Название: Wiener Hochzeitsmord
Автор: Michael Ritter
Издательство: Автор
Жанр: Исторические детективы
isbn: 9783839270127
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Das Instrument stand ganz hinten in dem Raum, unter dem von außen mit einem Schmiedeeisengitter geschützten Fenster, das auf die Kurrentgasse hinauswies. Er hatte dafür auf die letzten beiden Stuhlreihen verzichtet, aber angesichts der überschaubaren Festgemeinschaft war das kein Problem. Es gab ausreichend Sitzplätze für alle.
»Nun?«, fragte Pater Anzelm. Er stand mit gefalteten Händen neben Dr. Fried und dünstete geradezu eine unerträgliche Selbstzufriedenheit aus. Als ob das alles hier sein Verdienst wäre.
Dr. Fried nickte. Sollte der Priester sich doch in seinem Wohlgefühl baden. Im Grunde war er die unwichtigste Person von allen, wenngleich er sie nicht völlig ausschließen konnte. Auch zur Festtafel direkt nach der Trauung würde er ihn einladen. Er musste ihn ja nicht gerade neben sich platzieren. Vielleicht neben Amalias Tante, der Schwester seiner verstorbenen Frau? Sie führte gerne Gespräche mit Geistlichen.
»Es ist genau so, wie es sein soll«, stellte Dr. Fried fest.
»Das war nicht anders zu erwarten«, bestätigte Pater Anzelm. »Ich habe auf alles höchstpersönlich geachtet. Als der Blumenschmuck geliefert wurde … Ach, übrigens: Dürften wir diesen nach der Zeremonie in der Kapelle behalten? Sozusagen als Spende. Er würde unseren geweihten Ort noch wenigstens eine Woche lang schmücken.«
Der Priester grinste Dr. Fried an, der, ohne eine Miene zu verziehen, nickte. Was sollte er mit dem vielen Blumenzeug auch zu Hause anfangen?
»Wie gesagt, ich habe alles überwacht. Der Bursche vom Floristen hat den Schmuck pünktlich gebracht heute Früh und ich habe ihn genauestens angewiesen, wie die Blumenpracht zu arrangieren ist.«
Wenn man ihm länger zuhörte, bemerkte man, dass Deutsch nicht seine Muttersprache war. Er sprach perfekt, kein Zweifel, aber Vokale, die lange ausgesprochen gehörten, gerieten bei ihm regelmäßig etwas zu kurz.
Wiederum nickte Dr. Fried. »Gute Arbeit, wirklich«, stellte er fest und meinte nicht Pater Anzelms Überwachungstätigkeit.
»Bald darauf kam die junge Dame von der Druckerei, die Sie beauftragt haben. Ich bin die ganze Zeit hier gestanden«, Pater Anzelm deutete auf den Türrahmen hinter ihnen, »während die junge Dame gewissenhaft jede Karte einzeln aufgelegt hat. Ich war so frei, mir eine zu nehmen. Als Erinnerung sozusagen.« Wieder grinste er. »Und ich war ebenfalls so frei, dem Burschen und der jungen Dame jeweils ein angemessenes Trinkgeld zu geben …« Seine Augenbrauen schossen in die Höhe, die plötzlich groß gewordenen Augen waren starr auf Dr. Fried gerichtet.
Der verstand, was dies zu bedeuten hatte, und erinnerte sich an das Kuvert, das er in der Innentasche seiner Jacke verwahrte. Bei dieser Summe sollte sich das Trinkgeld locker ausgehen, dachte er sich, ließ sich aber nichts anmerken. Wichtig war einzig und allein, dass das Fest morgen gelang.
»Dann wollen wir vielleicht …« Pater Anzelm zögerte.
Dr. Fried ließ noch einmal den Blick wandern. Das Altarbild war eine der vielen kleinen Besonderheiten der Kapelle. Es war auf Goldgrund gemalt und stellte die Kommunion des heiligen Stanislaus aus der Hand eines Engels dar. Auf diesem als Wunder deklarierten Ereignis basierte seine spätere Heiligsprechung. Und hier, in diesen Räumen, in Dr. Frieds Heimatstadt Wien, hatte sich dieses Wunder ereignet. Wenn man denn daran glaubte.
Dr. Fried jedoch war ein nüchterner Mann. Insofern beeindruckte ihn der Raum nur als Ort der Erinnerung an seine eigene Hochzeit, seine jungen Jahre. Auch der an Girlanden erinnernde Stuck an der Decke war sicherlich beachtenswert, Dr. Fried aber nahm ihn schlicht und ergreifend als gegeben hin.
Der Stuck umrahmte zwei Deckenmedaillons, die Szenen aus dem Leben des Heiligen darboten. Das eine zeigte die aufregende Flucht Stanisław Kostkas aus Wien vor den Jesuiten, die ihn aus Angst vor seiner Familie nicht in ihren Orden aufnehmen wollten. Das andere stellte seine Aufnahme in den Jesuitenorden in Rom durch den damaligen General Francisco de Borja dar.
Als Dr. Fried sich gerade zum Gehen umwandte, fiel sein Blick erneut auf den Altar. Unscheinbar standen dort zwei hölzerne Statuen. Ein Petrus, einige Jahrhunderte alt, etwa sechzig Zentimeter hoch und braun. Von seinem Heiligenschein waren ein paar Strahlen abgebrochen. Daneben war eine aus Holz geschnitzte Darstellung der Taufe Christi durch Johannes aufgestellt. Dr. Fried näherte sich dem Petrus, der fein gearbeitet war und doch ausgesprochen massiv wirkte, und besah ihn sich genauer.
»Eindrucksvoll«, murmelte er so leise, dass Pater Anzelm ihn wohl nicht hörte.
»Dann wollen wir vielleicht in mein Büro gehen?«, setzte der Geistliche erneut an, bekreuzigte sich bei einem angedeuteten Kniefall vor dem Altar und ging voraus. Dr. Fried machte ebenfalls das Kreuzzeichen, eher aus alter Gewohnheit als aus religiöser Überzeugung, und folgte dem Mann in der schwarzen Soutane.
»Ja, der Petrus«, schwadronierte Pater Anzelm, während sie über den Gang schritten. Er hatte Dr. Frieds Interesse voller Genugtuung zur Kenntnis genommen. »Die Statue ist mehrere hundert Jahre alt. Dafür ist ihr Zustand ausgezeichnet«, beurteilte Pater Anzelm, wohl unter Anspielung auf den lädierten Heiligenschein.
»Ein kostbares Stück«, überlegte Dr. Fried. »Und Sie lassen den Petrus einfach so offen und ungeschützt auf dem Altar stehen?«
Pater Anzelm lächelte milde. »Ja, wahrhaft kostbar. Der Wert der Statue ist pekuniär nicht zu bemessen. Sie ist wahrlich unersetzlich. Aber in unserer Stanislauskapelle ist noch nie etwas passiert. Die Menschen sind ehrlicher, als Sie denken, Herr Regierungsrat. Doch bei Ihrem Beruf kann ich Ihre Bedenken verstehen.«
Pater Anzelm zog die braune Tür am Gangende auf und ließ Dr. Fried den Vortritt, bevor er wieder die Führung übernahm. Der kurze Gang dahinter führte in drei weitere Räume, von denen Dr. Fried einen bereits kannte. Genau diesen betraten sie.
Ein kleiner massiver Schreibtisch dominierte das Zimmerchen, dessen minimales Fenster auf die Straße wies. Es spendete ausreichendes Tageslicht, um den günstig aufgestellten Schreibtisch auszuleuchten.
Der Stuhl des Priesters war ein schwarz lackierter Drehholzstuhl. An der Seite des Tisches stand ein vierbeiniger Stuhl mit einer hellen Rattansitzfläche. Man saß nicht sonderlich bequem darauf, wie Dr. Fried bereits wusste, doch er nahm auch diesmal darauf Platz, nachdem er den Staubmantel über die Lehne geworfen hatte. Den Hut legte er sich auf den Schoß und schob die rechte Hand in das Innere seiner Jacke.
Pater Anzelm sah ihm aufmerksam dabei zu. Wäre Dr. Fried Maler gewesen und hätte den Auftrag erhalten, eine Allegorie der Geldgier zu malen, er hätte die Augen und Stirnpartie dieses Mannes gewählt.
Dr. Fried zog ein weißes Kuvert hervor. Es war verschlossen und bedruckt mit dem Schriftzug »Institut der k. u. k. Polizeiagenten in Wien«. Er hatte den Umschlag aus dem Büro mitgenommen. Langsam reichte er ihm dem Priester hinüber, der nur mehr an der äußersten Kante seines Stuhles saß und fast herunterzukippen drohte.
»Haben Sie besten Dank, besten Dank, Herr Regierungsrat!« Pater Anzelm drehte das Kuvert kurz in den Händen, tastete es mit Zeige-, Mittelfinger und Daumen ab und legte es dann ungeöffnet auf seinen Schreibtisch.
»Wollen Sie nicht nachzählen?«, fragte Dr. Fried und musste sich eingestehen, dass er dem Geistlichen brennendes Interesse daran unterstellte, das Kuvert wild aufzureißen und die Geldscheine herauszuziehen.
»Aber СКАЧАТЬ