlige Frauen suchten nach neuen Möglichkeiten, ein intensives religiöses Leben zu führen:
„Die Zisterzienserinnen in Belgien wie in Deutschland kamen zum allergrößten Teil aus dem Adel oder aus dem städtischen Patriziat; dass sie nicht Nonnen wurden, um dadurch ‚versorgt‘ zu sein, lässt sich selbst aus den dürftigen Zeugnissen, die wir über diese Klöster haben, hinreichend erweisen.“381
Auch für Jakob von Vitry sind die Ursachen für die Entstehung der religiösen Frauenbewegung und von Beginengemeinschaften allein religiöser Natur:
„Er habe, betont er, viele Frauen darunter gesehen, die den Reichtum ihrer Eltern verschmäht und die Ehe mit vermögenden und vornehmen Männern ausgeschlagen hatten, um in Armut, von der Arbeit ihrer Hände lebend, dürftig in Nahrung und Kleidung, sich ganz ihren religiösen Zielen zu widmen.“382
Man kann in dieser Haltung durchaus einen Protest gegen die „Folgeerscheinung der Anfänge des Kapitalismus“383 sehen:
„Es kann kein Zufall sein, dass die religiöse Armutsbewegung sich am kräftigsten und eigenartigsten in jenen Gebieten entfaltet hat, in denen im 12. Jahrhundert auch der Handel und die Industrie die bedeutendsten Fortschritte gemacht haben: in der Lombardei, in Südfrankreich und in Belgien. Überall in diesen Ländern hat sich die Idee der freiwilligen christlichen Armut zugespitzt zu der Losung, auf die Nutznießung ‚unrecht erworbenen Gutes‘ zu verzichten und stattdessen von der Arbeit seiner Hände oder aber von Almosen zu leben.“384
Man würde die religiöse Frauenbewegung jedoch falsch einschätzen, sähe man in ihr ausschließlich eine gezielt agierende Protestbewegung:
„Die Idee der freiwilligen Armut hat, auch außerhalb der Klöster, zu wirken begonnen und weite Kreise erfasst, als von solchen wirtschaftlich-sozialen Ursachen noch gar nicht die Rede sein konnte, und sie hat ihre Polemik zuerst nicht gegen wirtschaftliche, sondern gegen kirchliche Erscheinungen gerichtet: der innere Widerspruch zwischen Lebensweise des Klerus und den Forderungen der Evangelien ist der erste Anstoß ihrer Entfaltung.“385
Auch wenn die Motivation dieser Frauen nicht leicht auszumachen ist386, das Grundanliegen war und blieb ein religiöses Leben: Es kann – mit Dinzelbacher gesprochen – „kein Zweifel bestehen, dass persönliches Heilsstreben ein, wenn nicht überhaupt der ausschlaggebende Beweggrund für die meisten jener Frauen war.“387
I. Die Beginen
Im 13. Jahrhundert waren die Frauenklöster der Zisterzienser wie die der Dominikaner und Franziskaner nicht in der Lage, alle Frauen aufzunehmen, die nach einem religiösen Leben strebten. Darüber hinaus war die Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Inkorporation in einen bestehenden Orden die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauengemeinschaften. Aus diesem Grund nahmen die Frauenklöster – die ohnehin überfüllt waren – ausdrücklich einflussreiche und vermögende Frauen auf. Für sehr viele Frauen, die aus weniger begüterten Verhältnissen kamen, blieb dann der Weg in ein solches Kloster verschlossen.388 Darum bildeten sich neue Gemeinschaftsformen, in denen Frauen ein religiöses Leben führten, ohne zu einem klösterlichen Verband zu gehören. Diese frommen Frauen wurden seit den vierziger Jahren des 13. Jahrhunderts Beginen genannt.389 Trotz des Konzilsbeschlusses von 1215, es dürften keine neue Ordensformen gebildet werden, neue Gemeinschaften müssten sich vielmehr den bestehenden Ordensgemeinschaften anschließen390, gestattete Papst Honorius III. 1216 ausdrücklich diese neuen Lebensformen.
„Das Beginentum ist also nicht eine absichtlich und planvoll geschaffene Sonderform des religiösen Lebens, sondern das Ergebnis der religiösen Frauenbewegung, soweit sie nicht Aufnahme fand in den neuen Orden.“391
Obwohl die Beginen von einzelnen Förderern unterstützt wurden – wie z.B. Jakob von Vitry, Robert von Grosseteste, Robert von Sorbonne; Jakob Pantaleon hat sogar eine Regel für eine Beginengemeinschaft verfasst – existierte weder eine einheitliche Organisation mit einer gemeinsamen Regel, noch erhielten sie die Anerkennung als selbstständige Ordensform. So bildete das Beginenwesen eine
„seltsame СКАЧАТЬ