Название: Unsterblich?!
Автор: Werner Huemer
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783831257591
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Mittlerweile gibt es in den USA bereits einen zweiten Kryonik-Anbieter, der mit der Hoffnung auf Auferstehung und der Chance auf ewiges Leben handelt. Die Preise steigen mit dem Aufwand. Bezahlt wird für das Haltbarmachen und Einfrieren, aber auch für ein Patientenkonto, das für den Unterhalt sowie für eine eventuelle Wiederbelebung eingerichtet wird.
Vielen Menschen gibt die Aussicht, in einer glücklichen Zukunft für ein ewiges Leben erwachen zu können – aber eben nicht in einem zweifelhaften Jenseits, sondern konkret hier auf der Erde –, Trost und Halt. Sie haben das gute Gefühl, aktiv etwas gegen den Tod zu unternehmen und wirken damit ihrer Angst vor dem Sterben entgegen. Dieses Gefühl ist ihnen viel Geld wert.
Andere, die in die Kryonik investieren, sind sterbenskrank und hoffen auf künftige Möglichkeiten, Krankheiten heilen zu können.
Alte Menschen erträumen sich einen jüngeren, gesunden Körper. Im Glauben, irgendwann könnten Ganzkörper-Transplantationen möglich sein, reicht es ihnen, wenn mit dem Kopf ihr Gehirn konserviert wird. –
Zweifellos werden solche Kryonik-Angebote nicht auf die USA beschränkt bleiben. Auch in Deutschland wurden bereits diesbezügliche Überlegungen bekannt. Allerdings gibt es hier auf Grund der rechtlichen Situation Beschränkungen. Eine Vitrifikation darf zwar durchgeführt werden, aber die dauerhafte Lagerung der Leichen – um solche handelt es sich nach Auffassung des Gesetzgebers – ist nicht erlaubt.
Den Begriff „Leiche“ hören Kryoniker im Zusammenhang mit dem Einfrieren natürlich nicht gern. Der Betroffene gilt als Patient – doch nicht als tot. Die „Alcor“-Organisation in Arizona beschreibt auf ihrer Homepage als Zweck ihrer Tätigkeit, mit Hilfe der „besten verfügbaren Technologie“ das Leben des Menschen „zu bewahren“. Nach dem klinischen Tod müsse dazu „so schnell wie möglich in den Sterbeprozess eingegriffen“ werden. „Alcor“ sieht also ihre Räumlichkeiten definitiv nicht als Leichenhallen und ihre Arbeit nicht als Bestattungstätigkeit. Auch wenn manche Kunden darauf bestehen, in den gleichen Tank wie ihre Angehörigen verbracht oder gemeinsam mit ihrem Haustier gelagert zu werden.
Jedenfalls verortet diese Betrachtungsweise das Leben des Menschen mit äußerster Konsequenz im Physischen und nirgendwo sonst. Michael wird sich kryonisieren lassen, nicht etwa seinen Körper. Er selbst wird in den Stickstoff-Tank gekippt. Da ist nichts, was er als Mensch besitzt. Er hat keinen Körper, er ist sein Körper, und nur in diesem kann Leben sein.
Früher glaubten die meisten Menschen an eine Seele, die das Leben bewahrt. Heute rankt der Glaube sich um Medizin und Technik.
Zu Recht?
In der seriösen Wissenschaft ist die Kryonik sehr umstritten – um es milde auszudrücken. Der Ansatz, meinen Kritiker, sei vergleichbar der Idee, aus einem Hamburger wieder eine Kuh zu machen. Das habe nichts mit „Science“ (Wissenschaft), sondern nur mit „Science-ficition“ zu tun. Alles in allem würden gutgläubige Menschen mit einer wertlosen Dienstleistung betrogen.
Die konkreten Argumente für diese vernichtende Einschätzung sind biologischer, technischer und philosophischer Art:
• Nach dem klinischen Tod verändert sich das Gehirn innerhalb weniger Minuten. Die dabei entstehenden Schäden sind irreversibel.
• Eine Kryo-Konservierung könnte nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn der lebende Mensch schockgefroren wird. Eine dafür geeignete Technologie gibt es (noch) nicht.
• Es gibt Einflüsse, zum Beispiel die natürliche Radioaktivität, die auch im gefrorenen Zustand das Erbgut nach und nach schädigen.
Die dauerhafte oder sich über Tausende Jahre erstreckende Konservierung eines Körpers ist deshalb nicht möglich.
• Nach der (fiktiven) Wiederbelebung des Menschen würden sein körperlicher Zustand, sein Alter und seine Lebenserwartung bestenfalls den Gegebenheiten vor dem Schockfrieren entsprechen. Es gibt grundsätzlich keine Möglichkeit, einen bereits erfolgten Alterungsprozess rückgängig zu machen.
• Es ist nicht zweifelsfrei belegt, dass Bewusstsein allein aus der Gehirntätigkeit resultiert.
Aber natürlich darf jeder Mensch träumen. Wenn Dr. Leonard McCoy, der gute alte „Pille“ (oder „Bones“), im Raumschiff Enterprise alle Krankheiten im Handumdrehen mit Hilfe eines seltsam piepsenden kleinen Plastikdings heilt oder menschliches Bewusstsein flugs per Datenstrom in eine Maschine übertragen wird – warum sollte das nicht irgendwann auch wirklich so funktionieren?
Die harten Trennlinien zwischen „Science“ und „Science fiction“ sind heute in der allgemeinen Wahrnehmung schon sehr verschwommen. Davon profitiert – nicht nur in der Kryonik – die Wild-West-Weltauffassung des 21. Jahrhunderts.
Es lebe Arizona!
Die Pille gegen das Altern
Haken wir die Kryonik (in der Biologie wird sie eigentlich „Kryo-Konservation“ genannt; eine Gefrier-Technik zum Aufbewahren lebender Zellen) als besonders auffälligen Ausbruch von Machbarkeitswahn ab. Zur Unsterblichkeit verhilft sie mit Sicherheit nicht.
Der inzwischen schon mehrere Jahrhunderte alte menschliche Traum, den Tod mit Hilfe von Medizin und Technik zu überwinden, treibt allerdings auch gefälligere Blüten. Denn dass jedes Lebewesen ein Sterbewesen sein muss, wollen viele Forscher nicht akzeptieren, und es sollte nicht verwundern, wenn die Pharmaindustrie schon demnächst das Altern als Krankheit definiert und mit Pillen gegen dieses Leiden Milliardengeschäfte macht.
Noch ist es freilich nicht soweit. Noch sind nicht einmal alle wichtigen Details bekannt, die den Alterungsprozess steuern.
Grundsätzlich ist das Altern ja – im Sinne der Entwicklung – nichts Schlechtes. Schließlich kommen wir als weitgehend unselbständige Lebewesen auf die Welt und müssen älter werden, um irgendwann erwachsen zu sein und uns fortpflanzen zu können. Bis zu genau diesem Punkt werden wir von der Natur auch ausgezeichnet unterstützt. Die physische Leistungsfähigkeit nimmt zu, und psychisch betrachtet fühlt der Jugendliche sich im Grunde so, als hätte er das ewige Leben für sich gepachtet. Als könne ihn nichts und niemand aus der Bahn werfen.
Nach diesem Aufblühen allerdings, sobald für die Arterhaltung gesorgt ist, scheint der einzelne Mensch der Natur, sofern man nur die körperlichen Aspekte in Betracht zieht, ziemlich gleichgültig zu sein. Das „alte Leben“ muss nicht mehr erhalten werden, wenn einmal die Baupläne für das „neue Leben“ weitergegeben worden sind. Der langsame Verfall beginnt. Und er endet ein paar Jahrzehnte später unausweichlich mit dem Tod.
Aber muss der Mensch sich diesem Schicksal fügen? Wenn die genetische Ausstattung unseres Körpers im Wesentlichen nur auf die Arterhaltung ausgerichtet ist – dann ist es wohl legitim und naheliegend, dass wir kraft unserer Intelligenz ganz gezielt jene Lebensspanne fördern und verlängern, die durch die Natur vernachlässigt wurde. Oder?
Mit solchen Gedanken im Hintergrund erforschen heute weltweit Biologen den Alterungsprozess. Ihr Ziel ist es, weitere Möglichkeiten zu entdecken, um den biologischen Verfall wenigstens zu verlangsamen. „Weitere“ deshalb, weil sich, umfassender betrachtet, eigentlich schon einiges zugunsten des menschlichen Individuums verändert hat. In den letzten 100 Jahren verdoppelte (!) sich in Deutschland die Lebenserwartung. Hygiene und Ernährung sowie eine viel bessere medizinische Versorgung dürften dafür verantwortlich sein. Aber es sollte eben noch weitere СКАЧАТЬ