Название: Nach Hause kommen zu sich selbst
Автор: Tara Brach
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783867287340
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verliert sich im Sein, vergisst vor Trunkenheit
den Weg nach Hause.
Rumi
Wir werden mit einem wundervollen offenen Geist geboren, voller Lebendigkeit, Unbefangenheit und Widerstandsfähigkeit. Doch wir bringen diesen Schatz in eine schwierige Welt.
Ich stelle mir vor, wie wir von dem Augenblick der Geburt an anfangen, eine Art Raumanzug zu entwickeln, um uns in diesem merkwürdigen neuen Umfeld zurechtzufinden. Dieser Raumanzug soll uns vor Gewalt und Habgier schützen und uns helfen, die Zuwendung unserer Betreuungspersonen zu gewinnen, die mehr oder weniger in ihrer eigenen Selbstbezogenheit und Unsicherheit verstrickt sind. Wenn unsere Bedürfnisse nicht erfüllt werden, erzeugt unser Raumanzug die besten abwehrenden und proaktiven Strategien, die ihm möglich sind. Dazu gehören Anspannungen im Körper und Emotionen wie Ärger, Angst und Scham, mentale Aktivitäten wie Urteilen, Sich-Festbeißen und Fantasieren und eine große Bandbreite von Verhaltensweisen, um an das zu kommen, was einem fehlt: Sicherheit, Nahrung, Sex, Liebe.
Unser Raumanzug dient wesentlich unserem Überleben, und manche seiner Strategien helfen uns durchaus, produktive, stabile und verantwortungsbewusste Erwachsene zu werden. Doch derselbe Raumanzug, der uns schützt, kann uns auch daran hindern, uns spontan, fröhlich und frei durch unser Leben zu bewegen. Dann wird unser Raumanzug zum Gefängnis. Unser Selbstverständnis wird durch seine Stärken und Schwächen geprägt. Wir identifizieren uns mit unseren Fähigkeiten, Probleme zu lösen oder zu kommunizieren, identifizieren uns mit unseren Urteilen und Zwangsvorstellungen, identifizieren uns mit unserer Angst und unserem Ärger. »Identifiziert« bedeutet, wir meinen, wir sind der Raumanzug! Es scheint uns so, als seien wir tatsächlich jenes Selbst, das ängstlich und wütend ist, das urteilt, von anderen bewundert wird, etwas Besonderes ist oder unvollkommen oder allein.
Wenn wir mit dem Raumanzug verschmelzen, fangen wir an, in einem Zustand zu leben, den ich »Trance« nenne. Unser Selbstverständnis wird dann extrem eng. Wir haben vergessen, wer durch die Maske des Raumanzugs schaut; wir haben unser weites Herz und unser Gewahrsein vergessen. Wir haben die mysteriöse Präsenz vergessen, die immer da ist, jenseits aller flüchtigen Emotionen, Gedanken und Handlungen.
In Trance zu leben, ist, als wäre man in einem Traum gefangen, abgeschnitten von der eigenen unmittelbaren Erfahrung des Augenblicks, getrennt von dieser lebendigen Welt. Wir haben unser Zuhause verlassen – unser Gewahrsein und unsere Lebendigkeit – und uns unwissentlich auf ein verzerrtes Fragment der Wirklichkeit reduziert.
Wir haben alle unsere eigene Art, von zu Hause fortzugehen, und unsere eigenen Strategien, mit dem Schmerz unerfüllter Bedürfnisse umzugehen. Doch das Aufwachen an sich ist ein universeller Prozess. Wir merken – langsam oder schnell –, in welch reduzierter und häufig schmerzhafter Wirklichkeit wir gelebt haben. Wir wollen uns wieder mit unserer Unschuld und grundlegenden Güte verbinden. Wir möchten unser wahres Sein erkennen. Unser tiefes Sehnen drängt uns, einen Weg zu wahrer Zuflucht und Geborgenheit zu finden.
Dieses Erwachen begann für mich etwa acht Jahre vor meinem ersten buddhistischen Retreat. Wie Sie bereits aus dem ersten Kapitel wissen, geschah es nicht einfach alles auf einmal. Doch wenn die Trance sich auch nur für einen kurzen Moment auflöst, können wir das Potenzial für Freiheit und den Weg aus dem Leiden heraus erkennen.
Das Perfektions-Projekt
Solange ich mich erinnern kann, habe ich mich danach gesehnt, die Wahrheit zu erkennen und bewusst und gütig zu sein. Als ich während des College Yoga kennenlernte, war ich überzeugt, eine Abkürzung gefunden zu haben, der Mensch zu werden, der ich sein wollte. Direkt nach meinem Abschluss zog ich in der Nähe von Boston in einen Ashram, eine Gemeinschaft, die dem Weg des Yoga verpflichtet war. Ich war überzeugt, dass dieser Weg mich mit entsprechendem Einsatz zu spiritueller Freiheit führen würde.
Unsere Gemeinschaft folgte strengen Regeln. Wir standen vor Sonnenaufgang auf, nahmen eine kalte Dusche und verbrachten dann mehrere Stunden mit Yoga, Meditation, Singen und Beten. Wir arbeiteten auch hart und viel an dem Betreiben eines Yoga-Zentrums, eines vegetarischen Restaurants und eines Ladens am Harvard Square. Von hingebungsvollem Eifer erfüllt, stand ich oft sogar noch früher auf als meine Mit-Yogis oder setzte mich spätabends noch hin, um meine spirituelle Praxis zu vertiefen.
Mein aufrichtiges spirituelles Streben hatte sich mit einer Überzeugung verknüpft, die in dieser und vielen ähnlichen spirituellen und religiösen Gemeinschaften verbreitet ist: Um glücklich und frei zu sein, müssen wir uns läutern, indem wir unsere Egos von aller Selbstsucht, Aggression und Unsicherheit befreien. Die durch sportliche Yoga-Übungen ausgelösten Hochgefühle und die Verzückung, die ich in Meditationen erlebte, waren mir Zeichen meines Fortschritts. Doch zu anderen Zeiten war ich mir meiner »Unreinheiten« schmerzlich bewusst, was mich motivierte, mich mit noch mehr Eifer in meine spirituellen Praktiken zu vertiefen.
Solches Streben nach Vollkommenheit ist ein äußeres Zeichen für die Trance. Meine Trance wurde von der Überzeugung genährt, dass ich ein begrenztes, unzulängliches Selbst sei. Ohne mir dessen wirklich bewusst zu sein, hatte ich viele Idealvorstellungen davon, wie ein spiritueller Mensch fühlen, aussehen und sich verhalten sollte. Ich hatte auch ein Ideal davon, wie ein »gesunder« weltlicher Mensch sein sollte. Ich prüfte mich regelmäßig, wie ich im Vergleich zu meiner Idealvorstellung dieses perfekten Selbst abschnitt. Natürlich empfand ich mich praktisch immer als unzulänglich – denn direkt unter der Oberfläche lauerten meine Selbstbezogenheit, meine unklaren Motive, mein Ehrgeiz und meine Bewertungen. Im Rückblick kann ich erkennen, wie die Mischung aus echtem spirituellem Bestreben und unbewusstem Perfektionismus für Verwirrung und Zündstoff sorgte. Ich kann erkennen, was Danna Faulds meinte, als sie schrieb: »Perfektion führt zu nichts als Schmerz.«
Das Perfektions-Projekt bricht zusammen
Die morgendliche Praxis im Ashram gab mir Energie und befreite mich vorübergehend von der Anspannung eines selbstzentrierten Fokus. Ich genoss es, mit meinen Freunden zu meditieren und zu singen, ich genoss das gemeinschaftliche Frühstück und die Fahrgemeinschaft. Dieses Wohlgefühl hielt oft stundenlang an, doch an einem Morgen geriet ich in eine tiefe Krise.
Zu jenem Zeitpunkt war ich die Leiterin unseres Yoga-Zentrums, und wir waren spät dran, unsere wichtigste Veranstaltung im Jahr anzukündigen, bei der mehrere bekannte Yoga-Lehrer auftreten würden. An jenem Morgen kam der Leiter unserer Gemeinschaft verspätet und sichtlich erregt zu unserem wöchentlichen Mitarbeiter-Treffen. Ich fragte ihn, was los sei.
»Was los ist?«, sagte er mit mühsam beherrschter Stimme. »Schau dir das doch mal an!« Er warf die Flyer auf den Tisch, die ich für die Veranstaltung gemacht hatte, und ich sah sofort den Tippfehler in dicken, fetten Buchstaben vorne drauf: Es war das falsche Datum! Mir sank das Herz und ich spürte, wie mein Gesicht vor Peinlichkeit errötete. Wir hatten von diesem Flyer gerade 3000 Exemplare drucken lassen. Ich hatte es absolut vermasselt.
Wir sprachen darüber, einen neuen Flyer zu erstellen, die Aussendung zu verschieben und welche anderen Wege es gäbe, den Fehler wieder auszubügeln. Mein Verstand arbeitete hart daran, das Problem zu lösen, doch die Last des Versagens lag mir wie ein Felsbrocken auf der Brust. Am Ende unserer Sitzung begann ich, mich zu entschuldigen: »Ich bin dafür verantwortlich«, sagte ich mit leiser, tonloser Stimme. »Und es tut mir echt leid …« Ich spürte, wie mich die anderen ansahen, und plötzlich blitzte Ärger in mir auf, und die Worte brachen aus mir hervor: »Aber es war echt ein Riesenberg Arbeit, mit dem ich ganz alleine dastand.« Ich spürte ein Brennen in den Augen, aber ich blinzelte die Tränen weg. »Es wäre schön gewesen, wenn jemand da gewesen wäre, um es noch mal Korrektur zu lesen. Vielleicht wäre das dann nicht passiert.«
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