Balancieren statt ausschließen. Hildegard Wustmans
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СКАЧАТЬ Übergängen ist aber noch auf etwas zu verweisen, was die verschiedenen Stränge eint: Sie alle suchen nach Ausdrucksformen von Spiritualität. Und was die christlichen Gruppierungen betrifft, lässt sich sagen, dass sie „auf der Suche nach Wegen [sind], wie die christliche Botschaft gelebt werden kann. Die dabei beschrittenen Wege sind nicht immer die gewohnten, aber deswegen noch lange nicht per se schrecklich, abschreckend oder glaubensfeindlich“ (Jeggle-Merz 2000, 356).

      Der Ursprung für die Frauenliturgiebewegung liegt bei jenen Frauen, die innerhalb der Frauenbewegung ihr politisches Engagement und die religiöse Begründung miteinander verbinden wollten (vgl. Enzner-Probst 2003, 203 f.). Sie haben nach Formen und spirituellem Ausdruck für ihr (frauen)politisches Engagement gesucht. In der Realisierung dieses Wunsches sind sich viele Frauen in einem ersten Schritt der Bemächtigung durch die androzentrisch-christliche Tradition bewusst geworden. Im Kreis christlicher Frauen führte dies zu einer verstärkten Suche und Auseinandersetzung mit Frauen in der eigenen Tradition. Frauen in der Bibel und in der Kirchengeschichte sind und waren ein wichtiges Thema. Ein Teil dieser Frauen ist (nach wie vor) in bestehende Gemeinde- und Liturgiepraxen eingebunden und ist bestrebt, diese zu reformieren. Dies zeigt sich besonders deutlich in dem Bemühen, auch im Rahmen von Gottesdienst und Verkündigung eine inklusive Sprache zu sprechen. Seit den 80er Jahren ist eine vermehrte Kritik von Frauen an der Sprach- und Bilderwelt in der Liturgie zu verzeichnen. Frauen fühlen sich oftmals ausgeschlossen. Sie sind nicht sichtbar und nicht hörbar. In den Liedern und Texten ist von den „Brüdern“ und den „Söhnen“ die Rede. Und auch die Gottesanrede ist an den „Herrn“ adressiert. Diese Sprach- und Bilderwelt verstärkt das Gefühl des Ausgeschlossenseins bei Frauen. „Das ist besonders schmerzlich, da Liturgie ein heiliges Spiel ist, das an die Gottesebenbildlichkeit aller Menschen erinnert und die Heilsaussage Gottes feiert“ (Rieger-Goertz 2003, 315). Inzwischen wird in vielen Predigten darauf geachtet, dass Frauen nicht nur mitgemeint, sondern auch angesprochen und erwähnt werden. Für die evangelische Kirche ist zu sagen, dass in besonderer Weise die Homeletik die Frauenfrage in den Blick genommen hat. Predigthilfen und Perikopenbücher für frauengerechte Predigten sind entstanden (vgl. Korenhof 1996; Korenhof/Stuhlmann 1998, 1999). In diesen Vorschlägen für Predigten werden die unterschiedlichen Lebenserfahrungen von Männern und Frauen thematisiert und die Glaubenserfahrungen von Frauen zur Sprache gebracht. Ein besonderes Projekt in diesem Kontext ist auch der jährlich stattfindende ökumenische Weltgebetstag der Frauen. Er wird jeweils von Frauen in einem Land der Welt vorbereitet und in den Materialien zu diesem Tag werden die Situation der Frauen, ihre Perspektiven und Hoffnungen thematisiert und in der Liturgie mit der Rede von Gott verknüpft (vgl. Bechmann 2002).

      Mit zunehmender Annäherung von Frauen aus den christlichen Kirchen an die Frauenbewegung wurden auch die Impulse feministischer Spiritualität aufgegriffen und weiterentwickelt (vgl. Berger 1999a, 109–149). In den USA waren in diesem Zusammenhang die Aktivitäten der Gruppe WATER (Women’s Alliance for Theology Ethics and Ritual) wegweisend, die sich insbesondere um einen liturgischen Ausdruck befreiungstheologischer Aspekte bemüh(t)en. „Eine frauenspezifische Form des ‚lex orandi – lex credendi‘ wurde gesucht und in unterschiedlichen Gruppen umgesetzt. Ein Beispiel dafür ist die Liturgiegruppe WATER, die, in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gegründet, bis heute kontinuierlich Liturgien gestaltet, feiert und dokumentiert“ (Enzner-Probst 2008, 80).

      In dem Konzept von Women-Church sollen Glaube, Ethik und Liturgie aus der Sicht von Frauen gestaltet werden9 (vgl. Neu 1982; Hunt 1990).

      „‚Frauenkirche‘ bedeutet kirchenpolitisch und liturgiepraktisch die Erkenntnis, dass Frauen nicht zusätzlich etwas zu einer an sich bestehenden Kirche beitragen, sondern selbst ‚Kirche sind‘. Dies kann als ‚feministischer Wendepunkt‘ im Bewusstsein vieler Frauen bezeichnet werden, die sich innerhalb der Kirchen engagierten. Diese Frauen verstanden sich als kritisch-innovative Erneuerungsbewegung innerhalb der traditionellen Kirche (‚Ekklesia der Frauen‘, Schüssler Fiorenza) oder als Exodusgemeinschaft innerhalb und an den Rändern der Kirchen (Ruether). ‚Frauenkirche‘ wandte sich kritisch gegen eine ‚herr‘schende ‚Männerkirche‘, die Frauen aus liturgischer Leitung und theologischer Diskussion ausschloss. Die in Women-Church engagierten Frauen wollten Kirche anders leben und feiern, eine Kirche bauen, in der Frauen ihrem Subjektsein und in ihrer spirituellen und liturgischtheologischen Verantwortung ernst genommen wurden“ (Enzner-Probst 2008, 79).

      Vor diesem Hintergrund definiert Teresa Berger die Frauenbewegung in der Kirche u. a. auch als eine liturgische Bewegung, deren Ziel die „Inkulturation“ der Liturgie in die Lebenswirklichkeit von Frauen ist (vgl. Berger 1990, 55–64).

      Neben der Women-Church sind auch jene Gruppen zu erwähnen, die unter der Bezeichnung „Women-Spirit“ firmieren (vgl. Enzner-Probst 2008, 86). Letztere sind nicht an einer Reform der Institution interessiert, sondern darum bemüht, „ihre Spiritualität als Frauen authentisch“ auszudrücken (ebd.).

      Besondere Impulse gingen in Nordamerika von Starhawk10 und Naomi Goldenberg11 aus, die Psychoanalyse und feministische Rituale zu verbinden suchen. Sie und andere haben den Grundstein für eine kritische rituell-feministische Bewegung gelegt (vgl. Goldenberg 1979; dies. 1988, 165–189; dies. 1986, 39–49; Hunter Roberts 1998, 33–49; Winter 1994; Cady/Ronan/Taussig 1986; Schulenburg 1993). In dieser Bewegung wurde auch die Bindung an eine Göttin stark und kontrovers diskutiert (vgl. Starhawk 1986; dies. 51991, Stone 1976; Adler 1979). Daneben wurden und werden Rituale im Jahreslauf oder entlang des weiblichen Lebenslaufes entwickelt. Darüber hinaus waren und sind die Frauen bestrebt, politisches Engagement und rituelle Praxis miteinander zu verbinden, was sich u. a. im Engagement gegen Atomkraft und Umweltzerstörung und der Friedensbewegung zeigte und zeigt (vgl. Starhawk 2003).

      Andere Frauen hingegen suchten und suchen in der matriarchalen Kultur eine Möglichkeit der Verankerung. Aber es können auch spirituelle Formen und Traditionen, wie etwa aus der indianischen Kultur, aus anderen Religionen, wie dem Buddhismus, der neopaganen Szene, eine Rolle spielen. Mit einer großen Selbstverständlichkeit werden heute Elemente aus ganz unterschiedlichen historischen und geografischen Bereichen verbunden, wobei für die Auswahl die eigene Neigung und die persönlichen Bedürfnisse eine große Rolle spielen (vgl. Pahnke 2000, 225).

      Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die aufgezeigten Gruppen sich im Grunde in zwei Strömungen formieren. „Auf der einen Seite gibt es spirituell und rituell arbeitende Frauengruppen, die trotz aller Defiziterfahrungen an christlich-kirchlicher Tradition festhalten wollen. Sie definieren sich über ein alternatives ekklesiologisches Konzept, sind in der Anfangsphase stark von kirchenreformerischen und befreiungstheologischen Impulsen geprägt und verstehen sich als Women-Church, als Erneuerungsbewegung in der Kirche. Hier liegt die Wurzel der Frauen-Liturgie-Bewegung im engeren Sinn. Frauen, die sich Women-Spirit anschließen, haben dagegen Kirche als einer unreformierbar androzentrischen Institution den Rücken zugekehrt. […] Die Beziehung zur Natur, zum eigenen Körper, zum Symbol ‚Göttin‘ als Ausdruck selbstbestimmter Spiritualität treten an die Stelle ekklesiologischer Verortung. Diese Gruppen können als Teil einer postchristlichen Frauen-Ritual-Bewegung bezeichnet werden. Allerdings sind die Berührungspunkte zwischen beiden vielfältig, die Grenzen fließend. So spielt etwa der Körper in beiden Ausrichtungen von Spiritualität eine zentrale Rolle“ (Enzner-Probst 2008, 87 f.).

      Für die Frauenliturgiebewegung in Deutschland ist zu sagen, dass wichtige Impulse vom bereits erwähnten Weltgebetstag ausgingen. Ein weiterer Impuls war sicherlich auch das II. Vatikanum. Auf einmal war auch die aktive Beteiligung von Frauen in der Liturgie möglich. Jedoch zeigte sich schon bald, dass die in das Konzil gesetzten Hoffnungen sich nicht erfüllten. „Die Frauenliturgiebewegung speist sich deshalb zu einem großen Teil aus der Enttäuschung über nicht realisierte Versprechen, Visionen und Hoffnungen. Im Bewusstsein, selbst Kirche zu sein, begannen Frauen mit eigener liturgischer Praxis, ohne um die kirchliche Erlaubnis zu fragen“ (Enzner-Probst 2008, 113).

      In Bezug auf die Frauenliturgiebewegung in Deutschland ist, im Unterschied zu der in СКАЧАТЬ