Название: Unsterblich?!
Автор: Werner Huemer
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783831257591
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Ihr Gehirn gilt als tot, ihre Person als erloschen, der „Restkörper“ (in Fachkreisen auch als „Herz-Lungen-Paket“ bezeichnet) jedoch als lebend. Bis er im Zuge der Explantation auf ziemlich brutale Art getötet wird.
Zwar spricht der „Transplantationskodex der Arbeitsgemeinschaft Organtransplantation“ von der Würde des Verstorbenen während der Organentnahme und von einer achtungsvollen Behandlung des Leichnams. Aber wie sieht diese in der Praxis aus? „Versuchen Sie sich diesen ‚menschenwürdigen’ Akt einmal vorzustellen“, rät Dipl.-Psych. Roberto Rotondo im Buch „Sterben auf Bestellung – Fakten zur Organentnahme“. „Immerhin können bei einer Multiorganentnahme Hornhäute, Innenohren, Kieferknochen, Herz, Lungen, Leber, Nieren, Bauchspeicheldrüse, Magen, Knochen, Bänder und Knorpel, Haut, Adern und Knochenmark entnommen werden.“
Roberto Rotondo zitiert in der Folge auch die Aussagen von Pflegekräften, die den routinemäßigen Ablauf von Organtransplantationen schildern und sich dabei über viele Details – wie zum Beispiel die großen Flüssigkeitsmengen – auslassen, die bei einem solchen Eingriff anfallen. Und er kommentiert: „Diese Pflegekräfte kennen sehr blutige Operationen aus anderen Zusammenhängen und können in diesem Arbeitsbereich mit Blut umgehen. Wenn dann im Zusammenhang mit einer Organentnahme der Begriff ‚Schlachtfeld‘ verwendet wird, dann stellt zumindest diese Pflegekraft selbst den Bezug zum Schlachten her.“
In dem Buch „Sterben auf Bestellung“ kommt auch eine ehemalige Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin an der Uni Düsseldorf, Liliana Sitar, zu Wort. Sie berichtet, dass Hirntote auf ihrer Station genauso betreut wurden, wie andere Hirnverletzte auch. Sie wurden durch Infusionen ernährt, die Blutwerte wurden kontrolliert, ebenso der Blasenkatheder für die Urinausscheidung, der Schweiß wurde ihnen abgewischt und Medikamente für die Muskelentspannung wurden verabreicht, damit sich die für tot Erklärten, wenn sie auf dem Weg zum OP-Saal an den Verwandten vorbeigefahren wurden, nicht bewegten.
Liliana Sitar berichtet über eine solche „letzte Fahrt“: „Alles, was ich an dem Patienten sah, war sein lebendiger Körper. Der war warm. Der atmete. Der schwitzte. Das tote Gehirn sah ich nicht. Ich hab’ weiter mit dem hirntoten Patienten geredet. Hab’ ihm genau erklärt, was ich gerade an ihm mache. Dass er zur Organentnahme in den Operationssaal gefahren wird, das hab’ ich allerdings nicht über die Lippen gebracht.“
Als Liliana Sitar zum Schluss kam, sie könne es nicht länger verantworten, Menschen in ihrem Sterben zu stören, wechselte sie den Arbeitsplatz.
Die Transplantations-Praxis fordert das Pflegepersonal ganz besonders. Denn während die Chirurgen sich im wesentlichen auf ihre Arbeit an den Organen konzentrieren, erleben Pflegerinnen und Pfleger den Menschen, den sie betreuen – bis zu seinem Ende im OP-Saal. Wo die Hirntoten übrigens ruhig gestellt oder narkotisiert werden, weil es sonst während des Eingriffs zu unberechenbaren Bewegungsreaktionen kommen könnte. Denn sobald der Chirurg das Messer ansetzt, reagiert der Tote.
Einer der Kritiker, die sich seit vielen Jahren für mehr Transparenz im Bereich der Organtransplantation einsetzen, ist der Düsseldorfer Wissenschaftsjournalist Richard Fuchs, der das „Dokumentationszentrum Organtransplantation“ gründete. In einem Beitrag mit dem Titel „Hirntod made in USA“ beschreibt er den Hirntod als „Geschäftsgrundlage der Transplantationsmedizin“. Diese sei medizinisch eine Sackgasse und sorge durch die extrem hohen Kosten dafür, dass die Finanzierung unseres Gesundheitssystem längerfristig auf dem Spiel stehe.
Auch in der Ärzteschaft gibt es Kritiker. So formulierte beispielsweise der Duisburger Mediziner und Psychiater Prof. Dr. Dr. Klaus Dörner anlässlich einer Anhörung des Gesundheitsund Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags bereits im Juni 1995: „Erstaunlich an der jetzigen Situation ist eigentlich nur, dass wir alle – einschließlich der Bundesärztekammer, der Kirchen und der Ethikkommissionen – 25 Jahre brauchten, um zu erkennen, dass wir uns hinsichtlich der Hirntod-Definition auf einem Irrweg befunden haben, ein Irrweg, der eigentlich mit logischem gesunden Menschenverstand leicht zu erkennen war, weshalb auch jetzt diejenigen Vertreter des Souveräns, die ‚näher dran sind‘, signalisieren, dass sie nicht mehr bereit sind, diesen Irrweg weiterzuge hen.“ Und außerdem sagte Dörner bei dieser Gelegenheit klipp und klar: „Der Hirntod ist nicht der Tod des Menschen. Dies ist – so peinlich das klingt – auf jeder logischen Ebene zu begründen.“
In ihrem Buch „Ungeteilt sterben – kritische Stimmen zur Transplantationsmedizin“ ließ Dr. Gisela Lermann als Herausgeberin Fachleute und Betroffene zu Wort kommen, etwa den Neurochirurgen Dr. Andreas Zieger. Er sagt: „Transplantationsmedizin ist der ästhetisch und moralisch am meisten verkommene Teil der modernen Chirurgie und Medizin.“
Eine solche Bemerkung ist natürlich hochgradig brisant. Denn unter dem Aspekt der Nächstenliebe wird die Transplantationsmedizin bis heute als über alle Zweifel erhaben hilfreich und gut dargestellt.
In einem Gespräch berichtete mir Dr. Lermann denn auch wenig überraschend, dass es Stimmen gibt, „die die Autoren vehement angreifen. Das stimmt um so nachdenklicher, als manchmal überhaupt nicht auf deren Sachargumente eingegangen, sondern den Leuten einfach die Kompetenz abgesprochen wird, etwas zum Thema sagen zu können.“
Das wahrscheinlich beste wissenschaftliche Buch zum Thema – heute eine kostbare Rarität – verfassten zur Jahrtausendwende Anna Bergmann und Ulrike Baureithel. „Herzloser Tod – Das Dilemma der Organspende“ wurde als „Wissenschaftsbuch des Jahres 2000“ ausgezeichnet.
Dem Autorinnen-Duo gelang auf der Grundlage von Interviews mit Betroffenen, Angehören, Ärzten und Pflegern ein ziemlich erschütternder Blick hinter die Kulissen der Transplantationspraxis. Anna Bergmanns beruflicher Karriere war die Publikation nicht förderlich – um es vorsichtig auszudrücken. In der Sache engagiert ist sie trotzdem noch heute.
Ich traf die Kulturwissenschaftlerin an der Universität Innsbruck zu dem folgenden Gespräch.
Neues Leben oder neues Sterben?
Sie befassen sich seit etwa 15 Jahren mit den Graubereichen der Transplantationsmedizin und haben darüber wissenschaftliche Publikationen verfasst. Was sind Ihre Hauptkritikpunkte?
Bergmann:
Die Organtransplantation beruht auf einer Überschreitung von biologischen, ethischen und anthropologischen Grenzen. Zum einen muss die angeborene Immunabwehr bei den Organempfängern lebenslang chemisch unterdrückt werden, damit sie nicht mehr in der Lage sind, das Organ abzustoßen. Das hat zur Konsequenz, dass diese Therapie mit lebensgefährlichen Folgewirkungen verbunden ist. Zum anderen beruht die Transplantationsmedizin auf der Abhängigkeit von dem Körper und Tod ihrer eigenen Patienten, so dass sie Sitten unserer Sterbe- und Bestattungskultur verwerfen muss. Dann hat sie immer wieder neu das Problem der Organbeschaffung und das Auseinanderklaffen, wie es heißt, von „Angebot“ und „Nachfrage“ zu lösen. Und schließlich ist diese Therapieform auf noch lebende Patienten angewiesen, denn Organe aus dem Körper von Leichen hätten bei Organempfängern eine tödliche Wirkung. Deshalb wurde in den 1960er Jahren der Hirntod – das Konstrukt einer „lebenden Leiche“, die als „tote Person“ mit einem „noch lebenden Restkörper“ definiert ist – als Voraussetzung der Organgewinnung eingeführt.
Sprechen Sie die Definition der Harvard-University an, die 1968 definiert hat: Wenn es keine Gehirnfunktionen mehr gibt, gilt der Mensch als tot?
Bergmann:
Die Harvard-Richtlinien wurden als Reaktion auf die СКАЧАТЬ