Unsterblich?!. Werner Huemer
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Название: Unsterblich?!

Автор: Werner Huemer

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783831257591

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СКАЧАТЬ unserem westlichen Kulturkreis aber vor allem durch die Kirchen bewusst genährt und gefördert. Die Angst diente als wirkungsvolles Druckmittel, die Menschen nicht nur zum Glauben, sondern vor allem in die Kirchen zu bewegen. Fegefeuer, Hölle, Schmerzen, Qualen … diese bewusst in den Vordergrund gestellten Vorstellungen haben die Angst der Menschen vor dem Tod geschürt.“

      Die Angst vor dem Tod hatte nach Siegfried Bauer auch mit der Frage zu tun, wie sicher sich dieser feststellen lässt: „Die heutige moderne Apparatemedizin ist in der Lage, den Tod sehr zuverlässig zu bestimmen. Das war aber nicht immer so und führte zum Beispiel dazu, dass Menschen lebendig begraben wurden. Indizien fanden sich bei exhumierten Leichen: Die Beerdigten und zu früh für tot Erklärten hatten sich im Sarg noch einmal umgedreht oder Kratzspuren am Sargdeckel hinterlassen. Diese gruseligen Berichte vergrößerten verständlicherweise auch die Angst vor dem Tod.

      Ärzte und Forscher nahmen sich daher des Themas an, denn wenn es schon keine Geräte gab, den Tod immer mit Sicherheit festzustellen, so wollte man wenigstens Möglichkeiten und Vorrichtungen entwickeln, die ein Lebendig-begraben-Sein verhindern. Es gab zum Beispiel die Konstruktion eines russischen Arztes, der eine Röhre mit einer langen Schnur durch die Erde in den Sarg führte, wobei am oberen Ende der Schnur ein Fähnchen angebracht war. Die Schnur wurde am unteren Ende um den Finger des Beerdigten gewickelt, und wenn dieser sich doch noch einmal bewegte, schwenkte das Fähnchen und man sah: Hier liegt jemand lebendig begraben! Ähnliche Konstruktionen befanden sich in einigen Leichenhallen in München, in denen für tot Erklärte einige Tage aufgebahrt und ihre Finger mit einem komplizierten Zugleinensystem verbunden wurden. Wenn sich doch noch jemand bewegte, läutete über dieses System ein Glöckchen bei einem Wächter.“

      Sicher zu dessen Freude.

      In unserer heutigen Gesellschaft ist die Sorge vor dem Lebendig-begraben-Werden weit in den Hintergrund getreten. Doch die Frage, wann der Mensch wirklich tot ist, scheint auch im 21. Jahrhundert noch nicht endgültig geklärt.

       Die hirntote Leiche darf sich bewegen

      Diese Behauptung dürfte vorerst unglaubwürdig erscheinen. Denn schließlich kennen wir ja die klassischen Todesmerkmale – Stillstand der Atmung und Stillstand des Herzens. Darüber hinaus können heute auch die Gehirnströme gemessen werden. Wenn in der Elektroenzephalographie keine Aktivität mehr festzustellen ist, dann wird wohl auch kein Bewusstsein mehr vorhanden sein; der Mensch ist tot. Was also sollte in dieser Angelegenheit unklar sein?

      Zunächst ist festzustellen, dass die früheren Todeszeichen, die über Jahrtausende Gültigkeit hatten, durch die Weiterentwicklung der medizinischen Technik keine unumschränkte Aussagekraft mehr besitzen. Denn es gibt ja Möglichkeiten, Herzschlag und Atmung wieder in Gang zu bringen, den Menschen also während eines bestimmten Zeitraums erfolgreich zu reanimieren. Vor allem aber ist es üblich geworden, bestimmte Patienten über Wochen oder Monate „künstlich am Leben zu erhalten“, wie es so schön heißt.

      Im Jahr 1958 beschrieben französische Neurologen erstmals das Krankheitsbild „Hirnversagen bei sonst lebendigem Leib“ und nannten es „coma dépassé“. Der Körper kann demnach „leben“, während das Gehirn „tot“ ist. Aber was bedeutet das für den gesamten Menschen? Lebt er nun oder ist er tot? Ist er nur sein Gehirn oder umfasst die menschliche Persönlichkeit mehr als nur das?

      In der Medizin hat man sich zehn Jahre später, 1968, auf die Definition des sogenannten Hirntodes geeinigt. Demnach gilt der Mensch als tot, sobald keine Gehirnfunktionen mehr nachweisbar sind. Dieses „Kriterium“ erschien plausibel, weil die Praxis gezeigt hatte, dass in einem Gehirn, das nicht mit Blut und Sauerstoff versorgt wird, innerhalb kurzer Zeit endgültig und unwiderbringlich jene Funktionen erlöschen, die ein Mensch körperlich zum Leben braucht und die seine geistige Persönlichkeit erkennen lassen.

      Anders ausgedrückt: Vor rund 50 Jahren wurde der „Homo cerebralis“ geboren. In seiner neuen Vorstellung von sich selbst definiert der Mensch sich seither einfach als Ergebnis elektrischer Gehirnströme. Menschsein ist Gehirnsein.

      Seit Einführung des „Hirntodkriteriums“ können daher auch Menschen als tot gelten, deren „Lebens“-Funktionen durch Maschinen aufrecht erhalten werden und die man in entsprechenden Kliniken nicht als Leichen, sondern als Patienten behandelt: Hirntote werden ernährt und gewaschen, erfahren Haut-, Haar- und Zahnpflege, und es wird ihnen auch zugestanden, sich zu rühren. Wenn sie im Krankenbett gelegentlich Hand- oder Beinbewegungen vollführen oder sogar Anstalten machen, eine Pflegekraft zu umarmen, dann gilt das als reflexbedingt.

      Der „Lazarus-Effekt“ ist bekannt. Hirntote „Leichen“ dürfen sich bewegen.

      Nicht zufällig allerdings gilt das Todesmerkmal „hirntot“ just seit jener Zeit, als sich die Transplantationsmedizin zu etablieren begann.

      Am 3. Dezember des 1967 hatte ein südafrikanisches Transplantationsteam unter der Leitung von Dr. Christiaan Barnard (1922–2001) in Kapstadt die weltweit erste Herztransplantation durchgeführt. Sie machte den südafrikanischen Arzt zur Legende (2004 wurde Barnard hinter Nelson Mandela zum zweitbedeutendsten Südafrikaner aller Zeiten gewählt) und seinen mutigen Patienten Louis Washkansky immerhin um 18 Tage älter. Knapp drei Wochen nach dem Eingriff starb er.

      Und doch stieß diese Transplantation in der Medizin eine Türe auf, durch die bald Dutzende, Hunderte, Tausende Chirurgen auf der ganzen Welt drängten.

      Zunächst führte deren Weg in eine rechtliche Grauzone. Denn medizinisch war klar: Das Herz (oder ein anderes Organ) einer klassischen Leiche ist für eine Transplantation unbrauchbar.

      Ein Körper, der in Ruhe „sein Leben aushaucht“ und dem dann vielleicht noch ein paar Tage Totenruhe gestattet sind, ist als Spender nicht geeignet. Nur mit „frischen“ Organen aus Körpern, die bis zur Entnahme noch durchblutet sind, hat eine Transplantation Aussicht auf Erfolg. Weiterhin war klar, dass jeder Patient, der maschinell am Leben gehalten wurde, im Zuge der Explantation stirbt. Demnach hätte man allen Transplantationschirurgen, rechtlich betrachtet, Tötungen vorwerfen können – nicht aber, wenn die potentiellen Organspender schon vor dem Eingriff als Leichen gelten.

      Die Hirntod-Definition gewährleistet das. Sie geht zurück auf eine Kommission aus Ärzten, Juristen und Ethikern, die 1968 in Harvard zusammentrat und ein nicht mehr umkehrbares Koma als „Tod des Menschen“ definierte. Damit wurde in den USA der Todeszeitpunkt zugunsten der Transplantationsmedizin vorverlegt. Europa zog rasch nach. Man einigte sich – ohne spezielle Studien durchgeführt zu haben – am runden Tisch auf eine moderne Todesdefinition zugunsten der Organempfänger.

      Allerdings gehen die Meinungen darüber, ob der Hirntod wirklich zuverlässig mit dem Tod des Menschen gleichzusetzen ist, bis heute auseinander. Dem medizinischen Mainstream, der praktisch ohne Wenn und Aber für Organspenden wirbt, stehen Kritiker gegenüber, die unermüdlich auf Grauzonen hinweisen:

      • Das Hirntod-Kriterium sei keine medizinische Gewissheit, sondern eine willkürlich festgelegte Grenzlinie, eine Art medizinische Verabredung.

      • Der Mensch könne nicht auf seine Gehirnfunktionen reduziert werden. Jener Zusammenbruch des Organismus, der als Tod bezeichnet wird, zeige sich nicht nur an einem Organ, sondern durch den Stillstand aller Wechselwirkungen im gesamten Körper.

      • Der Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen lasse sich nicht mit letzter Sicherheit diagnostizieren.

      • Es sei nicht endgültig erwiesen, dass hirntote Menschen keine Empfindungen haben. Forschungen an Koma-Patienten hätten gezeigt, dass diese Patienten auf äußere Ereignisse und soziale Stimuli (zum Beispiel auf Besuche von Verwandten) reagieren können.