Название: Wiener Hochzeitsmord
Автор: Michael Ritter
Издательство: Автор
Жанр: Исторические детективы
isbn: 9783839270127
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Recht schnell nach Dr. Fried folgte Anton Novak. Immer noch wirkte er wie verloren, zum Glück hatte Dr. Fried Namenstäfelchen bei jedem Sitzplatz aufstellen lassen und seinen Assistenten neben sich selbst platziert. Nun standen die beiden mitten im Lokal, auf dem Weg zwischen Eingang und Zugang zum Hof – und den Kellnern im Weg. Stets wurden sie durch ein hastiges »’tschuldigung« oder ein etwas angriffigeres »Achtung!« zur Seite geschoben und waren auch dort ein ärgerliches Hindernis für das Personal.
Das nächste Grüppchen, das laut schnatternd in das Lokal flatterte, waren Amalia und ihre beiden Brautjungfern. Man könnte meinen, das große Ereignis stünde noch bevor, so aufgeregt und hochgeputscht wirkten die drei.
»Dort hinein«, dirigierte sie Dr. Fried. »Also hinaus natürlich …«
Die drei jungen Frauen schienen ihn gar nicht zu bemerken und zogen unbeirrt an ihm vorüber durch die halb offen stehende Tür in den Hof. Den Brautstrauß hielt Amalia fest in beiden Händen, während zur Linken und zur Rechten sich Julia und Veronika eingehakt hatten. Julia trug mit Bedacht die Schachtel, in der sich Amalias Kerze befand.
»Ich geh’ auch schon mal raus«, sagte der Novak und folgte den Frauen.
Durch die Scheibe der Hoftür sah Dr. Fried, wie Amalia ihrem »Onkel Novi« erneut um den Hals fiel. Der hielt den Filzzylinder von sich, damit ihm ja kein Leid geschehe, und als die Braut von ihm abließ, zog er ein schmales Kuvert aus seinem Sakko und überreichte es ihr mit feierlicher Miene. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen, dachte sich Dr. Fried, der genau wusste, wie bescheiden der Lohn seines Mitarbeiters war, der niemals die Chance hätte, in die Gehaltsklassen akademischer Beamter aufzusteigen. Die Welt war manchmal ungerecht.
Erneut schwappte ihm ein genuscheltes »’tschuldigung« entgegen und Dr. Fried trat schon wieder zur Seite, um dem heranrasenden Kellner auszuweichen. Dabei geriet er gefährlich nah an den Tisch eines älteren Paares, das sich schweigend gegenübersaß und tief in die Augen blickte. Verliebtheit in reiferen Tagen, überlegte Dr. Fried amüsiert und gönnte es den beiden. An einem Tag wie diesem!
»Hierher!«, rief Dr. Fried, als er Frau Ritter von Becker und Lucia eintreten sah. Die Hochzeitsgesellschaft schien sich tatsächlich in Kleinstgruppen im Lokal einzufinden.
Wenn das so weiter ging, würde es wenigstens eine halbe Stunde dauern, bis alle beisammen waren. Und das für einen Weg, der bei normalem Schritttempo ein bis eineinhalb Minuten in Anspruch nehmen sollte.
Der ältere Mann an dem Tisch, dem Dr. Fried so bedrohlich nah gekommen war, hatte einen Teller Suppe vor sich stehen. Als aufmerksamer Beobachter bemerkte Dr. Fried, dass der Inhalt des Tellers nicht dampfte. Der Mann musste seine Suppe kalt werden gelassen haben über sein ununterbrochenes fasziniertes Starren auf die Frau ihm gegenüber.
Eigentlich hatte sich Dr. Fried vorgestellt, dass alle schnell eintreffen würden und er den Mittagstisch mit einer kurzen Rede eröffnen könnte. Einer Rede über die Zukunft der beiden jungen Eheleute – indirekt über seine eigene Zukunft, die nun eine andere Richtung nahm. Stattdessen spazierte Georg gelassen mit Wilhelm auf ihn zu. Wilhelm wirkte wieder wie ein normaler Jugendlicher, abgesehen von dem an ihm deplatziert wirkenden Festanzug.
»Macht es euch draußen schon mal gemütlich«, schickte Dr. Fried sie gleich weiter. »Wenn alle da sind, werde ich kurz das Kommando übernehmen.«
Georg lächelte vielsagend, als wollten seine Lippen den Satz »Du hast doch sowieso alles unter deinem Kommando« zurückhalten. Er legte seine Hand auf Wilhelms Rücken und schob ihn zwischen Dr. Fried und einem böse dreinblickenden Kellner vorbei.
»Enge Stube«, murmelte Georg und ging mit ausgestreckten Armen auf die Braut zu.
Dr. Fried dachte sich nichts bei Georgs Verhalten. Es war die Mühe nicht wert. Gerade trippelte alleine und verlassen Max Beckers Schwester herein. Sie wirkte hilflos und ohne Orientierung, also nahm Dr. Fried sich ihrer an und führte sie in den Hof hinaus. Er musste ja nicht den Haushofmeister spielen und alle empfangen, die anderen würden den Weg zur Festgesellschaft schon finden.
Platz genommen hatte bislang niemand. Der Novak stand aber bereits hinter seinem Stuhl, die Hände auf die Lehne gelegt, als wollte er jederzeit bereit sein, sich hinzusetzen. Dr. Fried beschloss, die Gäste noch ein paar Minuten miteinander plaudern zu lassen und den Kellner zu ersuchen, den gekühlten Champagner zu servieren. Sollten alle zuerst einmal locker anstoßen, und wenn die restlichen Gäste und vor allem der Bräutigam dann eingetroffen waren, würde er alle auf ihre Plätze bitten und den jungen Eheleuten seine speziellen Worte auf den weiteren Lebensweg mitgeben.
Der Innenhof der Bierklinik war so klein, dass sich gerade eine größere Tafel ausging. Sie hatten also quasi ein »Chambre séparée«, überspannt von der dichten Blattkrone eines Kastanienbaumes, der das einzige Grün in dem Hof war. Der Boden war mit Kieselsteinen bedeckt, bei jedem Schritt, den man tat, knirschte es unter den Füßen.
Der Kellner stellte ein Tischchen mit dem Sektkübel bereit, der fast randvoll mit Eis gefüllt war. Darin steckte die Champagnerflasche. Jeder würde ein Glas erhalten, zum Anstoßen und um das Brautpaar hochleben zu lassen. Danach herrschte freie Getränkewahl.
Der Novak sah dem Kellner skeptisch zu. Er freute sich eher auf das, was danach kommen würde: ein ordentliches großes Glas Bier, die weiße Schaumkrone, das von der Kühle des Gerstensaftes außen beschlagene Glas. Sein Zeigefinger bohrte sich in den Kragen, um ihn ein wenig zu lockern.
Noch immer keine Spur von den anderen, vor allem von Max nicht. Dr. Fried wies den Kellner an, langsam einzuschenken und die Gläser ohne Eile an die Gäste zu verteilen. Er bemühte sich, die Zeit so weit auszudehnen, um dann, wenn die Gesellschaft vollständig war, auf den Punkt genau allen ihre Gläser angeboten zu haben.
Da kamen sie endlich: Lucia, Frau Dr. Albert Fried und Albert selbst traten fröhlich in den Hof hinaus und nahmen überrascht zur Kenntnis, dass bereits der Champagner ausgegeben wurde.
»Holla, lieber Bruder!«, rief Dr. Albert Fried aus. »Hast du es so eilig, deine Gäste abzuspeisen und wieder nach Hause zu schicken?« Er lachte als Einziger laut auf und strich sich mit beiden Händen über den Backenbart.
»Es fehlt noch der Bräutigam«, knurrte Dr. Otto Fried, langsam etwas verärgert. »Hast du ihn gesehen?«
Dr. Albert Fried schüttelte den Kopf. »Er wird sich schon nicht verlaufen haben«, gab er sich immer noch humorig. »Oder sollte er sich ins falsche Lokal verirrt haben? Er kommt sicher gleich mit dem Priester nach.«
Dr. Otto Fried verdrehte die Augen. Zwar gab es in die andere Richtung, die Kurrentgasse hinunter dem Judenplatz zu, ein paar Lokale, aber Max Becker wusste genauso Bescheid wie alle anderen. Schließlich hatte Dr. Fried nichts dem Zufall überlassen, auch nicht die genauen Informationen auf den Einladungen, die er fast jedem persönlich überbracht hatte.
Es war nun sicher annähernd eine halbe Stunde vergangen, seitdem die Hochzeit zu Ende war und alle aufgebrochen waren. Eigentlich hätte Max gemeinsam mit seiner Braut kommen sollen, dachte sich Dr. Fried. Nein, mit seiner Frau, die Amalia nunmehr war. Frau Dr. Amalia Wilhelmina Becker.
»Ich bin untröstlich!«, hörte Dr. Fried plötzlich Max Beckers jugendliche Stimme. »Es ist mir äußerst unangenehm!«
Er stürzte überhastet in den Hof und wurde von allen mit »Ah«- und »Oh«-Rufen empfangen. Sein Gesicht glänzte wächsern СКАЧАТЬ