Weisheit und Mitgefühl in der Psychotherapie. Christopher Germer
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Название: Weisheit und Mitgefühl in der Psychotherapie

Автор: Christopher Germer

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783867812313

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СКАЧАТЬ (Unterwerfung) sind oder ganz ohne innere Beteiligung verfolgt werden (Kunzmann & Baltes, 2005, S. 126). Die Berliner Gruppe kam zu dem Ergebnis, dass Weisheit selten ist und nicht notwendigerweise mit dem Alter zunimmt (Ergebnisse, die von vielen Forschern wiederholt bestätigt wurden; zum Beispiel von Baltes & Staudinger, 2000; Jordan, 2005; Staudinger, 1999), obwohl Training und Übung bei dem Versuch, sich selbst und andere zu verstehen, nützlich zu sein schienen (Kunzmann & Baltes, 2005). Interessanterweise kamen sie auch zu dem Ergebnis, dass Weisheit ein sozial interaktives Produkt ist (Staudinger & Baltes, 1996), das nicht wirklich in Individuen lokalisiert werden kann, sondern an dem ganze Gemeinschaften gemeinsam Anteil haben.

      Das Berliner Weisheitsprojekt hat zwar sehr viele empirische Forschungsergebnisse über Weisheit hervorgebracht, aber es gibt auch Kritik. Die am häufigsten zitierten Bedenken sind, dass (1) untersucht und gemessen wird, wie Menschen denken und nicht wie sie handeln und (2) dass Emotionen vernachlässigt werden. Im Jahr 1997 begann die Soziologin Monika Ardelt ältere Bürger auszuwählen, um mit ihrer Hilfe einen „dreidimensionalen“ Weisheitstest zu entwickeln, mit dem der kognitive, der affektive und der emotionale Aspekt von Weisheit gemessen werden sollten. In ihrem Rahmen gehört zu dem emotionalen Aspekt das Empfinden von Mitgefühl gegenüber anderen und die Fähigkeit, konstruktiv mit Unglück und Widrigkeiten umzugehen. Ardelt argumentiert, dass Mitgefühl erkennbar werden lässt, was einen weisen Menschen eigentlich ausmacht – eben nicht nur jemanden, der bestimmte intellektuelle Fähigkeiten vorweisen kann. Sie zitiert den Philosophen Jon Kekes und bemerkt, dass „ein Narr lernen kann, die Dinge zu sagen, die ein weiser Mann sagt, und sie bei denselben Gelegenheiten zu sagen“ (Ardelt, 2004, S. 262), aber dies sei nicht wirklich Weisheit. Um ihren Ansatz zu stützen, weist sie darauf hin, dass Jesus, der Buddha, Mohammed, Gandhi, christliche Heilige und Zenmeister alle eine tiefere Wahrheit wahrnehmen, die anderen entgeht. Sie seien in der Lage, ihre Subjektivität und ihre Projektionen zu transzendieren und Ereignisse objektiv aus mehreren Perspektiven zu betrachten und Mitgefühl mit anderen zu empfinden (Ardelt, 2004, S. 279).

      Auch Robert Sternberg hat sehr viel zum empirischen Studium von Weisheit beitragen (siehe Kapitel 11). Nach seinem Model arbeitet ein weiser Mensch auf ein gemeinsames Gutes hin, und zwar „durch Ausgewogenheit von a) intrapersonellen, b) interpersonellen und c) extrapersonellen Interessen, um ein Gleichgewicht von a) Anpassung an die existierende Umwelt, b) Gestalten der existierenden Umwelt und c) einer Auswahl neuer Umwelten herzustellen, und zwar auf lange Sicht wie auf kurze Sicht“ (Sternberg & Lubart, 2001, S. 507; Kapitel 11). Narrheit ist das, was sich ausbreitet, wenn wir aus dem Gleichgewicht sind – wenn wir uns nur auf ein paar unserer Fähigkeiten verlassen, wenn wir nur einige Interessen berücksichtigen oder unseren Blick ausschließlich auf entweder kurzfristige oder auf langfristige Folgen richten (Sternberg, 2005a; Kapitel 11).

      Streben nach Konsens

      Wie können wir diese Perspektiven sichten, um zu einem für Psychotherapeuten Verständnis von Weisheit zu gelangen? Eine Reihe von Autoren hat versucht, in historischen Berichten und modernen Modellen gemeinsame Themen zu erkennen. Die Neurobiologen Thomas Meeks und Dilip Jeste (2009; Kapitel 14) haben sechs Hauptkomponenten von Weisheit identifiziert: (1) prosoziale innere Haltung und prosoziales Verhalten, (2) soziale Entscheidungsfindung und pragmatisches Wissen vom Leben, (3) emotionale Homöostase, (4) Reflexion und Selbstverständnis, (5) Wertrelativismus und Toleranz und (6) Anerkennen von Unsicherheit und Mehrdeutigkeit und effektives Umgehen damit. Judith Glück vom Berliner Weisheitsprojekt (2008) und Susan Bluck haben vorliegende Definitionen ausgewertet und vier Bestandteile von Weisheit identifiziert: Meisterschaft, Offenheit für Erfahrung, eine innere Haltung des Interesses an Reflexion und Fähigkeit zu geschickter emotionaler Regulierung. Obwohl es immer noch keinen Konsens über eine Definition gibt, bekam diese Definition auf der Grundlage dieser Begriffe bei einem Treffen von Philosophen und Psychologen im Jahr 2010, die dieses Thema erforschen, eine gewisse Beachtung und Anerkennung als eine Möglichkeit, verschiedene Sichtweisen zu umfassen (Tiberius, 2010).

      Neurobiologie

      Vor dem Hintergrund der Schwierigkeit, Weisheit auch nur zu definieren, ist nicht überraschend, dass unser Verständnis ihrer Neurobiologie immer noch begrenzt ist. Meeks und Jeste (2009) haben zu beschreiben versucht, was möglicherweise in verschiedenen Hirnregionen geschieht, wenn Bestandteile von Weisheit aktiv sind. Aber sie machen auch darauf aufmerksam, dass die Landkarte spekulativ ist, weil es keinen Konsens über eine Definition von Weisheit gibt und die Forschung mit bildgebenden Verfahren sich bisher nicht eingehend mit den neurobiologischen Grundlagen von Weisheit beschäftigt hat. Trotz dieser und anderer Einschränkungen kann man eine klare Vorstellung von der Dynamik von Weisheit bekommen, wenn man untersucht, welche Aktivitäten des Gehirns mit jeder ihrer Bestandteile verbunden sind (siehe Kapitel 14).

      Therapeutische untersuchungen

      Die meisten eingehenden Untersuchungen von Weisheit im Zusammenhang mit Psychotherapie finden sich auf dem Gebiet der Transpersonalen Psychologie. Diese Disziplin, die in den 1960er Jahren aus der Forschung mit psychedelischen Drogen und dem darauf folgenden gegenkulturellen Interesse an östlicher Meditation und Yogapraktiken entstand, befasst sich „mit dem Studium des höchsten Potentials der Menschheit und mit der Anerkennung, dem Verständnis und der Realisierung intuitiver, spiritueller und transzendierender Bewusstseinszustände“ (Lajoie & Shapiro, 1992, S. 91). Ihr Ziel ist es, „zeitlose Weisheit mit moderner westlicher Psychologie zu integrieren und spirituelle Prinzipien in eine wissenschaftlich begründete zeitgenössische Sprache zu übersetzen“ (Caplan, 2010, S. 231). Zusätzlich zu Maslows Arbeit über „selbst-aktualisierende“ Individuen halfen Stanislav Grofs Untersuchungen der bewusstseinserweiternden Wirkungen von LSD (1993, 1998) das Gebiet der Transpersonalen Psychologie zu etablieren. Wahrscheinlich weil dieses Gebiet aus einem gegenkulturellen Milieu heraus entstand, sich großzügig bei esoterischen spirituellen Traditionen bedient und besonders an mystischer Erfahrung interessiert ist, hat es bei Therapeuten des Mainstream nicht viel Beachtung gefunden.

      Soweit wir sehen, hat es nur einen einzigen systematischen Versuch gegeben, die Ergebnisse wissenschaftlicher Erforschung von Weisheit im therapeutischen Bereich anzuwenden. Michael Linden, ein deutscher Psychiater, der in Berlin praktiziert, hat einen Ansatz entwickelt, den er „Weisheitstherapie“ nennt. Er verwendet eine Modifikation des Forschungsprotokolls des Berliner Weisheitsprojekts, um bei Klienten Weisheit zu kultivieren. Die Klienten werden aufgefordert, schwierige Lebenssituationen aus mehreren Perspektiven zu betrachten, und zwar mit dem Ziel, verschiedene Komponenten von Weisheit zu entwickeln, darunter Flexibilität der Sichtweise, Empathie, Akzeptanz von Emotionen, Wertrelativismus, Akzeptanz von Unsicherheit und eine langfristige Perspektive (Linden, 2008).

      Als wir dieses Buch planten, haben wir unter Weisheit einfach ein tiefes Verständnis davon verstanden, wie man lebt. Diese Definition erfasst zwar immer noch ihre Essenz, aber wir haben seitdem gelernt, dass Weisheit eine menschliche Fähigkeit auf hohem Niveau und mit vielen Dimensionen ist, die sich unter verschiedenen Bedingungen unterschiedlich manifestiert. Zu ihr gehören Ausgewogenheit und Integration vieler Fähigkeiten und sie hat quer durch kulturelle und historische Kontexte verschiedene Formen angenommen. Es wird daher eine schwierige Aufgabe sein, gezielte Interventionen oder therapeutische Trainingskonzepte zu entwickeln, um so eine vieldimensionale Tugend zu kultivieren.

      Weisheit für den Therapeuten

      Wir haben eine informelle Umfrage unter erfahrenen Therapeuten durchgeführt und sie gefragt, was einen „weisen” СКАЧАТЬ