Balancieren statt ausschließen. Hildegard Wustmans
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СКАЧАТЬ waren, begannen vielmehr, auf unterschiedliche Weise und an verschiedenen Orten diese neuen Ansätze in die liturgische Gestaltung einzubringen. […] Die lose Vernetzung über jährliche Tagungen (Bad Boll), persönliches Kennenlernen, der Austausch von liturgischen Büchern, Dokumentationen auf Frauenbörsen, der informelle Charakter also einer Bewegung, hat sich bis heute erhalten“ (Enzner-Probst 2008, 116).

      Neben den Frauenverbänden und den Frauenreferaten in den Diözesen sind nicht zuletzt die Zusammenschlüsse von Studentinnen an Hochschulgemeinden ein Ort der liturgischen Praxis von Frauen (vgl. Hojenski/Hübner u. a. 1990; Baumann u. a. 1998). Eine wesentliche Motivation für den Zusammenschluss waren auch hier die Entfremdungserfahrungen der Frauen und so verwundert es nicht, dass nicht zuletzt die Befreiungstheologie wesentliche Impulse beisteuerte (vgl. Enzner-Probst 2008, 118). Daneben gibt es natürlich auch jene Zusammenschlüsse von Frauen, die sich in Liturgiegruppen vor Ort, in der Pfarrgemeinde oder auf regionaler Ebene treffen (vgl. ebd., 123).

      Frauen, die sich für Frauenliturgien interessieren und in das Leben von Gemeinden integriert sind, ringen in ihren Feiern jeweils neu mit der Tradition. Sie sind bestrebt, deutlich zu machen, dass die jüdisch-christliche Tradition nicht auf ihre patriarchalen Aspekte zu verkürzen ist. Sie wollen jene Gesichtspunkte stark machen, die zeigen, dass die jüdischchristliche Tradition gerade auch aus der Verheißung eines Lebens in Fülle (Joh 10,10), in Gerechtigkeit und Erlösung besteht. „Diese Suche ist kein rein kognitives Geschehen, im Gegenteil, feministische Liturgien zeichnen sich durch Kreativität und Sinnenhaftigkeit aus“ (Rieger 1999, 103). Die Kreativität und der Prozesscharakter sind bei den Ritualen und Liturgien der Frauen zentral. „Wenn Frauen sich in der Absicht, Rituale zu feiern, zusammenschließen, geschieht dies aktiv und kreativ. Es ist ein aktives Prozessgeschehen. Rituale feiern bedeutet mehr, als einfach [zu] beobachten oder an einem festgeschriebenen überlieferten Ritual teilzunehmen“ (Northup 1998, 394). Rituale gestalten und feiern unterscheidet sich von dem „zur Messe gehen“, „das Wort hören“, es ist ein erfinderischer Prozess (vgl. Northup 1998, 395). Jedoch ist es schwierig, bisweilen problematisch, Frauenrituale zu definieren, „weil Frauen Rituale in vielen unterschiedlichen Kontexten und nach diversen Mustern durchführen. Frauen feiern Rituale innerhalb institutionalisierter Religionen oder ganz bewusst außerhalb dieser; allein oder in Gemeinschaft; zu Hause oder öffentlich; nach alten Formen oder innovativ. Dennoch, wo immer Frauen sich versammeln, um Rituale zu feiern, benutzen sie gemeinsame Quellen, Bilder und Praktiken, die charakteristisch sind“ (ebd., 391).

      Das Erarbeiten eines Rituals ist ein Akt ritueller Konstruktion, der selbstbewusst beschritten wird“ (vgl. Grimes 1993, 5). In den Gruppen von Frauen, die Rituale und Liturgien gestalten, gibt es eben auch jene, die bewusst und sehr entschieden neue und eigene Wege gehen wollen. Diese feministischen Liturgiegruppen finden sich in christlichen und postchristlichen Zusammenhängen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihr vitales Interesse darin besteht, neue Rituale hervorzubringen. Sie suchen nicht (mehr) nach Möglichkeiten und Formen, in den „alten“ Ritualen ihren Platz zu finden.

      Die Frauenliturgie- und ritualgruppen bewegen sich oftmals am Rand und an den Schwellen der Kirche. So verwundert es nicht, dass z. B. in Deutschland die ersten Frauenliturgiegruppen an Hochschulgemeinden einen Ort gefunden haben. Dieser Ort befindet sich jenseits der „normalen“ Pfarreistruktur und garantiert eine prinzipielle Offenheit für neue Formen und Themen. Andere Gruppen treffen sich in Frauenbildungshäusern und damit ebenfalls an Orten, die einen Schwellencharakter haben. Es handelt sich jeweils um Orte mit Freiraum und eigenen Mustern kirchlicher Repräsentanz (vgl. Grimes 1990, 10).

      Die Erfahrung der Marginalisierung in Kirche und Gesellschaft kann für spirituell interessierte Frauen zum Ausgangspunkt werden, sich einer Frauenliturgie- oder ritualgruppe anzuschließen. Folgende Aspekte sind dabei für Frauenliturgiegruppen kennzeichnend:

      • Es handelt sich um liturgische Feiern von Frauen für Frauen (vgl. Feldmann 1998, 27).

      • Persönliches Angesprochensein ist den teilnehmenden Frauen wichtig und die Feier findet meist in einem kleinen und vertrauten Kreis statt (vgl. ebd., 23).

      • Die Lebensgeschichten und Erfahrungen der Frauen sind zentral und werden zum Ausgangspunkt für die Liturgien (vgl. ebd., 23–25).

      • Das eigene Leben wird in Beziehung zu den anderen Teilnehmerinnen und zu Gott gebracht. Entfremdungserfahrungen werden benannt (z. B. die Bedeutung und Wirkung männlicher Gottesanreden) und überwunden. Das Glaubenszeugnis von Frauen rückt in den Mittelpunkt (vgl. Baumann 1998, 58–66).

      An diesen Punkten wird sichtbar, dass diese Orte in besonderer Weise von Intimität, Vertrautheit und dem direkten Bezug zur eigenen Erfahrungswirklichkeit der Frauen gekennzeichnet sind. Im meist kleinen und bekannten Kreis erfolgen die Begegnung und Auseinandersetzung mit der eigenen Existenz und die Bezugnahme zum Glauben. „Frauenliturgien zu feiern bedeutet:

      • aufbrechen,

      • das (spirituelle) Leben selber in die Hand nehmen,

      • auf eigenen Füßen stehen, tanzen und auf den Boden zu stampfen,

      • neue Wege zu entdecken,

      • kritisch sein,

      • nicht nur mitspielen,

      • mündig sein,

      • etwas verändern,

      • unsere Schätze ausgraben,

      • auf mich selber achten,

      • Alternativen schaffen,

      • ehrlich sein zu mir selber,

      • viel möglich machen,

      • Angst verlieren und Mut gewinnen“ (Dommers 1998, 16).

      In dieser Auflistung von Punkten, die die Beutung von Frauenliturgien für Teilnehmende herausstellt, wird gerade auch der persönliche Aspekt betont. Darin kommt auch zum Ausdruck, dass die Frauenliturgien als ein Ort in den Blick kommen, an dem die einzelne Frau ihre Spiritualität entwickeln kann. Es handelt sich bei den Frauenliturgiegruppen um Orte, die eine Alternative zu dem darstellen, was viele Frauen in der Kirche kennen und erleben. Die Differenz zur gottesdienstlichen Praxis wird durch die folgenden Merkmale weiter unterstrichen, wie sie von Angelika Botz definiert werden:

      • „Frauenliturgien gehen von der Lebenswelt der Frauen aus

      Die Frauen, die die Liturgie vorbereiten, bestimmen das Thema aufgrund eigener persönlicher Prioritäten. Die Themen entspringen dem Lebensalltag von Frauen und werden in einer Form in der Liturgie präsentiert, die besonders von Frauen verstanden wird. Wir erleben, dass es eine Beziehung zwischen unserer Lebenswirklichkeit als Frauen und Gott gibt.

      • Jede Frau besitzt spirituelle Kompetenz

      Jede Frau kann zur religiös Handelnden werden und eine Beziehung zum Göttlichen für sich und andere herstellen. Sowohl in der Rolle als Leiterin wie auch als Teilnehmerin einer Liturgie ist sie aktiv am religiösen Geschehen beteiligt.

      • Jede Frau ist zur Leitung der Liturgie ermächtigt

      Es gibt kein ausdrückliches ‚Leitungsamt‘. Die Leitung wechselt von Liturgie zu Liturgie und ist zeitlich auf eine Liturgie beschränkt. Die Leiterin wird durch das Vertrauen der Gruppe und das eigene Zutrauen für ihre Aufgabe ermächtigt. […]

      • Offene und ehrliche Begegnung wird möglich

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