Название: Balancieren statt ausschließen
Автор: Hildegard Wustmans
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge
isbn: 9783429060312
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Ich danke den Frauen, die sich für die Interviews zur Verfügung gestellt haben. Ohne sie wäre diese Arbeit nie möglich gewesen. Dank gilt auch und in besonderer Weise Rainer Bucher, der die Entstehung des Textes anregend, fachlich kompetent und aufmerksam begleitet hat. Auch den Teilnehmer/-innen am Privatissimum in Graz möchte ich für die Auseinandersetzungen, die Hinweise und die Kommentare danken.
Natürlich gilt mein Dank auch meinen Freundinnen und Freunden, die mir im Entstehungsprozess immer wieder und in vielfältiger Weise Unterstützung zuteilwerden ließen. Schließlich danke ich dem Bischöflichen Fonds zur Förderung der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz und der Laubach-Stiftung, Mainz, ausdrücklich für die finanzielle Unterstützung. Mein herzlicher Dank gilt auch den Herausgebern der Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge, die meine Arbeit in ihre Reihe aufgenommen haben, Prof. Dr. Konrad Baumgartner und Prof. Dr. Erich Garhammer, sowie den weiteren Herausgebern Prof. Dr. Martina Blasberg-Kuhnke und Prof. Dr. Franz Weber.
Linz, im Mai 2011
Einleitung
In den letzten Jahrzehnten ist es zu epochalen Veränderungen der Geschlechterrollen, des Verhältnisses der Geschlechter zueinander und der Wertehaltungen und Einstellungen gekommen, die das ganze Leben betreffen. Für die Bereiche der Lebensformen, der Erwerbsbiografien, die Einstellungen zum anderen Geschlecht, zu Familie, Kinder und Beruf gibt es keine eindeutigen Richtlinien mehr. Die Veränderungen sind gravierend. Sie machen auch vor der Kirche nicht halt. Insbesondere neue Frauenbiografien sind Anfrage und pastorale Herausforderung für die Kirche gleichermaßen. Frauen sind ein eigener pastoraler Ort. Im Rahmen der Habilitationsschrift kommt dieser pastorale Ort in den Blick. Die Wahrnehmungen und Positionen von Frauen zur Religionsgemeinschaft Kirche und zu ihrer religiösen und spirituellen Praxis werden erfragt und analysiert. Die Erfahrungen von Frauen, die oftmals am Rand der Kirche gemacht werden, stehen im Zentrum der Befassung und es wird zugleich ein Weg aufgezeigt, wie sie produktiv für die Kirche zu nutzen sind. Es soll aufgezeigt werden, in welcher Weise die religionsgemeinschaftliche Form der Kirche mit den pastoralgemeinschaftlichen Gruppen der Frauen in eine Balance zu bringen ist. Auf dieser Basis wird dann das Konzept einer balancierten Pastoral entwickelt, die über das Verhältnis von Frauen und Kirche hinausreicht und auch für andere pastorale Orte Perspektiven und Orientierung bietet. Mit der Habilitationsschrift soll eine Sprache angeboten werden, die vor den religiösen Erfahrungen der Zeit besteht.
Noch immer gestalten und tragen Frauen in weiten Teilen das gemeindliche Leben mit. Aber sie stehen der Religionsgemeinschaft zunehmend kritisch gegenüber. Sie verlangen Mitspracherechte und fordern Formen und Feiern ein, die ihre spezifischen Nöte und Sorgen, Freuden und Hoffnungen adäquat zum Ausdruck bringen. Sie erleben sich in einer Differenz zwischen dem, was sie erfahren, und dem, was ihnen an spirituellen und rituellen Formen zur Verfügung steht. Frauen stellen immer wieder fest, dass sie nicht vorkommen oder gar ausgeschlossen sind. Dieses Erleben ist für einige von ihnen der erste Schritt, nach Wegen und Formen zu suchen, wie sie ihren Glauben ausdrücken und feiern können. Inzwischen kann gesagt werden, dass an vielen Orten Frauen begonnen haben, nach Ausdrucksmöglichkeiten für ihren Glauben zu suchen. Sie haben erkannt und erfahren, dass Rituale in den unterschiedlichsten Situationen des Lebens ein Segen sind. Dies zeigt sich vor allem in prekären Situationen, die mit Übergangsprozessen verbunden sind.
Die Vorannahmen zum Verhältnis von Frauen und Kirche werden im Rahmen der Arbeit durch einen empirischen Teil überprüft. 15 Interviews wurden mit Frauen an unterschiedlichen Orten in Deutschland und Brasilien geführt. Die Interviewpartnerinnen sind Ordensfrauen, haupt- und ehrenamtliche Frauen aus Gemeinden, aber auch Frauen, die sich inzwischen im Spektrum postchristlicher Religion beheimaten. Es handelt sich bei dieser Untersuchung um eine genderspezifische Realität, mit exemplarischer Bedeutung für den Gemeinschaftsgehalt der Kirche.
Das erste Kapitel steckt den Rahmen der Arbeit ab und weist vor allem auf die Veränderungen in den modernen Frauenbiografien und die daraus resultierenden Konsequenzen für Gesellschaft und Kirche hin. Durch diese Veränderungen sieht sich die Kirche vor das drängende Problem gestellt, ihre Position zu den Frauen und deren Erwartungen an Teilhabe und Teilnahme zu überdenken, dies nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, an einer Balance zwischen Kirche und Frauen zu arbeiten. Aber die Frage der Balance stellt sich nicht nur für die Kirche, sondern auch für die Frauen. Was büßt die Kirche ein, wenn sie die Frauen verliert? Was entgeht den Frauen, wenn sie sich nicht mehr auf das beziehen und einwirken, woher sie kommen – die Kirche?
Um diese Fragen beantworten zu können, ist es zunächst erforderlich, auf Frauen zu hören, ihre Meinung und Position zu erfahren. Dies geschieht im zweiten Kapitel der Arbeit. Zunächst wird die Ausgangssituation beschrieben und Informationen zur Untersuchungsgruppe werden gegeben. Dann folgen Angaben zu dem Leitfaden und der Durchführung der Interviews. Dieser Punkt wird durch die Darstellung des Auswertungsverfahrens, das sich zum einen auf die soziologische wie zum andern auf die philosophisch-sprachliche Ebene bezieht, ergänzt. Abschließend werden in Kurzporträts die Interviewpartnerinnen vorgestellt und es erfolgt ein Einblick in die Inhalte der Interviews.
In dem dritten Kapitel werden fünf Interviews in den Mittelpunkt gestellt und einer differenzierten Einzelanalyse unterzogen. Die Interviews wurden nach den folgenden Kriterien aus dem Sample der insgesamt zwölf Interviews ausgewählt: Es sollten haupt- und ehrenamtliche Frauen zu Wort kommen. Gleichzeitig sollte dabei eine möglichst große Unterschiedlichkeit in Bezug auf die Lebenskonzepte und das Alter Berücksichtigung finden. In der Analyse tritt das Problem der Balancen sehr deutlich zutage. Dort, wo die Balancen nicht zur Verfügung stehen, bleiben Aspekte unausgesprochen, fehlen die Worte. Aber die Frage nach den Balancen stellt sich auch mit Deutlichkeit an den Punkten, wo Perspektiven schlichtweg ausgeschlossen werden, z. B. in Bezug auf Positionierungen und Umsetzungen von Religiosität. Die Herkunft und Prägung durch die christliche Religion werden ausgeschlossen und die religiösen Sehnsüchte in spirituelle Zusammenhänge verlagert. Dass jedoch Spiritualität und Religiosität in einem Zusammenhang stehen und ausbalanciert werden können, ist nur bei wenigen der interviewten Frauen ein Thema. Aber gerade in diesen Interviews zeigt sich, dass dort, wo die Balance gelingt, die größte Energie ist. Balancen sind wichtig, denn sie sorgen für einen fortwährenden und dynamischen Bewegungsablauf. Aber um mit ihnen wirklich praktisch-theologisch arbeiten zu können, braucht es Konzeptionen.
Ziel des vierten Kapitels ist es, balancierte Konzepte von Zweiheiten in Bezug auf Frauen, Orte, Ritual und Kirche vorzustellen. Die Konzeptionen werden auch auf ihre Fähigkeit hin befragt, Balancen zu markieren bzw. zu erzeugen. Die Entwürfe werden dabei nicht nur referiert, sondern mit Aussagen der Frauen aus den Interviews konfrontiert. Durch diese Vorgehensweise erfolgt eine unmittelbare Überprüfung der Thesen für die Praxis. Zunächst wird die Konzeption der Zweiheit von Nelle Morton vorgestellt. Nelle Morton nimmt mit ihrem „hearing to speech“ eine Ortsbestimmung der Frauen vor und zugleich bietet sie eine treffende Beschreibung von dem, was sich in Frauengruppen ereignen kann. Sie verlässt den Boden personaler Charakteristik nicht, entwickelt insofern auch keine Theorie, aber gleichwohl sind ihre Beschreibungen erhellend und bedeutsam für die Analyse von Frauengruppen und den Prozessen, die sich in ihnen abspielen.
Eine theoretische Konzeption der Zweiheit findet sich hingegen im Denken von Michel Foucault. Er lenkt den Blick bewusst auf das Außen und bestimmt von diesem Punkt her das Innen. Wer das Innen verstehen will, muss an СКАЧАТЬ